Fundstücke

Respektlos, übergriffig: Sie putzt ungefragt fremde Gräber

gesäubertes Grab

Eine in Pink gekleidete TikTok-Tante kullert einen Ball über einen US-amerikanischen Friedhof. Dort, wo er liegenbleibt, beginnt sie mit der Reinigung des Grabes, bis es blitzblank ist.

Das Ganze nimmt die Frau auf Video auf und sabbelt einen unerträglich oberflächlichen Kommentar dazu. So, wie sie ungefragt Gräber putzt, reinigt sie auch ohne Erlaubnis die Toiletten bei McDonalds und andere Örtlichkeiten. Sie folgt der Überzeugung, nichts in der Welt könne dagegen sprechen, wenn sie irgendetwas säubert. Schließlich ist es ja hinterher besser als vorher und sie macht das ja „for free“.

TikTok ist sowieso die Müllhalde des Netzes, in deren kloakiger Senke sich hingerotzter Unterhaltungsmüll um die Moneten der Zuschauer bemüht. Gräberputzen ist da nur eine absurde Spielart der abgefilmten Überflüssigkeiten.

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So ein Verhalten ist in deutschen Augen natürlich absolut schlimm. Wie kann man nur? Wer hat das denn erlaubt? Das ist schließlich MEIN Grab!
So ähnlich reagiert auch eine junge, fürchterlich schnell sprechende Frau (Catzplay) auf YouTube. Sie thematisiert die vermeintliche Übergriffigkeit der pinken Grabputzerin (Cleangirl) einerseits, aber auch die respektlose Art und Weise, wie die Putzsüchtige vorgeht.

Ihr könnt das YouTube-Video hier anschauen:

Wer sich das Cleangirl einmal ansehen möchte, kann das auch auf YouTube tun, wohin die TikTokerin ihre Videos zur Zweitvermarktung ebenfalls hochlädt:

Hier geht es um das Reinigen von Gräbern. Ein anderer TikTok-Trend war „Dancing on graves“, also das Tanzen auf wildfremden Gräbern, bei dem sich die Leute filmten und das ebenfalls auf TikTok veröffentlichten.
Und wer jetzt noch nicht von der Asozialität überzeugt ist, darf sich noch über den Ice-Licking-Contest auf TikTok freuen, bei dem Leute in Supermärkten Eispackungen öffnen, über das Eis lecken und die wieder verschlossenen Packungen zurück in die Eistruhe stellen.

Doch wie ist das in den USA eigentlich mit der Grabpflege. Ich habe es mal für Euch zusammengestellt.

Zunächst muss man wissen, dass die meisten amerikanischen Friedhöfe Gräber auf Basis eines „Perpetual Care“-Vertrags anbieten, der eine dauerhafte Ruhezeit garantiert. Das bedeutet, dass die Grabstätte für immer bestehen bleibt und anders als in Deutschland nicht nach einer bestimmten Zeit aufgelöst wird. Der Kaufpreis beinhaltet oft auch eine pauschale Gebühr für die langfristige Instandhaltung der Grabstätte und des Friedhofs.
Auf vielen Friedhöfen besteht das Grab allerdings auch nur aus einem kleinen Grabstein, der aus einer Rasenfläche herausragt. Die Grabpflege beschränkt sich hier dann auf das Mähen dieses Rasens.

Grabpflege in den USA: Traditionen, Verantwortlichkeiten und Rechtslage

In den USA hat die Grabpflege eine besondere kulturelle Bedeutung, und die Tradition, Gräber sauber und würdevoll zu erhalten, ist tief verwurzelt. Mit dem Wandel von Technologien und gesellschaftlichen Normen hat sich auch die Art und Weise verändert, wie Gräber gepflegt werden. Neben den Familienangehörigen beteiligen sich heute häufig auch freiwillige Helfer an der Instandhaltung der Gräber. Doch welche Regeln gelten hier, und wie ist die Rechtslage, wenn Fremde die Pflege von Gräbern übernehmen?

