Als vor einer Woche eine Verwandte gestorben ist, hat der Bestatter den Spiegel von der Wand genommen. Ist er dazu berechtigt oder machen das alle Bestatter so? Ich habe das in meinem Beruf noch nicht mitbekommen das ein Bestatter den Spiegel abnimmt, ich bin Altenpflegerin im häuslichen Pflegedienst.
Es ist eine der Traditionen, über die es sehr viele Geschichten gibt.
Es ist in vielen Kulturen, z.T. auch bei uns, durchaus üblich, im Trauerhaus befindliche Spiegel mit einem Tuch zu verhängen, mit der spiegelnden Seite zur Wand verkehrt aufzuhängen oder sie abzunehmen.
Die Begründungen hierfür sind so vielfältig wie die Regionen und die Religionen und entsprechen auch zumeist einem Aberglauben.
Hierzu zählt auch der Brauch, im Haus eines Toten die Spiegel zu verhängen. Man befürchtete, der Tote könne sonst, von seinem Spiegelbild gebannt, länger im Haus verweilen. Oder der Tod würde weitere Todesfälle nach sich ziehen, da Spiegel ja die Kraft der Verdopplung und Vervielfältigung haben. Quelle: antike-Spiegel.ch
Es gibt viele kleine Bräuche, die gemeinhin beim Eintritt des Todes üblich sind, zum Beispiel alle Spiegel im Trauerhaus zu verhängen und alle stehende Wasser auszuschütten. Diese Verhaltensweisen beruhen auf abergläubischen Vorstellungen. Beim erstgenannten Brauch will man verhindern, dass die weichende Seele durch die Spiegel in eine Falle gelockt wird oder dass sich der Leichnam darin spiegelt und ein zweiter Tod im Haus verkündet würde. In dem anderen genannten Fall will man vermeiden, dass das Wasser durch einen hindurchziehenden Geist verseucht wird. Darüber hinaus gibt es auch moderne Erklärungen: der Spiegel sei ein Gegenstand der Eitelkeit. Daher sei es unangemessen, in ihn zu schauen, wenn man gerade einen Menschen verloren habe. Diese Bräuche gelten im progressiven Judentum als nicht verpflichtend, doch es wird anerkannt, dass manche Menschen das Bedürfnis haben, zum Zeitpunkt des Todes „irgend etwas zu tun“, um das Vakuum zu füllen und die Hilflosigkeit, die sich empfinden, ausdrücken zu können. Quelle: liberale Juden, Seite nicht mehr aufrufbar
Nach jüdischem Verständnis endet die Heiligkeit des Menschen nicht mit dem Tod, so daß aus „orthodoxer“ Sicht die Gesetze und Bräuche um Tod und Trauer den Sinn haben, die Würde des menschlichen Geistes zu stärken.
Hier muß aber festgehalten werden, daß viele der Bräuche um Tod und Trauer auf abergläubischen Vorstellungen beruhen. Nach Kolatch wird der Tote auf den Fußboden gelegt, stehendes Wasser ausgegossen, werden die Spiegel verhängt, der Leichnam nie allein gelassen, dürfen Tote weder einbalsamiert noch verbrannt werden und müssen zwingend am Tag nach ihrem Tode begraben werden. (…)
Für die Sitte, die Spiegel zu verhängen, weißt Kolatch darauf hin, daß es mehrere Deutungen gibt, wohingegen das progressive Judentum feststellt, daß entweder verhindert werden soll, daß sich die Seele in einem Spiegel verfängt, „in eine Falle gelockt wird“, oder daß sich der Leichnam darin spiegelt und bald ein zweiter Tod im Haus verkündet wird. Weiter ist zum Spiegel noch anzumerken, daß es eine „moderne“ Auslegung gibt, die sich mit der menschlichen Eitelkeit befaßt und daran festhält, daß es unangemessen sei, in einen Spiegel zu schauen, wenn man gerade einen Menschen verloren hat.Quelle: talmud.de
Natürlich ist ein Bestatter nicht von Amts wegen berechtigt irgendeine unerwünschte Veränderung im Sterbehaus vorzunehmen. Manchmal setzen aber Bestatter, vor allem in von Traditionen geprägten Gebieten, voraus, daß bestimmte Vorgehensweisen allgemein akzeptiert und von jedem gewünscht sind.
Heute verlieren solche abergläubischen Handlungen an Bedeutung und da wäre es des Bestatters Pflicht, zu fragen, ob man dies oder das wünscht.
Weitere Informationen zum Spiegelaberglauben findet man hier.
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Egal wie toll und modern sich der Mensch gibt, er bleibt halt innerlich eine weinerliche, abergläubische Figur. Macht sich beim Anblick des Todes in die Hose und versucht sich durch abergläubische Riten davor zu schützen. Hoch lebe der moderne Mensch, der immer wieder über Naturvölker und deren Riten lacht. Erst mal an die eigene Rotznase packen und dann zu den Nachbarn sehen, das täte vielen Zeitgenossen gut. 😉
Die Frage, ob er dazu berechtigt ist, ist klasse. Den nächsten, der mich grüßt, werde ich auch fragen, ob er dazu überhaupt berechtigt ist.
Auf der Straße grüßen oder in einem fremden Haus den Spiegel abhängen ist ja auch absolut auf der gleichen Wellenlänge.
Meine Mama war an Lungenkrebs erkrankt und ich habe sie zuhause gepflegt. Im März ist sie dann gestorben – ganz friedlich und ich hatte das Gefühl, fast mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Ich habe keinen Spiegel abgehängt, hatte davon auch noch nie gehört. Aber ich habe das Fenster geöffnet, weil es heisst, dass dann die Seele rausfliegen kann. Aberglaube oder nicht – für mich war es irgendwie tröstlich.
