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Die kannte sich aus!

Sagt die Tochter einer Verstorbenen heute Morgen am Telefon zu mir: „Dann hätten wir noch einen Wunsch. Können Sie meine Mutter bitte kalfatern.“

Ich bin ja nun auf ein altsprachliches Gymnasium gegangen und verstehe die meisten Fremdwörter ganz gut, so irgendwie war mir im Hinterkopf, dass das Kalfatern etwas mit Teer und Pech zu tun hat. Jedenfalls wusste ich, dass wir sowas nicht machen, schon gar nicht mit Verstorbenen.

„Wie bitte?“ frage ich nach, weniger um etwas Neues von ihr zu erfahren, als um Zeit zu gewinnen, das Wort „kalfatern“ schnell in Wikipedia einzutippen. KALFATERN: (auch: Kalfaten, arab. kafr „Asphalt“ und kalafa) ist eine Tätigkeit beim Schiffbau, bei der die Nähte zwischen hölzernen Schiffsplanken mit Werg oder Baumwolle und Pech oder Gummi abgedichtet werden. Das Werg bzw. die Baumwolle wird mit Kalfateisen unter Gebrauch eines Kalfathammers in die Nähte geschlagen, bevor diese mit Pech oder mit einer Spezialgummimasse verschlossen werden.

„Ja, wir haben das in der Familie besprochen. Wir wollen dass meine Mutter kalfatert wird.“

Wenn die schon „in der Familie was besprechen“! Es ist ja so, dass wir ziemlich genau wissen, was gemacht werden muss, was machbar ist und was man nicht machen darf. So eine Stunde lang erzählen wir das den Angehörigen ganz genau. Dabei tragen wir dem Umstand Rechnung, dass sich die Trauernden in einem die freie Willensbildung nahezu ausschließenden Gemütszustand befinden und kaum in der Lage sind, Zusammenhänge zu begreifen. Wir wissen, wie man es macht, dass die trotzdem verstehen, was Sache ist und die Entscheidungen in vernünftiger Weise treffen. Dazu gehört insbesondere, dass wir niemals Sachen aufschwatzen, die die Leute nicht wirklich wollen, denn wenn die einige Stunden später oder am nächsten Tag wieder etwas zur Besinnung kommen, wäre das Theater groß.

Schwierig wird das aber, wenn die Witwe / der Witwer bei uns waren und dann nachmittags die Kinder dazustoßen und dem erst mal erklären, dass er alles falsch gemacht hat und dass wir Bestatter ja grundsätzlich a) keine Ahnung haben, b) alte Leute bescheißen und c) dumm wie Bohnenstroh sind.

Die rufen dann gerne nochmals bei uns an und geben uns dann durch, wie wir es richtig zu machen haben. Besonders gerne verwenden die auch schon zur Begrüßung die Formulierung: „Wir wären ja zu dem Bestatter xyz gegangen, aber unser Vater hat eben den Fehler gemacht, zu Ihnen zu gehen…“

Gut, wir stecken das weg, versuchen auch mit diesen Leuten so umzugehen, dass alle zufrieden sind, aber letztendlich zählt für uns der Witwer / die Witwe und genau diese alten Leute kommen hinterher immer zu uns und sind dankbar; die Nörgelkinder sind dann längst wieder abgereist und geben sich dem hin, was sie am Besten können: Sich nicht mehr um die Alten zu kümmern.

In diesem Fall sagt mir also die Tochter des Auftraggebers, wir sollen die liebe tote Mutter bitte kalfatern. Mir ist allerdings kein vernünftiger Grund bekannt, warum man eine Tote mit Teer abdichten sollte. Also frage ich nach: „Was genau stellen Sie sich denn unter kalfatern vor?“

„Sagen Sie mal, kennen Sie sich eigentlich gar nicht aus? Wir wollen, dass sie den Sarg nicht so herumtragen, sondern auf einem Kalfater zum Grab fahren.“

Aha, die haben also irgendwas gehört und falsch verstanden. Also frage ich nach:

„Sie meinen einen Katafalk, einen Sargwagen, nicht wahr?“

Mit einem Katafalk wird normalerweise das Gestell bezeichnet, auf dem der Sarg während einer Aufbahrung steht. Viele nennen aber auch diesen flachen Wagen so, auf dem Särge auf den Friedhöfen herumgeschoben werden.

„Sag ich doch! Haben Sie sowas? Können Sie meine Mutter zum Grab kalfatern?“

„Jaja, selbstverständlich, machen wir.“

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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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16 Jahre zuvor

Ich stelle mir gerade vor wie die Familie reagieren würde, wenn die Verstorbene tatsächlich Ge-Kalfaten wurde… 🙂

16 Jahre zuvor

Fantastisch dass du bei solcher Überheblichkeit ruhig bleiben kannst, man hätte sie eiskalt kalfatern müssen 😉

undertaker
16 Jahre zuvor

@newmedia…: Ach, was meinst Du, was wir uns alles anhören müssen. ..