Traditionelle und moderne Grabpflege in den USA

Die Pflege von Gräbern ist ein Teil der Erinnerungskultur. Besonders bei älteren und historischen Friedhöfen engagieren sich heute auch Menschen, die keine persönliche Beziehung zu den Verstorbenen haben, um den Erhalt und die Würde der Grabstätten sicherzustellen.

Das ist in unseren Gefilden auch nicht anders, wenn wir beispielsweise an die Pflegeeinsätze der deutschen Kriegsgräberfürsorge denken.

Viele Freiwillige, die Gräber pflegen, engagieren sich beispielsweise im Rahmen von Community-Projekten oder über Social Media in Netzwerken, die das Interesse an der Pflege alter Gräber fördern. Auch Gedenktage wie der Memorial Day oder der Veterans Day sind in den USA beliebte Anlässe, um die Gräber von Soldaten und historischen Persönlichkeiten zu säubern und in Ehren zu halten. Doch selbst im privaten Bereich wächst der Trend, Friedhöfe als Orte der Geschichte und des gemeinschaftlichen Erinnerns zu sehen, was dazu führt, dass viele Freiwillige die Pflege alter, vernachlässigter Gräber übernehmen.

Verantwortlichkeiten bei der Grabpflege

In den USA obliegt die grundlegende Pflege der Friedhofsanlage meist dem Friedhofsbetreiber. Das ist also genauso wie bei uns. Dies umfasst Tätigkeiten wie Rasenmähen, das Entfernen von Unrat und den Erhalt der Infrastrukturen. Die individuelle Grabpflege – wie die Säuberung von Grabsteinen oder die Bepflanzung der Grabstätte – wird jedoch traditionell von den Angehörigen der Verstorbenen übernommen. Friedhöfe bieten zudem oft zusätzliche Pflegepakete an, die bei Erwerb einer Grabstätte gegen eine Gebühr abgeschlossen werden können. Solche „Endowment Care“ oder „Perpetual Care“-Pläne garantieren die langfristige Pflege der Gräber und umfassen meist das regelmäßige Mähen des Grases sowie kleinere Instandhaltungsarbeiten.

Auf nationalen Friedhöfen, insbesondere auf Militärfriedhöfen wie dem Arlington National Cemetery, übernimmt das Friedhofspersonal die vollständige Instandhaltung. Hier ist die Pflege zentral geregelt und wird durch öffentliche Mittel finanziert, um den Respekt vor den gefallenen Soldaten zu bewahren.

Zusätzlich bieten einige Friedhöfe sogenannte „Adopt-a-Grave“-Programme an, bei denen Freiwillige die Pflege vernachlässigter Gräber übernehmen können. Solche Programme sind vor allem in ländlichen Gebieten verbreitet, wo die Friedhöfe häufig auf ehrenamtliche Unterstützung angewiesen sind, um den Pflegebedarf zu decken.

Die Rechtslage zur eigenmächtigen Grabpflege fremder Gräber

Die rechtliche Situation zur eigenmächtigen Pflege fremder Gräber in den USA ist komplex und je nach Bundesstaat und Friedhof unterschiedlich geregelt. Generell gilt, dass die Friedhofsanlagen im Eigentum des Friedhofsbetreibers stehen, der das Hausrecht über die Grabstätten ausübt. Friedhöfe haben daher das Recht, Regeln aufzustellen, die die Pflege durch Dritte einschränken oder verbieten.

Viele Friedhöfe tolerieren jedoch die Hilfe von Freiwilligen, solange diese respektvoll und ohne Beschädigungen durchgeführt wird. In der Praxis ist es sinnvoll, vor der eigenmächtigen Reinigung oder Pflege eines fremden Grabes die Zustimmung des Friedhofsverwalters einzuholen, um Missverständnissen vorzubeugen. Einige Friedhöfe haben spezifische Regeln gegen das eigenmächtige Betreten oder Pflegen fremder Gräber, insbesondere wenn die Angehörigen noch bekannt oder aktiv in Kontakt mit der Friedhofsverwaltung sind.