Ja das mit dem Fenster kenne ich auch 🙂
Kannte den Brauch auch nicht, erinnert mich aber irgendwie an die Anfangsszene von Constantine mit Keanu Reeves.
Hier noch zwei psychologische Erklärungen:
1. Spiegel lassen den Raum nicht nur größer erscheinen, sie reflektieren auch Bewegungen. Der orientierende Reflex verursacht, dass man sich auch diesen Scheinbewegungen zu wendet, zumindest lenkt es einen aber ab (Siehe auch Fengshui). Diese Unruhe ist störend für die Trauernden und widerspricht der Vorstellung der „letzen Ruhe“ und des „friedlich schlummernden“.
2. Wer richtig trauert, heult und schluchzt sieht häufig aus dementsprechend aus. Das fällt Trauernden aber nur auf, wenn sie sich im Spiegel betrachten. Wenn sie aber um Ihr Aussehen besorgt sind, sind sie zum einen gedanklich nicht mehr voll bei dem Verstorbenen oder nehmen sich in dem Ausdruck ihrer Trauer zurück. Wer seinen Gefühlen aber freien Lauf lassen will, der muss auch das Recht haben scheiße aussehen zu dürfen.
Ich kenne den Brauch ebenfalls. Das wird bei uns im Norden in den Krankenhäusern immer noch gemacht, ebenso wie ein Fenster geöffnet wird und man, wenn Nachts wer verstirbt, ein Teelicht zum Fenster stellt, damit die Seele schneller den Weg nach draussen findet. Ausserdem ist eine Kerze am Fenster oder vor der Tür ein Brauch, der für die Trauernden was Tröstliches hat. Man gedenkt dem Toten. Durfte ich im Hospiz auch erleben, da stand dann eine angezündete Laterne an der Tür des Verstorbenen und auch am Gedenkaltar!
Vielleicht wäre es mal interessant die ganzen verschiedenen mehr oder wenigen abergläubischen Bräuche rund um das Verhalten im Sterbehaus in den verschiedenen deutschen Regionen zu sammeln.
Mit vielem, was hier in der Gegend üblich ist, bin ich groß geworden, ohne es zu hinterfragen (Spiegel verhüllen, weiße Tischdecken auf alle Tische im Haus, in den Tagen bis zur Beerdigung immer frischen Butterkuchen im Haus, auch in der weiteren Verwandtschaft mindestens 6 Wochen keine rote Bekleidung, die Nachbarn lassen die Hinterbliebenden nie allein, einer ist immer als Hilfe/Kaffeekocher/Zuhörer da, zur Beerdigung nur mit Stofftaschentuch keine Papiertaschentücher usw.). Jetzt muss ich diese Dinge meinem Freund, der und dessen Familie mit den Bräuchen auf dem Dorf nicht vertraut sind, das ganze öfter erklären und mir fällt auf, wie sinnlos und unerklärlich vieles ist.
„…die Nachbarn lassen die Hinterbliebenden nie allein, einer ist immer als Hilfe/Kaffeekocher/Zuhörer da,“
Sehr schöner und sinnvoller Brauch.
Hallo Big Al, zu mir kommen hinterbliebene Ehefrauen, die mich um Hilfe beten, weil die Beileidsbekundungen von Freunden und Nachbarschaft zum Ableben ihres Mannes nicht aufhören. Haustürklingel, Telefon, Über-den-Zaun-Ansprechen … alles gut gemeint. Aber sie findet keine Ruhe zum Trauern, allein trauern. Wir haben dann eine Lösung gefunden, wenigstens in einem Fall; sie zieht für ein paar Tage zu ihrer berufstätigen Tochter.
Eine Notlösung, denn sie ist nicht in der vertrauten Umgebung und sie traut sich nicht, öffentlich zu machen, eine Weile alleine trauern zu wollen.
Aber es ist ihr lieber so.
Will sagen, die Menschen sind in ihrer Trauer ganz unterschiedlich; man muss jeden Fall als Einzelfall betrachten und handhaben.
Lieben Gruß
So rum habe ich es noch nicht gesehen.
Danke, casus.
Auch da kann die Nachbarin helfen – indem sie nämlich die ganzen wohlmeinenden Trauerbesucher abfängt. Und „wenn du mich brauchst, bin ich da, ansonsten bleib ich in der Küche.“
In jedem Fall kann nur helfen, wer über eine Menge Feingefühl verfügt.
Bei meiner Oma, und auch bei meiner Tante war es so, das meine Mutter den Spiegel mit einem Tuch behängt hat…
Danach wurde das Fenster für ein paar Minuten geöffnet, damit die Seele raus kann….
In all den anderen Zimmern wurden die Vorhänge geschlossen, und erst wieder geöffnet als der Bestatter weg war…
Hallo
Meine Verlobte starb am 21.11.2012 in einer Dortmunder-Klnik an Krebs.Am 21.11.2012 morgens habe ich den Krankenhaus-Pastor kommen lassen.Der machte ihre letzte Messe für sie.Sie sprach vorher fast kein Wort mehr ,auf den Krankenbett,aber während des „Vater unser “ habe ich sie überrascht wie sie hörbar sogar mitbetete.Das war schon komisch.Das komische war das sie dann an diesen Tag am Abend gegen 23.30 Uhr starb.Ich war im Krankenzimmer dabei.Die Krankenschwester hatte mir ein Zustellbett zur Verfügung gestellt.Ich meine,ich habe damit viel für sie gemacht.Mfg