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Herr Horb -2-

Zu jener Zeit war es noch üblich, daß Herr Huber und seine Männer kurz nach oben zu mir ins Büro kamen wenn sie Feierabend machten. Manni hatte da gerade angefangen, war aber noch nicht „Chef im Keller“.
Wir besprachen dann das an diesem Tag Gewesene und das für den nächsten Tag Anstehende.
Später habe ich das geändert und nur noch mit dem jeweiligen Fahrdienst- und Werkstattleiter eine Besprechung abgehalten, der das dann seinen Männern vermitteln mußte.

An diesem Tag habe ich dann alle Männer nach Hause entlassen und nur Herrn Horb gebeten, noch einen Moment zu bleiben.
Das hatte in meinem Unternehmen niemals eine angstmachende Wirkung, denn ich habe jeden mal hin und wieder für ein paar Minuten zu einem persönlichen Gespräch bei mir behalten und einfach mal frei von der Leber weg mit den Leuten geredet.
Es war immer meine feste Überzeugung, daß man, wenn es einem durch ein Unternehmen schon recht gut geht, man das auch an seine Leute weitergeben sollte. Deshalb war ich immer sehr froh, daß die meisten Angestellten offen und ehrlich waren und auch mal sagten, wenn sie der Schuh irgendwo drückte. Oft kannte ich jemanden oder einen Weg um ihnen zu helfen oder ich konnte irgendeine finanzielle Last von ihren Schultern nehmen.
Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Klassenfahrten und rückständige Raten ich bezahlt habe. Es hieß zwar immer, das würde dann vom Lohn abgezogen, aber da Frau Büser mich nur zu gut kannte, wurden vielleicht eine oder zwei Raten abgezogen, dann war’s gut.
Es hat ja auch keinen Zweck, jemandem mit Geld zu helfen und es dann wieder einzufordern. Ich meine, dem hat es gefehlt, der hatte es einfach nicht und der wird über Monate hinweg nicht genug haben, wenn man dann noch hohe Raten zurückfordert. Schlecht verdient haben die alle nicht, das wohl wirklich nicht, aber wenn die Frau nicht arbeitet und dann noch zwei oder drei Kinder da sind, dann kann es schnell auch mal eng werden, vor allem wenn die Monate kommen, in denen die Versicherung oder die Autosteuer abbuchen oder wenn für die Schule etwas zu bezahlen ist oder wenn der Filius was angestellt hat…

So war auch Her Horb ganz entspannt, als ich ihn ganz konkret auf den Schnaps angesprochen habe.
„Nein, Chef, um Himmels Willen! Ich trinke doch nicht! Den Flachmann habe ich gar nicht für mich gekauft, den wollte ich jemandem mitbringen.“

„Wem denn?“

Einen Augenblick zu lange überlegte er und schaute mit den Augen für einen Sekundenbruchteil suchen nach oben. Ein deutliches Anzeichen dafür, daß er die Antwort auf meine Frage erst ersinnen mußte. Dann sagte er:

„Für den Friedhofswärter vom Südfriedhof. Der hilft mir immer beim Ausladen, so als kleine Nettigkeit, Sie verstehen?“

Ich nickte, wechselte das Thema und wir sprachen noch eine Weile über Alltäglichkeiten.

In den nächsten Tagen passierte nichts Ungewöhnliches und beinahe hatte ich das alles schon vergessen, da spricht mich Frau Büser wieder an. „Sie wissen, daß ich nicht neugierig bin, ich will bloß immer alles wissen“, sagte sie und fuhr fort: „Aber der Horb, der hat gestern Abend schon wieder so nach Schnaps gerochen und gaaaanz zufällig komme ich doch auf dem Weg zur Straßenbahn an Hugos Kiosk vorbei und gaaaanz zufällig brauchte ich eine Zeitschrift und da habe ich den einfach mal gefragt. Und sehen Sie, der Horb kauft da jeden Tag Schnaps und zwar nicht nur einmal, sondern einen morgens und einen nach der Mittagspause.“