Grundsätzlich können Angehörige eines Grabes rechtliche Schritte einleiten, wenn sie der Meinung sind, dass die Grabstätte durch die eigenmächtige Pflege in irgendeiner Weise beschädigt oder verändert wurde. Daher gilt es, äußerst vorsichtig zu agieren und keine dauerhaften Veränderungen an fremden Grabsteinen oder Bepflanzungen vorzunehmen.

Wir sehen also, dass die Pflege fremder Gräber in den USA eine verbreitete und kulturell akzeptierte Tradition ist, die von vielen als eine respektvolle Art des Gedenkens betrachtet wird. Solange die Pflege respektvoll und vorsichtig erfolgt, sind rechtliche Konflikte selten.

Und ich glaube, es geht bei der Betrachtung des Ganzen tatsächlich einzig und allein um Respekt.

Meine Eltern pflegten etliche Gräber. Es war eine Selbstverständlichkeit für meinen Vater, dass er die Gräber links und rechts davon, zu denen schon lange niemand mehr kam, ebenfalls sauber hielt. Unkraut zupfen, mit der Gießkanne abspülen und ab und zu mal mit dem Lappen über den Stein wischen.
Ungefragt schaute er auch immer noch bei dem einen oder anderen Grab vorbei, das alten Nachbarn und Freunden gehörte, die nicht zum Friedhof gingen. Aus Respekt vor den dort Bestatteten machte er dort sauber und stellte ab und zu ein paar Blumen aus seinem Garten dort hin.

Aber das ist auch etwas ganz anderes, als wenn eine auffallend gekleidete, ständig redende Frau mit einer Kamera bewaffnet großes chemisches Geschütz und Farbe auffährt, um völlig übergriffig zu handeln.

Auf der anderen Seite:
Wenn wir das oben gezeigte Video vom Cleangirl zugrunde legen, kann man sich letztendlich im Grunde nur an der für einen Friedhof eventuell etwas unpassenden Kleidung der Frau stören. Und selbst das muss man abwägend betrachten, denn diese Art, sich zu kleiden, ist eben ihr Markenzeichen.
Ansonsten redet sie in diesem Video nahezu ausschließlich aus dem Off, also bei der nachträglichen Videovertonung. Darüberhinaus leistet sie ja viele Stunden echte Arbeit und hinterlässt am Ende ein ordentlich gesäubertes Grab. Wie man sehen kann, besteht dieses Grab seit den frühen 1990er Jahren und so wie es aussieht, hat sich seitdem wirklich niemand darum gekümmert.
Die Catzplay-Dame bemängelt ja, dass Cleangirl teilweise einfach noch lebendig aussehende Blumen entfernt und durch Kunstblumen ersetzt. Dazu muss man wissen, dass uns natürlich auch nicht bekannt ist, ob es sich bei den entfernten Blümchen in manchen Videos nicht auch um in die Jahre gekommene Kunstblumen handelt und dass in den USA künstliche Blumen auf Gräbern weithin als normal angesehen werden.

Jedoch:
Die Aufmachung des Ganzen, die Verwendung von Babytalk und das häufige Präsentieren ihrer eigenen Putzmittelserie zeigen, dass es Cleangirl nicht wirklich um das Erbringen von Respekt geht, sondern doch eher einzig und allein um die Maximierung ihrer Social-Media-Einnahmen.

Wie siehst Du das? Würde mich jetzt echt mal interessieren, was Deine Gedanken dazu sind.

Bildquellen:
  • putzfrau: Peter Wilhelm KI


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In der Kategorie „Fundstücke“ präsentiere ich Sachen, die ich zum Thema Tod, Trauer und Bestattungen irgendwo gefunden habe.
Hier erscheinen auch Meldungen aus der Presse und dem Internet, auf die mich meine Leserinnen und Leser hingewiesen haben.

Lesezeit ca.: 11 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 28. Oktober 2024

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ulf_der_freak
5 Tage zuvor

Ich finde es irgendwie skurril, dass Leute mit Videos Geld verdienen, in denen sie Leute kritisieren, die mit Videos Geld verdienen. Letztlich macht die Kritikerin genau das gleiche: so kassiert sie auch mit geputzten Gräbern.

