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Gerolltes Geld VIII

„Mascha kommt!“

Diese Nachricht elektrisierte. Die Königin der Sippe sei schon weit über 80 Jahre alt, hatte man mir zugeraunt und einige Frauen beharrten darauf, daß Mascha sogar schon 102 Jahre alt sei, die Angaben variierten.

Es ist Dienstag und schon seit Montag belagern die Roma unser Haus. Die Kollateralschäden sind enorm, halten sich aber in Anbetracht dessen was ich erwartet hatte, in Grenzen. Es ist nicht die erste Bestattung dieser Art, die ich durchführe und ich habe da schon einiges erlebt.

Ständig kommt man mit neuen Forderungen und will mehr und ich muß immer schauen, ob das was gewünscht wird, noch im Rahmen dessen ist, was wir für den gezahlten Preis zu leisten bereit und imstande sind.

Die Forderungen sind teils abstrus, ja fast schon apokryph. Natürlich werden die Wünsche zunächst mit einem „Mein Herr, bitte“ oder einem „Madame, bitteschön“ vorgetragen und die Süßlichkeit und das theatralische Gehabe verzuckern einem schier die Gehirnwindungen, doch schlägt dieses fast schon kriecherische Bitteln und Betteln augenblicklich um…

… wenn nicht sofort, unverzüglich und auf der Stelle der Wunsch in der beanspruchten Art und Weise erfüllt wird und es wird dann ziemlicher Ärger bis hin zu Beschimpfungen und drohenden Gebärden ausgelöst. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, daß man nie weiß, wer jetzt gerade das Sagen hat. Immer wieder wechseln die Ansprechpartner, derjenige mit dem man gerade noch verhandelt hat, der ist auf einmal und für immer verschwunden und irgendein ‚Onkel‘ steht mit neuen Forderungen da und gibt sich als der große Zampano zu erkennen. Kaum hat man sich jedoch an sein Gesicht gewöhnt, ist auch er nicht mehr da und ein völlig anderer zückt eine Rolle Banknoten aus der Hosentasche, um irgendeine Zusatzdienstleistung zu bezahlen.

Viel Geld habe ich den Roma abverlangt, und ich werde auch meinen Schnitt machen, aber jeder Cent davon ist berechtigt und steht einer Dienstleistung gegenüber. Man wird im Verlauf meiner Erzählung noch sehen, wie berechtigt das war. Aber die Roma versuchen die ganze Zeit über, immer mehr für dieses Geld zu bekommen, diese oder jene Dienstleistung, bis hin zur Rund-um-die-Uhr-Verköstigung , müsse ja in jedem Fall enthalten sein. Nix da! Ich habe meinen Kostenvoranschlag, exakt mit allen Dienstleistungen und Lieferungen und auf den poche ich, wenn sie mehr wollen: Zahlemann und Söhne! Klingt hart, aber wenn ich das nicht so mache, dann nimmt das manchmal etwas unverschämte Fordern kein Ende und schließlich lege ich noch drauf.
Aber, und auch das muß gesagt sein, man nimmt mein Nein oder das Zahlenmüssen, wenn auch nach einigen theatralischen Griffen ans Herz oder mehr oder weniger lauten Beschimpfungen meiner Person, dann doch recht schnell wieder gelassen hin. Man versucht es halt und wenn man erkennt, daß man nicht weiterkommt, gibt man sich auch zufrieden, aber versuchen muß man es.

Ich hoffe, ich kann ein ehrliches und offenes Bild von der Situation vermitteln, so wie ich es erlebe und fühle, ohne diese Leute schlechtmachen zu wollen. Ich für meinen Teil erkläre mir das Verhalten so, daß ich mir sage, die Sinti und Roma sind seit Jahrhunderten ein sehr mißverstandenes Volk, das durch seine teils besondere Lebensweise sich stark von anderen unterscheidet. Wenngleich ich der Überzeugung bin, daß viele von ihnen Schlitzohren sind und sich kein Geschäft durch die Lappen gehen lassen, glaube ich nicht, daß es so ist, wie überall behauptet wird. Man begegnet ihnen oft mit Mißtrauen, Unverständnis und Vorbehalten und um vor diesem Hintergrund überhaupt seine Rechte und Ansprüche durchsetzen zu können, müssen sie in vielerlei Hinsicht deutlicher und energischer auftreten, als wir es müssten.
Aber ich verstehe auch zu wenig von der Lebensweise dieser Menschen, schaue nur von außen darauf und erzähle von dem was ich erlebe.