Ebenso ganz zufällig hatte ich an diesem Tag im entlegensten Winkel der Stadt in der Nähe des Südfriedhofes zu tun und suchte wiederum zufälligerweise den Friedhofsverwalter auf.
Da gibt es nur diesen einen und der freute sich über ein kleines Trinkgeld und meinen Besuch. Seit der neue Waldfriedhof eröffnet worden ist, hatte er nicht mehr so viel zu tun und war für jede Abwechslung dankbar.
Während wir so da saßen und über dies und das plauderten, rückte der große Zeiger der Wanduhr auf die Zwölf und überdeckte den kleinen, der sich auch dort befand. Mittagszeit!
„Mahlzeit!“ rief der Mann, breitete seine BILD-Zeitung vor sich aus und legte sich ein Pittermesser, ein Brettchen, etwas Speck und einen Kanten Brot zurecht.
Zünftig, einfach und gerne nahm ich eine Kostprobe. Dazu gab es viel zu süßen Milchkaffee aus der Thermoskanne.

Schnaps? Schnaps trinke er nie, er habe doch diese Operation am Darm gehabt und das sei er immer vorsichtig. Höchstens mal ’ne Weinbrandbohne an Weihnachten, aber keinen Schnaps.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Hier erzähle ich Geschichten aus meinem Bestattungshaus und insbesondere über meine fabelhaften Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Namen sind verändert. Manchmal wurde auch mehrere Personen zu einer Erzählfigur zusammengefasst.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 5. Oktober 2012

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18 Kommentare
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Kirstin
11 Jahre zuvor

Tja, kündigen ist nicht, da Alkoholismus eine anerkannte Krankheit ist. Aaaaber es kann eine Entziehungskur angestrebt werden. Kündigen geht nur wenn grob fahrlässiges Verhalten am Tag ist und das Unternehmen dadurch geschädigt wird.

Reply to  Kirstin
11 Jahre zuvor

Mal angenommen, er trinkt wirklich: Der Mann ist *Fahrer*. Das ist/wäre (wenn es denn so ist) ein viel größeres Problem, als „nur“ nach Alkohol zu riechen und ansonsten im Büro zu sitzen.

Und wegsehen und „beide Augen zudrücken“ ist (jenseits von Kündigungen; ich bezweifle, dass das Thema sein soll) immer die schlechteste Lösung. 🙂

Kirstin
Reply to  Alice
11 Jahre zuvor

Alice ich kann nur das sagen was ich weis. Und das wäre in diesem Falle das bei mir jemand aus dem Familienkreise auch stark Alkoholiker ist und dazu LKW Fahrer. Tja was tun? Er war auf Kur gewesen und so lange kein grob fahrlässiges Verhalten nachweisbar ist, ist es schwer. Der Arbeitgeber kann keinen Alkoholtest verlangen da dies Eingriff in die Privatsphäre ist nunmal.
Aber egal, ich denke bei Herrn Horb wird alles anders kommen als wir hier spekulieren. 😉

Reply to  Kirstin
11 Jahre zuvor

Ich habe nie behauptet, dass ein Arbeitgeber das verlangen kann. 😉 Aber der Arbeitgeber (und die Mirarbeiter) hat in dem Fall eine besondere Verantwortung. Und einen Alkoholtest im medizinischen Sinne braucht man da nicht für… 😉

AcHja: „wenn es denn so ist“ (s.o.)… 😉

Wolfram
Reply to  Kirstin
11 Jahre zuvor

Oh – das kann er gerade in dem Fall sehr wohl verlangen – muß es sogar. Muß ja nicht vor versammelter Belegschaft sein. Aber als Halter ist er mitverantwortlich, wenn der Fahrer nicht fahrtauglich ist, dem er sein Fahrzeug übergibt. Alkoholisiert am Arbeitsplatz auftauchen ist nämlich nicht Privatsphäre, sondern ein Verstoß gegen die Betriebssicherheit.

