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Frag den Bestatter

Wir mussten dem Arzt und dem Bestatter bei der toten Oma helfen

Ich bin zufällig über Ihren Blog gestolpert und habe gleich mal ein paar Fragen.
Meinem Opa wurde bei der Aufbahrung ein Lächeln im Gesicht hergestellt. Nach 2 Tagen öffnete sich der Mund jedoch an den Seiten und sah nicht mehr besonders angenehm aus, um es mal freundlich auszudrücken.
Mich würde interessieren, ob das normal ist, oder einfach schlampige Arbeit.
Zudem sagte mir ein anderer Bestatter, dass es nicht stimmen würde, dass den Toten der Mund zugeklebt würde, um den Gesichtsausdruck zu ändern. Aufgrund der Tatsache, dass ich eine ganze Gruppe Menschen dabei hatte, wollte ich das jetzt nicht näher mit ihm diskutieren, aber wenn der Mund NICHT zugeklebt wird, wie kriegt man dann ein geschlossenes Lächeln hin (und vor allem: wie kann es sich dann plötzlich halb öffnen?)

Und was mich auch interessiert, bei dem ich allerdings nicht weiß, ob Sie da der richtige Ansprechpartner sind: Meine Oma ist vor kurzem gestorben und bis der Arzt mal Zeit hatte, den obligatorischen Besuch zu machen, verging einige Zeit, in der sie in ihrem Krankenbett lag. Die Gerüche, die sich da bilden, muss ich Ihnen sicher am allerwenigsten beschreiben.
Als der Arzt endlich mal kam, kam er allein und wies meine Mutter an, ihm bei der Untersuchung (wie die aussieht, muss ich Ihnen sicherlich ebenfalls nicht erzählen) zu helfen!
Und weil das noch nicht reichte, waren die beiden Herren, die kamen, um meine Oma abzuholen, nicht in der Lage, den Katheder zu entfernen, sodass meine MUTTER ihrer toten Schwiegermutter den Katherder selbst ziehen musste.
Mir kommt das als extreme Zumutung vor. Daher meine Frage: haben sich der Arzt und die Herren, die sie abgeholt haben normal/korrekt verhalten, oder hatten wir gleich doppeltes Glück?

Vielen Dank für Ihre Antworten.

Um den Mund eines Verstorbenen zu verschließen gibt es mehrere Möglichkeiten. Die nach wie vor häufigste Methode ist immer noch das Zukleben mit „Lipofix“ oder einem ähnlichen Sekundenkleber.
Als besonders fachmännisch wird es heute angesehen, dem Toten den Mund nach alter Methode mittels einer ligatur zu vernähen und zu verknoten.
Es kommen aber auch durchsichtige Kinnstützen aus Plastik oder Nacken-Kinnstützen aus Maisstärke zum Einsatz.
Vielfach wird der Mund aber auch durch Hochbinden oder -stützen des Kinns bis zum Eintritt der Totenstarre geschlossen gehalten und verbleibt dann eine mehr oder weniger lange Zeit so.

Egal welche Methode man anwendet, das Ergebnis ist in den meisten Fällen so, daß die Angehörigen zwar einen geschlossenen Mund sehen, was wesentlich besser aussieht, als der offenstehende Mund eines Verstorbenen, jedoch das Bild von dem abweicht, das man zu Lebzeiten vom Verstorbenen hatte.
Das liegt daran, daß mit der Auflösung der Totenstarre das Kinn wieder absackt und sich der Mund so verziehen kann. Das führt wiederum unter Umständen und je nach angewandter Methode auch dazu, dass er sich wieder ganz oder teilweise öffnen kann.

Das sind Unwägbarkeiten, die nicht regelmäßig eintreten und die der Bestatter auch nicht immer voraussehen und verhindern kann. Er muss dann eben nacharbeiten, falls das zu Irritationen bei den Angehörigen führen könnte.