„Mascha kommt!“
Die Tür geht auf und zwei Frauen betreten die Halle, doch keine von ihnen ist Mascha, es sind ihre Töchter, wie ich später erfahre, und die sind schon alt, zumindest sehen sie aus, als seien sie die älteren Schwestern von Johannes Heesters. Die Leute in der Halle bilden eine Gasse und der letzte Onkel, der sich als Geldrollenmann vorgestellt hatte, nimmt Haltung an. Dann kommt sie, von der gesagt wird, sie sei so etwas wie eine Königin.
Ja und dann bin ich überrascht: Mascha ist auch eine alte Frau, aber bei weitem nicht so alt oder gebrechlich, wie ich es erwartet hatte. Zwar geht sie auf einen Stock gestützt, bewegt sich aber schnellen Schrittes. Eine kleine Frau, kaum mehr als anderthalb Meter groß, lange graue Haare, zusammengehalten von einer goldenen Spange. Nichts Zögerliches ist an ihr, sie weiß wer sie ist und verharrt nur kurz, dann blickt sie den ‚Onkel‘ an, nickt ihm kurz zu und er tritt vor, küßt ihr die Hand und man redet Ausländisch. Es ist nicht die Sprache der Roma, das höre ich heraus, die vielen Zischlaute mit weichem ’sch‘ lassen mich erkennen, daß man Portugiesisch redet.

Der Onkel setzt die Alte wohl über den Stand der Dinge in Kenntnis, was er sehr wortreich und mit vielen Gesten tut, das behagt der Alten nicht, sie unterbricht ihn ungeduldig und fragt ihn etwas. Er deutet auf mich und dann kommt Mascha auf mich zu. Sie will wohl mit mir reden.
Was mache ich? Wie verhalte ich mich? Gibt man der Frau die Hand, verbeugt man sich, wie redet man sie an? Ich will ja auch nichts falsch machen.
Viel Zeit zum Überlegen bleibt mir nicht, ich entscheide mich dafür, mich etwas zu verbeugen, komme aber gar nicht dazu, weil Mascha ihren Stock hebt. Will die Alte mich verhauen? Schlägt mich die Zigeunerkönigin jetzt zum Ritter oder zum Krüppel?


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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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11 Kommentare
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GunWoman
15 Jahre zuvor

*argh*..wie gehts weiter?!! Maaan…;) TOOOM! Jetzt kann ich mich kaum aufs Lernen konzentrieren, weil ich so gespannt auf die Fortsetzung warte. *g*

Kerstin
15 Jahre zuvor

hngl

Ich fand den Film Cliffhanger schon doof. *g*

der Karschdn
15 Jahre zuvor

Der Undertaker weiss wie man „Page Impressions“ generiert! Effizienter als jede Klickgalerie. 😉

Klaus
15 Jahre zuvor

Das ist nicht fair!!!!

(>°-°)>
15 Jahre zuvor

Wahrlich ein Geschichtenerzähler „vor dem Herrn“. 🙂

Gutenachtgeschichten made by Undertaker Tom wären wohl der Hammer. Ob er das dort auch so gemacht hat/hätte?

Magdalena
15 Jahre zuvor

Ich glaube wir haben einen neuen Montags-Troll.

McDuck
15 Jahre zuvor

Voll fies! 😉

Ma Schine
15 Jahre zuvor

Hat Magdalena gerade den Indianer zu Besuch?

Cora
15 Jahre zuvor

So erzeugt man Spannung, nett, ganz nett.

15 Jahre zuvor

Wie ist das denn im Bestattergewerbe?
Gibt es da immer einen, der das Sagen hat, oder vielleicht eher einen, der das SaRgen hat?
Sorry, off-topic.
Beste Grüße!

MacKaber
15 Jahre zuvor

In die Knie! Du wirst doch nicht aus Deiner Höhe auf eine Königin herabsehen. Augenhöhe ist mindestens angesagt.




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