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Express Expresso

Frau Krummscheider und ihr Mann haben mich zu sich bestellt. Er fährt zur See, macht irgendwas für eine Ölfirma und ist nur alle paar Wochen mal sonntags zu Hause. Deshalb mache ich eine Ausnahme und fahre wunschgemäß in der Mittagszeit zu den Krummschieders, um mit ihnen über eine Bestattungsvorsorge zu sprechen.

Ich hätte die Unterlagen auch schon zu Hause komplett ausfüllen können, denn bei der Konstellation war mir alles schon vorher sonnenklar: Er will eine Seebestattung in der Nordsee, sie will anonym feuerbestattet werden. Es dreht sich nur noch um Detailfragen und im Grunde darum, daß Herr Krummschieder ein bißchen quatschen und sich wichtig machen will. Mit seinem, für unsere Gegend doch recht ungewöhnlichen, Beruf will er etwas angeben und auch zeigen, daß er über richtig viel Geld verfügt.

Gut, so einen Sonntagsservice bieten wir dann ausnahmsweise auch mal an, das ist der Vorteil eines inhabergeführten Unternehmens, wo es immer einen Deppen gibt, der nicht nach Stechuhr arbeitet, im Zweifelsfall den Chef.

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Aber darum geht es gar nicht. Es geht um den Expresso.
Ich könnte mich jedesmal schütteln, wenn jemand statt Espresso Expresso sagt.

„Wollen’se ’nen Expresso?“ fragt mich Frau Krummschieder und ich nicke begeistert. Ich liebe diese kleinen schwarzen Dinger und könnte ein Dutzend davon wegschlürfen, wenn dann nicht mein Magen zu grummeln anfangen würde.

„Oder lieber doch einen Mokka, einen Cappuccino, eine Latte oder einen Milchkaffee?“ meint Herr Krummschieder und wirft seiner Frau einen vorwurfsvollen Blick zu, weil sie es unterlassen hat, die Vielfalt der Möglichkeiten aufzuzeigen und fügt dann hinzu: „Wir haben da nämlich eine ganz tolle Maschine!“

„Espresso, bitte“, sage ich und Frau Krummschieder macht sich ans Werk.

11.47 Uhr
Sie schaltet die Maschine ein und das Kontroll-Lämpchen fängt an zu blinken.
„Das dauert immer einen Moment, die muß erst warm werden.“

11.49 Uhr
Das Lämpchen hat aufgehört zu blinken und Frau Krummschieder betätigt zum ersten Mal den Espresso-Knopf.
Die Maschine piepst.
„Ach, die muß erst die Brühgruppe durchspülen“, sagt Frau Krummschieder und nimmt die Espressotasse wieder weg und stellt eine große Tasse unter den Auslauf.

11.50 Uhr
Die Maschine brummt, quietscht und rattert. Es zischt und brodelt und jede Menge dampfendes Wassers wird vulkanisch in die Tasse gespritzt.

11.52 Uhr
Es piepst und das Brodeln hört auf.
„Ah ja, jetzt ist das Wasser eben alle, Moment mal, ich füll‘ mal eben nach. Egon holste mal das Wasser?“
Herr Krummschieder muß in den Keller, man kocht den Kaffee nur mit stillem Mineralwasser aus den Vogesen. „Sonst verkalkt die Maschine innerhalb von zwei Tagen.“

12 Uhr
Die Maschine ist wieder abgekühlt, Herr Krummschieder füllt Wasser aus einer Plastikflasche in den Tank und die Maschine heizt sich wieder auf.

12.03 Uhr
Die Maschine piepst und abermals kann die Reinigung der Brühgruppe gestartet werden.

12.05 Uhr
Nach kurzem Zischen und Brodeln, versagt die Maschine piepsend ihren Dienst, der Tresterbehälter ist voll.
„Ja, den muß man regelmäßig leer machen, wir schütten das Kaffeemehl immer in den Garten an die Rosen.

12.07 Uhr
Trester entsorgt, Maschine brodelt.
Endlich zeigen zwei Piepssignale an, daß sie für die Zubereitung eines schnellen italienischen Heißgetränks bereit ist.
Große Tasse weg, kleine Espressotasse drunter.
„So jetzt kommt ihr Expresso!“

12.09 Uhr
Der Espresso kommt nicht. Die Maschine jault auf und es gibt ein ohrenbetäubendes Geräusch.
Herr Krummschieder schreit mir zu: „Die mahlt jetzt. Ganz frisch! Aus extra guten Bohnen!“

12.10 Uhr
Der Kaffee ist alle, die Maschine hat das Mahlen mit einem Piepsen unterbrochen und den Kaffee der schon gemahlen war mit einem Klack in den Tresterbehälter entsorgt.

12.11 Uhr
„Sehen Sie, das sind polierte Bohnen, die anderen verklemmen immer das Mahlwerk, ich füll jetzt mal nach.“

12.16 Uhr
Obwohl es schon nach verschmortem Elektrozeug riecht, meint die Maschine sie sei kalt und müsse sich vorheizen.
Es folgt das Reinigen der Brühgruppe, die kleine Espressotasse läuft über und Frau Krummschieder drückt den „Not-Aus-Knopf“.

12.23 Uhr
Die Sauerei ist beseitigt und das Wundergerät mahlt schon wieder Kaffee, ohrenbetäubend!

12.25 Uhr
„Da muß ein kleines Steinchen zwischen den Bohnen gewesen sein, jetzt ist das Mahlwerk verklemmt. Wollen Sie vielleicht einen Nescafé?“

12.26 Uhr
Eine Tasse dampfenden Nescafés steht vor mir.

„Also normalerweise, wenn sie funktioniert, dann funktioniert sie gut, ist eine ganz tolle Maschine. Auch die Reparaturen sind nicht so teuer. Das erste Mal haben wir zwar knapp über 300 Euro bezahlt, aber dafür war sie dann auch wie neu, da war auch ein Stein in den Bohnen.“

Nee, ist schon toll, so eine Maschine. Wenn ich dran denke, wie kompliziert und langwierig früher die Zubereitung einer Tasse Kaffee war.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#express #expresso

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(©si)