Zu Ihren weiteren Fragen:
Dass Verstorbene unter Umständen recht schnell einen üblen Geruch entwickeln, ist durchaus möglich. Das ist aber nun einmal ein Bestandteil unseres Daseins, der Tod gehört zum Leben.
Da muss man dann eben einfach durch.
Wenn der Arzt Angehörige bittet, ihm bei der Umlagerung zu helfen, dann ist das keine Faulheit oder Bequemlichkeit. Er muss im Rahmen einer ordentlichen Leichenschau den Körper von allen Seiten betrachten können.
Wenn ein Arzt das, vor allem im Beisein von Angehörigen, alleine macht, was er durchaus kann, dann sieht das aber für die Umstehenden möglicherweise ruppig und würdelos aus.
Einfacher und etwas würdevoller geht es doch, wenn die Familienangehörigen helfen.

Was mich immer verwundert, ist die Tatsache, daß Familienagehörige ihre Kranken und Alten oft über Wochen und Monate pflegen und dann urplötzlich Probleme damit haben, diese anzufassen, wenn sie verstorben sind.
Aber auch wenn keine Pflege erforderlich war, es ist doch die Oma/Mutter der Umstehenden und wer sonst außer der engeren Familie sollte bereit sein, bei den notwendigen Handgriffen zu helfen?
Für den Arzt und die Bestatter riecht es genau so und auch sie empfinden vielleicht das Aussehen und den Zustand des Verstorbenen als wenig angenehm.
Jetzt einen Wildfremden zu bitten, hier zu helfen, das könnte und dürfte dieser durchaus als Zumutung empfinden.
Aber die eigene Familie?
Wessen ureigenste Aufgabe ist es denn, die Verstorbenen zu betten und zu waschen?

Natürlich verstehe ich Ihren Standpunkt in gewisser Weise, aber das Leben endet nunmal für uns alle mit dem Tod und kaum einer wird beim Sterben schöner. Unser Ende besteht aus der Erschlaffung der Muskulatur und dem anschließenden Verwesen.
Das ist immer auch mit wenig schönen Anblicken und Gerüchen verbunden. Das ist nicht die Schuld von irgendwem, sondern das ist einfach so.
Normalerweise wären es die Familienmitglieder, die sich um die Versorgung der Toten kümmern müssten, wer denn sonst?
Glücklicherweise gibt es Bestatter, die einem die allermeisten Handgriffe und Besorgungen abnehmen und kein Bestatter wird die Angehörigen zwingen, ihm zu helfen. Er bittet manchmal darum und er tut dies, damit die notwendigen Handgriffe am Sterbeort schnell, würdevoll und ohne Verletzung der Pietät erfolgen können.

Also, der Arzt weiß, wie er eine Verstorbene umdrehen muss, das geht aber würdevoller, wenn jemand hilft.
Der Bestatter weiß selbstverständlich, wie ein Katheter gezogen wird, aber er behandelt seine Verstorbenen normalerweise in seinem Bestattungshaus, da schauen keine Angehörigen zu und da wird das getan, was getan werden muss, sehr pragmatisch.

Sie hatten das Glück, das letzte Wegstück Ihrer Oma begleiten zu dürfen und ihr letzte Dienste der Menschlichkeit erweisen zu dürfen.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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In „Frag den Bestatter“ findest Du meine Antworten auf Fragen von Leserinnen und Lesern. Diese Fragen sind zum Teil Inhalte Dritter, die mich tagtäglich auf den verschiedensten Wegen erreichen. Es handelt sich also um meist nicht bearbeitete und nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfte Fragen Dritter. Für die Fragen sind allein die Übersender der Mitteilungen verantwortlich. Ich mache mir die Aussagen nicht zu eigen.
Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 18. Februar 2017 | Peter Wilhelm 18. Februar 2017

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10 Kommentare
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Astrid
12 Jahre zuvor

Das hast du wirklich gut dargestellt. Man sollte keine Angst vor dem Kontakt haben, noch dazu wenn der Verstorbene zur Familie gehörte….

