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Geschichten

Der Goldfisch -II-

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Es ist manchmal ganz komisch. Da kommen die merkwürdigsten Leute, machen beim Bestatter den allergrößten Wirbel und man hat recht schnell das Gefühl, daß die noch jede Menge Ärger bringen werden. Und dann, dann kommt nix.
Auch gut.

Aber andersherum gibt es das auch.
Katjas Vater, Herr Bültgens, ist ein ganz ruhiger und freundlicher Mann. Ganz bescheiden sitzt er auf der Vorderkante des Stuhls, sagt immer wieder bittesehr und dankeschön, lächelt dankbar bei jeder Handreichung und gibt sich sehr zurückhaltend.
Wenn seine Tochter von der Staatsanwaltschaft freigegeben worden ist, soll sie noch einmal aufgebahrt werden, damit er von ihr Abschied nehmen kann. Danach kommt der Sarg gleich ins Krematorium und wird eingeäschert. Später wird es dann eine Trauerfeier mit der Urne in der Trauerhalle des Friedhofs geben.
„Geht das?“ fragt er mit weit aufgerissenen Augen und als ich beruhigend nicke, hat er vor Dankbarkeit Tränen in den Augen.

Daß ich ausgerechnet mit ihm noch jede Menge Ärger haben würde, das konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Katja ist nur 27 Jahre alt geworden, war unverheiratet und hat als Sekretärin in einem großen Autohaus gearbeitet.
Soviel hatte ich schon am Abend ihres Todes von der Kripo erfahren.
Herr Bültgens schüttelt aber den Kopf, als ich auf dem Bogen für das Standesamt ‚ledig‘ ankreuzen will.
„So ganz richtig ist das nicht. Also ich meine, wirklich verheiratet ist Katja nicht, aber sie hat einen Partner…“
Er stockt, dreht verlegen ein Taschentuch zwischen den Fingern, schaut dann auf und atmet einmal tief durch, so als müsse er erst Kraft schöpfen, bevor er fortfahren kann. „Sie hat ’ne Freundin als Frau.“

„Nun, war Ihre Tochter mit dieser Frau verheiratet, also verpartnert wie man das heute so nennt, oder lebten sie nur so zusammen?“

„Nur so. Also schon wie ein Ehepaar, aber ohne Stempel.“

„Dann ist Ihre Tochter aber im Sinne des Gesetzes trotzdem ledig.“

„Ja.“

Ich mache mein Kreuz bei ‚ledig‘ und erkundige mich: „Wie sieht es denn aus? Wurde die Lebensgefährtin Ihrer Tochter schon benachrichtigt? Kommt sie her? Hat sie etwas zur Bestattung beizutragen?“

Diese Fragen stelle ich Herrn Bültgens, um ihm die Chance zu geben, einerseits darüber zu sprechen und andererseits, um zu verhindern, daß hinterher eine völlig aufgelöste Lebensgefährtin hier hereinrauscht und ein Mordstheater veranstaltet, weil sie in die Planung der Bestattung nicht einbezogen wurde.

„Die heißt Dagmar und hat mir das alles überlassen. Sie kommt auch zum offenen Sarg und zur Trauerfeier.“

Mehr sagt er zu dem Thema nicht. Immerhin weiß die Lebensgefährtin Bescheid und offenbar haben die beiden auch schon über alles gesprochen, das könnte die Sache einfacher machen.

Am Nachmittag des selben Tages kommt Katja wieder zurück zu uns. Das Konkurrenzunternehmen das derzeit die Überführungen für die Staatsanwaltschaft durchführt, bringt den Leichnam, drückt uns die Freigabe von Staatsanwalt Dr. Knobelmann in die Hand und weg sind sie wieder, die Gesellen im grauen Hausmeisterkittel.
Durch eine Obduktion wird ein Leichnam nicht schöner, aber es gibt auch nichts was wir nicht kaschieren könnten.
Sandy wird sich darum kümmern, daß Katja gut aussieht.

Eine gute Stunde arbeitet Sandy an der Verstorbenen, schminkt sie nur dezent, kämmt ihre Haare so, daß die Frisur aussieht wie auf dem Foto das Herr Bültgens uns da gelassen hat und kleidet Katja in ein blassblaues, leichtes Sommerkleidchen.
Wenig später ist der helle, schlichte Buchensarg in einer unserer Aufbahrungszellen und Manni ist gerade dabei, die Zwischenwand herunterzulassen, da kommt Frau Büser. „Manni, Kommando zurück, mach die Lämpchen und Kerzen an, da kommt noch Besuch für Frau Bültgens.“

Und tatsächlich, da ist noch jemand gekommen.
Mit wehendem Mantel rauscht ein gutgekleideter Herr in unsere Halle. „Mein Name ist Bauer, Hugo Bauer von der Firma Auto Bauer, ich bin der Lebensgefährte von Katja Bültgens.“

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 10. Juli 2012 | Peter Wilhelm 10. Juli 2012

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13 Jahre zuvor

Uuups… na, da bin ich mal gespannt wie das weitergeht.

Clara
13 Jahre zuvor

ich mag cliffhanger nicht ._.

13 Jahre zuvor

Hui, das riecht sehr nach einem Drama und einer längeren Geschichte 😉

13 Jahre zuvor

Och menno… 😀 Lass uns bitte nicht so lange (cliff)hängen…

Sandy
13 Jahre zuvor

Oh…

Na da bin ich ja mal gespannt, wie das weitergeht.