Sollte es so sein, wie du sagst, bliebe dem AG nur, die Polizei anzurufen, damit sie den Fahrer gleich an der Hofausfahrt mal zum Blasen auffordern. Dann ist der Lappen weg, der Gegenstand des Arbeitsvertrages damit weggefallen und die Kündigung steht. Dann doch lieber auf dem Hof blasen, einen Anschiß kassieren (und ggfs. eine Abmahnung) und sich vielleicht besinnen.

der kleine Tierfreund
11 Jahre zuvor

…meine Vermutung – er reibt sich (aus welchen Gründen auch immer) damit ein.
Offenes Bein?
😉

Karl
11 Jahre zuvor

Ich glaube kaum, dass es um Kündigung geht, sondern eher um die Frage, wie man jemandem mit zumindest fragwürdigem Trinkverhalten helfen kann. Das ist nämlich verdammt schwierig, zumal er auch Angst vor Aufdeckung und (ggf. unbegründete) Angst vor Arbeitsplatzverlust haben dürfte und deshalb kaum geneigt sein drüfte, sein Trinkverhalten zuzugeben, was aber eine Voraussetzung für jegliche Hilfe wäre.

Marco
11 Jahre zuvor

Hmm, die Tatsache, dass er recht schnell und locker antwortete, er wolle den Schnaps jemandem mitbringen, dann aber bei der Frage nach dem Beschenkten kurz grübeln musste, deutet für mich darauf hin, dass er den Schnaps tatsächlich nicht für sich kaufte, aber für jemanden, dessen Alkoholismus-Problem er nicht offenbaren möchte, bspw. seine Frau o.ä.

Allerdings erklärt diese Theorie nicht, warum er nach Schnaps riecht…

Held in Ausbildung
11 Jahre zuvor

oh ohh… da hat wohl doch jemand was zu verbergen

nadar
11 Jahre zuvor

Alkoholkranke sind in der Erfindung von Ausreden sehr kreativ. Ob es Studien gibt die analysieren, inwieweit diese Ausreden von deren Erfindern als real empfunden werden?

hartmut
Reply to  nadar
11 Jahre zuvor

Da gibt es sogar Fachbegriffe für, siehe zB. Konfabulation und Korsakow-Syndrom …

hartmut
Reply to  hartmut
11 Jahre zuvor

… was ich übrigens zu den Dingen „über die man in der Schule nichts lernt sondern erst *nachdem* man sich mit Betroffenen auseinandersetzen musste“ zähle, ebenso wie zB. paranoide Schizophrenie … wenn man nicht weiß was da im Gegenüber abgeht bleibt nur ein riesengroßes WTF auf beiden Seiten 🙁

QLance
Reply to  nadar
11 Jahre zuvor

Einem süchtigen kann man erst helfen wenn er es selbst zugibt süchtig zu sein.
Ich rauche nun seit 3 Jahren nicht mehr, von 60 selbstgedrehten am Tag auf 0.
Meine zwillingsschwester raucht noch, sie redet dann solange bis rauchen wieder gesund ist, da kann man sich auch gleich mit der Wand unterhalten.

Georg
11 Jahre zuvor

Vieleicht hat ihm der Arzt ja ein Schnäpschen morgens und abends verordnet,meiner Patentante wurde von ihrem Arzt auch erzählt das es gut für ihren Kreislauf wäre.Jeden morgen vor dem Frühstück und jeden abend wenn sie ihre Zähne schlafen gelegt hatte nahm sie daher ihre 2 Gläschen „alter Schlapphut“ zu sich *brrrrrrrrrr*

Gregor Fietswinkler
11 Jahre zuvor

…warum erinnert mich das…

„Es hat ja auch keinen Zweck, jemandem mit Geld zu helfen und es dann wieder einzufordern. Ich meine, dem hat es gefehlt, der hatte es einfach nicht und der wird über Monate hinweg nicht genug haben, wenn man dann noch hohe Raten zurückfordert“

jetzt so an Griechenland. …

Also Bundeskanzer kannste mit der Einstellung schon mal nicht werden, aber ist ja auch besser so!

nadar
11 Jahre zuvor

@ Gregor: Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich.

hajo
11 Jahre zuvor

„.. oder wenn der Filius was angestellt hat…“
T O M !!! es soll auch schon mal vorgekommen sein, dass sich Mädchen nicht ganz regelkonform verhalten haben!! 😉

Reply to  hajo
11 Jahre zuvor

Bei Mädchen setze ich das als gottgegeben und unvermeidbar voraus.




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