Sibylle Luise
12 Jahre zuvor

Meine Eltern sind beide in einem Krankenhaus gestorben, so dass ich bei beiden nicht mit dem Thema konfrontiert war. Aber ich erinnere mich sehr wohl daran, wie meine Großmutter gestorben ist. Sie hatte Krebs und wir hatten sie zum Sterben nach Hause geholt. Sie wusste sehr wohl, was mit ihr geschah und war bis bis zum letzten Moment klar. Gestorben ist sie dann in meinem Arm liegend, meine Mutter saß daneben und eine meiner Tanten hat ihr die Hand gehalten. Gegen nachts um halb drei sank dann ihr Kopf kraftlos nach hinten. Ich legte sie in ihr Kissen zurück, meine Mutter und meine Tanten haben sie gewaschen, dann haben wir ihr ein frisches Nachthemd angezogen, sie „gerade“ in ihr Bett gelegt und ihr ein zusammengefaltetes kleines Kissen unter’s Kinn geschoben. Anschließend haben wir zwei Kerzen angezündet und sind bis zum Morgen bei ihr gesessen. Erst gegen halb neun haben wir den Hausarzt (der natürlich wusste, wie es um sie bestellt ist) und den Bestatter angerufen, wobei wir letzterem sagten, dass er bitte erst gegen 10… Weiterlesen »

Sibylle Luise
12 Jahre zuvor

PS: Ich denke gerade nochmal drüber nach und stelle fest, dass es wahrscheinlich anders sein wird, wenn mein Ehemann stirbt. Er ist deutlich älter als ich (35 Jahre), insofern muss ich davon ausgehen, dass er lang vor mir gehen wird. Ich glaube, in seinem Fall – und ich hoffe sehr, dass er zuhause sterben darf – werde ich die das Bedürfnis haben, die „Versorgung“ selbst zu machen. Aber zu seinem Körper habe ich natürlich auch eine ganz andere Beziehung als zu denen meiner Eltern.
Ich habe beide Eltern natürlich nackt gekannt. Ich habe sie ja gepflegt. Aber wenn ich zum Beispiel meinem Vater beim Verrichten seiner Bedürfnisse helfen musste, war mir das immer etwas unangenehm. Ich war da – so empfand ich es – eindeutig in einem Gebiet unterwegs, das Töchter normalerweise nicht so wahrnehmen sollten. Bei meinem Ehemann wäre das natürlich ganz anders. Meine Liebe zu ihm gilt nicht nur seiner Seele, sondern natürlich auch bis zu einem gewissen Grad seinem Körper …
Klingt das jetzt einigermaßen logisch oder vollends schräg?

Wolfram
12 Jahre zuvor

Waschen und Pflegen ist doch noch etwas anderes, als einen Katheter zu entfernen. Das gehört zu medizinischen Versorgungen, die dem Laien nicht unbedingt zuzumuten sind.

Übrigens: ein Katheder ist ein Lehrstuhl, oder auch der Bischofssitz in einer katholischen Kirche.

Tinchen
12 Jahre zuvor

@ Sibylle Luise
Ich finde das klingt vernünftig, nachvollziehbar und total menschlich und kein bisschen schräg.

OP
12 Jahre zuvor

Ich hatte diese Frage gestellt, weil es weniger um Berührungsängste sondern vielmehr um die emotionale Zumutung ging.
Dass man bei der Pflege zuhause mit allerlei unangenehmen Dingen konfrontiert wird, ist nichts Neues. Aber der Tod einer nahestehenden Person ist ja nichts Schönes und jeder geht anders damit. Manche Leute mögen das Bedürfnis haben, die Leiche selbst zu händeln aber andere sind vielleicht mit sich selbst und der eigenen Trauer genug beschäftigt. „Halten Sie grad mal Ihre Omma während ich sie rundum begutachte“ empfinde ich einem Trauernden gegenüber als Zumutung. Wenn das jemand freiwillig machen möchte, ist das ja etwas Anderes, als wenn man darum gebeten wird.
Auf der anderen Seite habe ich es auch schon erlebt, dass der Arzt und die Hilfskraft vom Hospiz sich geweigert haben, die abschließende Untersuchung im Beisein der Angehörigen zu machen. Gerade nach diesem Erlebnis war ich doch etwas geschockt darüber, dass ein anderer Arzt die Angehörigen nicht nur dabei haben will, sondern sie gleich mal mit anpacken lässt.

