Er hatte die letzten Worte laut gerufen und dabei die Augen weit aufgerissen. Ich verziehe keine Miene. Er fährt fort: „Wir waren doch immer wieder bei den Olschewskis. Uns hätte doch was auffallen müssen. Wir haben doch ein Berufsethos. So etwas hätte nicht vorkommen dürfen…“
Ich frage ihn: „Wie oft waren Sie denn bei den Olschewskis?“
„Wer? Meinen Sie jetzt mich persönlich oder den Pflegedienst? – Also ich war höchstens dreimal bei denen, ansonsten hat das Schwester Dagmar gemacht – das war ihre Tour. Ach, ich mache mir ja solche Vorwürfe!“
„Und diese Schwester Dagmar. Die kommt jeden Tag zu den Olschewskis und merkt nichts? Ich meine: Die Olschewski-Family hat den Opa in einem Loch hausen lassen und sich nicht um ihn gekümmert. Allein sein hygienischer Zustand hätte diese Schwester Dagmar doch alarmieren müssen.“
Böttcher springt auf, stößt dabei einen Beistelltisch um, was ihn nicht kümmert und rennt aus dem Zimmer.
Durch den Lärm wird Sandy angelockt, die in Windeseile da ist, um mich -ihren Chef- durch was weiß ich für Kampfkünste vor Ungemach zu bewahren. „Was’n los, Chef?“
„Nix, alles okay.“
„Kommt der wieder?“, fragt sie und deutet mit dem Kopf in die Richtung in der Böttcher verschwunden ist.
„Ich denke schon, vielleicht braucht der mal frische Luft“, mutmaße ich.
Sandy grinst und meint: „Also, ich habe mit der Hitz von der Ortspolizeibehörde gesprochen…“
„Läuft das noch was zwischen Euch?“, unterbreche ich sie.
„…mal so mal so…“
„Und?“
„Na ja, auf jeden Fall nimmt die den Fall jetzt an sich. Der Opa wird beschlagnahmt, kann aber bei uns bleiben.“
„Wie, die Kerle vom Bestattungsamt holen den nicht ab?“
„Aus Gründen der Kostenvermeidung wird davon abgesehen, hat sie gesagt. Und außerdem wird sie später eine Bestattung von Amts wegen anordnen. Das wäre die gute Nachricht.“
Eine Bestattung von Amts wegen scheint mit hier auch angebracht. Die Stadtverwaltung übernimmt zunächst die Kosten, wir können die Bestattung in aller Einfachheit ausführen und dann wird man sehen, wer letzten Endes für die Kosten aufkommt. Aber das wäre dann nicht mehr unser Bier. Aber das ist ja nur die gute Nachricht, die Sandy mir überbringt. Es steht also zu befürchten, dass da noch eine schlechte Nachricht hinterher kommt, und außerdem hatte Sandy ’später‘ gesagt.
„Okay, und was ist die schlechte Nachricht?“
„Tja, der Opa wird erst noch aufgeschnippelt.“
„Obduktion?“
„Jau, genau. Die hat das an die Staatsanwaltschaft übergeben. Die Kripo kommt irgendwann nachher.“
„Das sind ja Neuigkeiten, damit hättest Du sofort zu mir kommen müssen!“
„Also schneller ging’s nicht. Hab‘ ja gerade erst mit der telefoniert.“
„Na dann…“
Herr Böttcher kommt wieder herein, er hat eine dicke blaue Kunststoffmappe in den Händen. „Hiermit können wir nachverfolgen, was Schwester Dagmar gemacht hat“, sagt er.
Sandy hilft uns und gemeinsam gehen wir die eng beschriebenen Pflegeprotokolle durch. Schnell ist klar, dass Schwester Dagmar niemals bei den Olschewskis war, zumindest in den letzten Monaten nicht. Aus den Aufzeichnungen ergibt sich ganz eindeutig, dass der engmaschige Plan für die Fahrt von einer gewissen Familie Schlegel zu Herrn Gleisberg, dessen Pflegeversorgung und der anschließenden Fahrt zu einer Frau Mack nur drei Minuten Luft liess.
„Von den Eintragungen der Kürzel her, hat sie alles gemacht, aber es kommt zeitlich nicht hin“, stöhnt Herr Böttcher: „Das ist alles meine Schuld!“
Er wirft den Kugelschreiber auf den Tisch und ruft: „Ich habe keine Lust mehr. Ehrlich! Ich will das alles nicht mehr! Das ist ja nicht zu schaffen!“
Wieder läuft er hinaus, dieses Mal tatsächlich, um draußen vor der Tür Luft zu schnappen. Sandy geht hinterher: „Ich kümmer‘ mich mal um den.“
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