16 Jahre zuvor

zunächst denkt man sich ja "man, müssen die einen an der waffel haben!" ist doch immer besonder klasse, wenn die menschen mit den fremdwörtern, die ihnen so zufliegen nicht umgehen können. was wohl passiert wäre, wenn ihr die mutti kalfatert hättet?! man mag nicht drüber nachdenken! :O)

timaba
16 Jahre zuvor

Vielleicht war die Verstorbene verhältnismäßig unbeliebt bei den Angehörigen: "So jetzt ist sie von uns gegangen und kann uns nicht mehr drangsalieren, irgendwelche Ideen" "Klar, teeren und federn!"

Falscher Fremdworteinsatz sorgt aber auch in jedem Gewerbe in allen sozialen Schichten für die tollsten Geschichten.

LeSmou
16 Jahre zuvor

eine frage nebenbei: rein rechtlich gesehen gibt es ja einen auftraggeber oder nicht? in diesem fall wohl die witwe. was ruft dann die tochter an und will irgendwas erledigt haben? oder ist das normal dass der auftraggeber auf einmal mehrere sprecher bekommt? am ende heisst es noch wenn es um extraleistungen geht "den auftrag hab ich nie erteilt". ich würde ja keinen finger krumm machen wenn nicht der/die auftraggeber/in mit mir persönlich spricht…am ende bleibst noch auf den ausgaben sitzen

Volker
16 Jahre zuvor

Klar kalfatern wir Ihre Mutter, sobald die Fregatte Emden aus dem Doch raus ist, geht es los. lol

Volker
16 Jahre zuvor

sorry, soll heißen …aus dem Dock raus ist.

Alice
16 Jahre zuvor

Ich weiß leider aus meiner eigenen Erfahrung, daß die Kinder dann mit der/dem hinterbliebenen Witwe/r zusammen zum Bestatter gehen oder einfach solange auf die/den liebe/n Mutter/Vater einquatschen, bis der klein beigibt. Häufig spielt da wohl auch rein, was unser Gastgeber hier häufiger anreißt: Die Hinterbliebenen sind psychisch starkem Druck ausgesetzt und befinden sich in einer Ausnahmesituation. Im Endeffekt kriegen diskutierfreudige Erben eh, was sie wollen. Und dann fahren sie wieder Heim und kümmern sich einen Dreck um das Grab oder den/die Hinterbliebene/n.

Benjamin
16 Jahre zuvor

Das würde sicher zu einer sehr ernsten Diskussion über die Rechnung führen…

"Abdichten mit Teer — 100 €"

Man stelle sich die Gesichter vor… 😉

16 Jahre zuvor

Ich dachte immer, ein Katafalk wäre so ein schnelles Segelboot mit zwei Rümpfen … 😉

16 Jahre zuvor

@Phil:

Pah! Keine Ahnung von Fremdwörtern. Was Du meinst, nennt sich Katzenwaran. 😉

Jeman, die sich Frie
16 Jahre zuvor

@Christian: Ich nehm mal an, dass da Ironie mitspielt. Oder meintest du etwa einen Katamaran?

16 Jahre zuvor

Herrlich! ich danke Euch für die wunderbaren Kommentare. Stehe mir auf der Arbeit die Beine in den Bauch und amüsiere mich prächtig meinem Feierabend entgegen. Grüße aus Köln!

Callinator
16 Jahre zuvor

Ich hätte ihr auf die Nase gebunden dasses Teeren heisst 😀

16 Jahre zuvor

@Zombie Friederike W.:

Phil hat damit angefangen. Ich habe den von ihm auslegten Faden nur aufgegriffen. Da waren schließlich zwei 😉 im Spiel. Nur Du bremst uns wieder aus… 😛 🙁

Zombie Friederike W.
16 Jahre zuvor

@Christian: Sorry 😀

Töfflibueb
16 Jahre zuvor

Ja ja die Fremdwörter… Aber die sind zum Glück nicht mein Rechaud, das ist unter meinem Nivea. Die alle nachzuschlagen wäre eine Syphilisarbeit.

16 Jahre zuvor

Haha, wer "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" gelesen hat, weiß natürlich, was kalfatern ist. Möglicherweise hatte die arrogante Dame das Wort noch von ihrer Kindheit her im Kopf und hat es dann mit dem Sargwagen durcheinandergeschmissen. Katafalk… wieder was gelernt, danke! 😀




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