Tinchen
12 Jahre zuvor

Auch die Ärzte, Ersthelfer, Bestatter, Krankenschwestern, Pfleger, und alle anderen die als Nicht-Angehörige mit Toten zu tun haben sind Menschen und die gehen einerseits auch total unterschiedlich mit den Situationen um und haben zum anderen völlig unterschiedliche Erfahrungen. Der Arzt bei Euch hat nun aufgefordert, oder ermuntert mit zu helfen weil es einfacher ist und weil er vielleicht signalisieren wollte, dass ihr dürft. Hätte er nichts gesagt oder euch vielleicht sogar rausgeschickt hätte es genauso gut sein können, dass ihr euch hinterher ärgert nicht dabei gewesen zu sein und nicht zu wissen was da abgelaufen ist.

Sagt er was ist es für manche eine Zumutung, sagt er nichts fühlen andere sich vielleicht ausgeschlossen und hätten sich gewünscht, er hätte was gesagt.

OP
12 Jahre zuvor

Wenn ich im eigenen Haus sage „ich würde gerne dabei sein“ und der Arzt sich weigert und mich rausschickt, obwohl ich meinen Wunsch klar geäußert habe, dann ärgere ich mich darüber.(Ich verstehe, dass es für den Arzt einfacher ist, seinen Job in der Situation ohne Zuschauer zu machen und akzeptiere diese Entscheidung. Doch es wäre auch für die Bestatter einfacher gewesen, den Abtransport ohne Zuschauer zu machen und die haben sich nicht gegen die Bitte gewehrt sondern waren sehr respektvoll und freundlich! Nur, um mal nicht über alle zu meckern. Ich hätte mir gewünscht, dass bei beiden Todesfällen alle professionell Beteiligten so toll gewesen wären, wie diese beiden Herren!) Wenn ich hilflos davor stehe und vom Arzt gebeten werde, doch mal mit anzufassen, empfinde ich das als Zumutung. Und ja, da passiert im Grunde nichts, was man bei der Pflege nicht schon mal erlebt hat, aber während der Pflege muss man eben auch nicht gerade mit dem Tod eines Angehörigen umgehen. Manche Menschen mögen es als wichtig empfinden, selbst zu helfen, andere möchten vielleicht den… Weiterlesen »

Tinchen
12 Jahre zuvor

Das ist natürlich schwer erträglich, wenn einer der Lieben so leidet. Aber jetzt stell Dir mal vor, die betroffene Person wäre hilflos und aufgewühlt daneben gestanden und der Arzt hätte alles alleine gemacht. Das hätte ruppig und lieblos ausgesehen, die Bilder und Gerüche wären genauso vorhanden oder vielleicht noch viel klarer, weil man sich nicht auf die Handgriffe, sondern nur aufs Wahrnehmen konzentriert. Wie hätte es auf die Person gewirkt das mit anzusehen?
Niemand kann vorher wissen in welche Richtung sich das in der Psyche entwickelt, das weiß man als Betroffener selbst erst hinterher.

Sicher gab es an dem Tag auch emotionale Momente die sie nicht so als verwirrend und verstörend empfunden hat, die sollte sie focussieren.

G
10 Jahre zuvor

Ich verstehe irgendwie nicht, weshalb ihr den Arzt alle so sehr in Schutz nehmt. Ich glaube schon, dass es für einige eine Belastung ist, einen gerade verstorbenen Verwandten oder Freund zu halten. Jeder Mensch ist da anders. Die einen wollen dabei sein, die anderen können es nicht ertragen – egal aus welchen Gründen. Ich denke schon, dass man in solch einer Situation einige Menschen überfordert, wenn man sie auffordert „mitanzupacken“. Ich denke, dass man da sowohl als Arzt als auch als Bestatter ein gewisses Feingefühl haben sollte. Wenn es wirklich zu ruppig aussehen sollte, sollte man dem Angehörigen das erklären oder so vorsichtig wie möglich sein. Das mit dem Katheter verstehe ich auch gar nicht. Wenn der Bestatter selbstverständlich weiß, wie dieser gezogen werden muss, muss er das vor den Angehörigen ja nicht so „pragmatisch“ machen, wie er es tun würde, wenn niemand der Angehörigen ihm zuschauen würde. Ich denke, man sollte in dieser Situation einfach auf den lebenden Menschen eingehen und wenn dieser mit der Situation überfordert ist, sollte man ihn nicht noch auffordern,… Weiterlesen »




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