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Frag den Bestatter

Eine Trauerfeier für jedermann

Hallo TOM,

gibt es eigentlich für jeden Verstorbenen automatisch eine Trauerfeier?

Zum Hintergrund meiner Frage:
Vor einiger Zeit konnte ich an einem „Tag der offenen Tür“ eine Krematoriumsführung mit dem Leiter der Bestattungsanstalt erleben. Der Mann versicherte glaubhaft, dass bei uns hier in Franken JEDER, aber auch wirklich jeder, unabhängig von Einkommen, sozialem Stand usw. eine „anständige“ Bestattung bekommt, dazu gehöre auch eine kleine Trauerfeier.

Ein paar Monate später erfuhr ich, daß ein ehemaliger Nachbar von mir, ein ganz netter Mann, der leider „ganz unten angekommen war“ verstorben ist. Etwa eine Woche hatte er tot in seiner Wohnung gelegen.
Von Bekannten wurde ich gebeten, mit der städtischen Bestattungsanstalt Kontakt wegen der Beerdigung und einer Trauerfeier aufzunehmen. Aber dort wurde ich vertröstet und als ich dann nach Tagen endlich jemanden am Apparat hatte, der Bescheid wußte, hieß es, dass die Beisetzung schon vor Tagen anonym stattgefunden hätte. Ohne Trauerfeier.
Nicht, weil irgendwelche Angehörigen das so gewollt hätten – es gab ja keine – Nein, das sei gängige Praxis bei Sozialfällen und man könne sich eine „offizielle“ Bestattung mit Trauerfeier seitens der Stadt nicht leisten.

Gut, vielleicht wären nicht sehr viele Leute erschienen, aber einige hätten doch ganz gerne Abschied genommen und wenn man uns informiert hätte (siehe tägliche Anrufe meinerseits) dann hätten wir notfalls auch alle zusammengelegt und den Trauerredner selbst bezahlt.

Grundsätzlich steht jedem eine würdige und einfache, ortsübliche Bestattung zu.
Nach Meinung der meisten Sozialbehörden umfasst das einen schlichten Sarg, eine einfache Ausstattung, manchmal auch ein paar Blümchen und bei der Frage, ob da eine kleine Traueranzeige in der Zeitung auch dazu gehört, gehen die Meinungen der Sozialgerichte schon weit auseinander.
Ortsüblich bedeutet, daß man im Regelfall schaut, ob in diesem Ort Erd- oder Feuerbestattungen überwiegen und so bekommen die Armen eben das, was üblich ist.
Eine Trauerfeier gehört nur in den seltensten Fällen dazu. Es gibt aber Gemeinden, in denen selbst die Friedhofsverwaltung, die ja sonst in solchen Fällen auf rigoroses Sparen drängt, der Auffassung ist, daß ein Pfarrer, etwas Orgelmusik und eine kleine Trauerfeier auf jeden Fall dazu gehören. Das ist z.B. in weiten Bereichen Frankens tatsächlich so üblich, selbst wenn nur Angestellte des Friedhofsamtes mit zur Beerdigung gehen.
Man sagt dort fälschlicherweise, das sei nur möglich, weil es kommunale Bestattungsdienste der Städte gebe, die so etwas kostengünstig abwickeln könnten.
Fakt ist aber, daß das deshalb geht, weil die Friedhofsverwaltung sich des gesamten Behördenapparates sicher sein kann, wenn es um die Ermittlung etwaiger Kostenträger geht.
Ein üblicher niedergelassener Bestatter kann das genauso gut und genauso günstig machen, nur müsste er alleine mit dem Geld des Sozialamtes auskommen und man würde ihm nicht bei der Suche nach weiteren Kostenträgern helfen, denke ich.

Warum nun ausgerechnet dieser Mann hier so rasch und ohne Trauerfeier bestattet worden ist, kann ich nicht sagen.
Ich mutmaße mal, daß es an der Fundsituation der Leiche gelegen hat. Nach einer einwöchigen Liegezeit kann rasches Handeln angezeigt sein.

Ich persönlich finde, daß jedem eine kleine Trauerfeier zustehen sollte. Die Trauerhallen sind sowieso da und das Personal muß ohnehin anwesend sein. Warum also nicht auch für ganz Mittellose und Vereinsamte eine kleine Aussegnungs- oder Abschiedsfeier, meinetwegen für drei Verstorbene zusammen.
Das ist wirklich das Letzte, was wir für einen unserer Mitmenschen tun können. Egal, wie der am Ende gelebt hat, wer weiß denn schon wirklich, was er in seinem Leben geleistet hat? Vielleicht wohnt man in einem Haus, das er mitgebaut hat, vielleicht hat er Deine Schwester auf die Welt gebracht, vielleicht hat er Dir jahrelang Deine Brötchen gebacken. Wer weiß?
Ein kleines „Tschüß, mach es gut!“ hat jeder verdient.


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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 9. Juni 2012 | Peter Wilhelm 9. Juni 2012

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5 Kommentare
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MiniMoppel
13 Jahre zuvor

Du hattest am 17.11.10 einen Hinweis auf die Sendung „Verarmt, verstorben, verscharrt“, die wirklich sehenswert war (Hier nochmal der Link auf die [url=http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5881512]ARD-Mediathek[/url], wo sie zur Zeit noch abrufbar ist).
Ab Min. 25.20 wird dort gesagt, dass [b]jeder[/b] Verstorbene in Nürnberg/Franken nicht nur zeitnah, sondern auch mit einer Trauerfeier bestattet wird.
Es ist beschämend, dass diese Praxis in Deutschland offensichtlich die Ausnahme ist.

Marion
13 Jahre zuvor

@MiniMoppel,

Leider hat sich obige Geschichte genau dort ereignet – in Nürnberg nämlich. Deshalb war ich ja so zornig, dass man es in diesem Fall ganz anders gehandhabt hat.
Und Du hast Recht: Es ist absolut beschämend!

Sensenmann
13 Jahre zuvor

Den letzten Absatz von Toms Antwort kann man nur unterschreiben.

Big Al
13 Jahre zuvor

@ Sensenmann.
Ich verabschiede mich im Geiste immer höflich von jedem Verstorbenen mit dem ich zu tun habe oder hatte.
Wer weiß schon wo und ob man sich wiedersieht.
B. A.

rebell
13 Jahre zuvor

Jeder Verstorbene hat das Recht auf eine Trauerfeier. Nachzulesen in den Statuten des Sozialamtes.
JEDER, ob Arm oder Reich




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