Tia
Reply to  Peter Wilhelm
1 Tag zuvor

Ich mag „Reactions“, was auf YT als „Reactions Videos“ läuft, sind ja zumeist Zusammenschnitte aus Twitch Streams, nur möchte ich nicht irgendwelchen „Stereamern u Streamerinnen“ über 2-3 Stunden zuschauen u schätze daher einen Zusammenschnitt auf YT.
Das Video zu der pinken Grabschrubberin ist keine Reaction und Ja klar, verdient die Person mit der Aufarbeitung des Themas Geld.. Aber die Person ist auf YT ein eher kleines Licht und so kleine „Videomacher u Macherinnen“ verdienen gerade so auf YT.

Mir sind die kleinen Kanäle eh lieber.

Nobody
4 Tage zuvor

Empfinde das alles auch als immer absurder… habe früher gerne Tutorials geschaut, auch mal Produkttests… auch mal einfachen Content… aber das alles sinkt immer mehr vom Niveau… und wenn man die Kommentare liest finden das viele toll und nehmen das alles für bare Münze was da fürn Laienschauspiel aufgeführt wird…

John Doe
3 Tage zuvor

Hmmm…

Ich könnte mich darüber echauffieren, dass da jemand Geld mit dieser „freiwilligen Arbeit“ verdient. Oder ich betrachte es aus der anderen Perspektive: sobald auch nur ein einziger Mensch beim Anblick dazu animiert wird, auch mal – wie Peters Eltern – ganz selbstverständlich beim verlassenen Nachbargrab für Ordnung zu sorgen und so etwas Respekt zu zeigen, hat sich das Ganze halt auch wieder gelohnt.

Mir ist lieber es verdient jemand Geld mit dem Vormach-Effekt, als dass es niemand macht, und demzufolge auch niemand zum Nachmachen animiert.
Überdies darf man natürlich nicht vergessen: Ab einer gewissen Anzahl an Klicks kann man der Monetarisierung kaum noch entgehen und am Ende des Tages würde niemand von uns über das Geld meckern.

Am Ende des Tages tun solche Leute eben doch mehr für die Allgemeinheit und verdienen damit etwas Geld als jeder Elon Musk dieser Welt, der doof grinsend Trump die Hand schüttelt.

Tia
1 Tag zuvor

Ich habe das Video gesehen und finde es übergriffig, wenn Irgendwer, Irgendwo mit aggressiven Putzmitteln über vermeintlich „verlassene“ Gräber herfällt! Das ist ja was anderes als Unkraut zupfen, den Stein für Lesbarkeit der Daten was abwischen ein paar Blümchen pflanzen……

Ich wäre als auch als entfernte Angehörige stocksauer ein Grab so vorzufinden, die „geputzten“ Gräber in den Videos sind Gruften mit Grabplatten, die werden mit „Kloreiniger“ abgeschrubbt u danach delitantisch weiß angestrichen……. Also das ist extrem übergriffig und bei „uns“ würde so eine „Schrubberin“ entsprechende Anzeigen von den Angehörigen kassieren.

In den USA, mögen Viele die Gräber ihrer Ahnen besuchen, und mögen den „verfallenen“ Anblick von Ur-Opas alter Grabstätte…… Das soll so sein (in einem gewissen Rahmen) und dann kommt eine Tussi mit Kloreiniger und ruiniert Ur-Opas alte Grabstätte nach Gusto.

Die USA ist echt wild u kirre…..

Elmira
1 Tag zuvor

Ich finde das total übergriffig.
Das ist ja was völlig anderes, als ein vergessenes Grab mitzupflegen oder das Nachbargrab ein bisschen sauberzumachen.
Auch wie Peter schreibt, dass seine Eltern früher Gräber von anderen mitgepflegt haben, finde ich okay.
Aber die Tussi in dem Video schrubbt nur für die Show mit einem nicht angeschlossenen Staubsauger über die Gräber.

Es gibt so viele Videos von netten Menschen, die solche Grabpflegen empatisch und ruhig ausführen. Aber diese Frau legt es ganz offensichtlich nur darauf an, viele Klicks zu generieren und sich an die Spitze der Grabputzer auf TikTok und Youtube zu stellen




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