*gespanntwarte*

13 Jahre zuvor

Oh je, das klingt nach Ärger, aber ich denke es gibt heutzutage viele, die solche Beziehungskonstellationen pflegen.

Mal abgesehen davon, dass es nicht in Ordnung ist, zwei Partner/innen zu haben kann ich aber schon verstehen, wenn Menschen sich nicht sicher sind, ob sie mehr fürs weibliche oder männliche Geschlecht empfinden, auch wenn ich ganz konservativ auf Mann stehe und eine Bi-beziehung für mich ausgeschlossen ist.
Bin gespannt, wie es weiter geht.
Soll ja auch vorkommen, dass die jeweiligen Partner vom 3. im Bunde Bescheid wissen.
Lg

Klaus
13 Jahre zuvor

🙂 die schönsten Geschichten schreibt das Leben.

Anonym
13 Jahre zuvor

Was mir grade auffällt: „Sprecht“ ihr die Verstorbenen grundsätzlich mit Vornamen „an“ (bzw sprecht so über sie, wie „Sandy, kannst du dich um die Katja kümmern?“), oder die jungen mit Vornamen und die älteren mit Nachnamen? Oder eigentlich doch eher mit Nachnamen, und die Vornamen nennst du nur in der Geschichte?

Sebastian.
13 Jahre zuvor

Guter Cliffhanger!

13 Jahre zuvor

Oar, Tom… du bist wieder sadistisch 🙂

Übrigens, das Zaubertrank-Shirt gibt es laut Shop nur bis XL. Das reicht leider für meinen Liebsten nicht. Kann man das auch in XXL bekommen?

Papa O'Neil
13 Jahre zuvor

@Tanja

„Mal abgesehen davon, dass es nicht in Ordnung ist, zwei Partner/innen zu haben“

Wieso das denn?

Anni
13 Jahre zuvor

Au weia, das klingt wirklich nach mächtigem Ärger!!!

Ma Rode
13 Jahre zuvor

Ja klar doch, Cliffhanger! Sonst wär´s ja nicht die Geschichte aus dem Bestatterweblog, gell?

Joe
13 Jahre zuvor

„…natürlich sind sie das…“

Aargh. Deinen Job möcht ich echt nicht haben.

Colognehai
13 Jahre zuvor

Euch bleibt aber auch nix erspart. Das riecht nach Ärger. Mal gespannt wie diese Geschichte endet!!

Kommentator
13 Jahre zuvor

Kann bitte jemand ein Add-on für Firefox programmieren, dass den Begriff „Bestatterweblog“ in „Cliffhangerweblog“ ändert? Wie ein Werbeblocker, aber nicht für Werbung und mit Umbenennen statt Blocken…
(Keine Kritik, ich freu mich nur über jeden neuen Beitrag von TOM, und dann haut er so übel mit der Klippenkante zu…)

Mirella
13 Jahre zuvor

Oh oh…

Mareike
13 Jahre zuvor

Oh je… das klingt als würde es unschön werden. Ich hoffe wirklich sie hatten einfach ne offene Beziehung, denn so eine Situation wünscht man keinem…

13 Jahre zuvor

Upps wie kommt das denn? Das klingt noch nach jeder menge aufregung. Eine Lebensgefährtin und jetzt kommt noch ein Lebensgefährte?
Klingt fast wie eine Soapgeschichte.

13 Jahre zuvor

Wie ist das überhaupt – kann jeder einfach beim Bestatter reinkommen, sagen, er sei derundder und sich den Toten seiner Wahl angucken?

13 Jahre zuvor

Oh oh! Das klingt nach Dreiecksverhältnis und in CSI-Manier ist einer davon nicht ganz unschuldig am Treppensturz… :-S

alchemilla
13 Jahre zuvor

… das wird wieder interressant und spannend…
ABER BITTE NICHT SCHON WIEDER 10 FOLGEN! Ich bin noch Kuckucksuhrgeschädigt!

Christians Ex
13 Jahre zuvor

Uh oh…

13 Jahre zuvor

Oh oh!
Und schon wieder so ein fieser Cliffhänger …

Micha
13 Jahre zuvor

Du tust nur immer so freundlich und verständnisvoll, aber eigentlich bist du ein ganz fieser Sadist, Tom 😛

Kommt jetzt wieder eine Cliffhanger-Orgie?

13 Jahre zuvor

Tja, die Dame fuhr wohl zweigleisig?

Nun bin ich aber gespannt, wie es weitergeht….

13 Jahre zuvor

@Tom: wusstest du, dass Cliffhänger lebensverlängernd sind? Wer stirbt schon gerne, ohne das Ende der Geschichte zu kennen? Ich wollte dich nur mal höflich daran erinnern, dass sowas schlecht für dein Geschäft ist. Mir ist schon klar, früher oder später kriegst du uns alle – aber der Zinsverlust…

Sidonia
13 Jahre zuvor

Waaah, ich hasse Cliffhanger! Bin so gespannt, wie´s weitergeht…

Designierter Komposti
13 Jahre zuvor

Wie geht es denn nun weiter?

MacKaber
13 Jahre zuvor

@Mocca: Deine Frage ist berechtigt.

Macht doch nichts, wenn sie Bi war, zwei Halbe geben auch ein Ganzes. Und wenn sie bei der Freundin war, hat er sich schon wieder eine Arbeit gespart.




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