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Herr Kupfer

Mir tut Herr Kupfer leid. Einerseits natürlich tut er mit leid, weil er seine Frau beerdigen lassen musste und nun ziemlich hilflos dasteht. Ich fühle immer mit den Leuten, wenngleich ich mich nicht bei jedem Sterbefall emotional einbringen kann, wie die Betroffenen selbst. Das sage ich den Leuten aber auch klipp und klar. Ich kondoliere noch nicht einmal bei jedem Sterbefall.

„Mir tut es leid, daß Sie einen so herben Verlust erleiden mussten, aber bitte haben Sie Verständnis, ich habe den Verstorbenen nicht gekannt. Natürlich fühle ich mit Ihnen, ich habe ja auch schon liebe Verwandte verloren, aber jetzt ist es Ihre Aufgabe, zu trauern und meine Aufgabe ist es, einen klaren Kopf zu bewahren, damit auch alles ordentlich ablaufen kann.“

So in etwa sage ich das, immer natürlich individuell an die Leute angepasst.

Mit Herrn Kupfer fühlte ich also mit, weil er so trauerte, aber vielmehr tut er mir wegen seiner Tochter leid.

Schon bei der ersten Beratung schnitt sie ihrem Vater ständig das Wort ab, obwohl ich den Eindruck hatte, daß der alte Herr sich sehr gut ausdrücken kann und auch ganz genau wußte was er wollte. Schließlich gelang es mir, die Frau etwas kalt zu stellen. (Also jetzt nicht die Frau von Herrn Kupfer…, die schon, aber ich meine mit Frau jetzt die Tochter.)

Ich habe einfach das Aussuchen des Sarges etwas vorgezogen, Sandy hinzugezogen und mich dann mit Herrn Kupfer schnell verzogen. Nach der ganzen Zieherei war Tochter Kupfer noch mit Sandy bei den Särgen und ich konnte mit dem alten Herrn Kupfer wenigstens ein gutes Viertelstündchen in Ruhe sprechen und seine Wünsche notieren.

„Ja, so geht das aber nicht!“ war der erste Kommentar, nachdem die Kupfertochter wieder bei uns war: „So geht das wirklich nicht! Sie können doch nicht alles einfach aufschreiben, ich habe ja gar nicht mitbekommen, was mein Vater da alles bestellt.“

„Eben“, sagte ich: „Ihr Vater bestellt, er will das doch schließlich auch alles bezahlen.“

„Nein, nein, nein, es fehlt ja noch mein Verlobter! Der kommt auch noch dazu und der will ja auch mit aussuchen.“

Herr Kupfer seufzte, rollte die Augen und lehnte sich schicksalsergeben in seinem Sessel zurück. An seine Tochter gewandt fragte er mit einem genervten Unterton in der Stimme: „Sag bloß, der Kupferstecher kommt auch noch?“

„Vater!“

„Ist doch wahr! Der leistet nichts, kostet mein Geld, frisst und säuft den Kühlschrank leer und mischt sich überall ein.“

Wenig später tauchte der ‚Kupferstecher‘ dann auch auf. Großgewachsen, schlank, unrasiert und mit einer Brille auf der Nase, bei der sich jeder Brillenträger fragt, wie man durch ein so speckiges Ding überhaupt etwas sehen kann. Harald, so stellte er sich vor: „Sie können auch Harry sagen“, zog sich gleich die Unterlagen rüber, um mal einen prüfenden Blick darauf zu werfen und man sah ihm an, daß er überhaupt keine Ahnung hatte, um was es im Einzelnen ging.
Geht man eigentlich in einem Muscle-Shirt zum Bestatter, Ende September?

Die Kupfertochter hatte noch dieses und jenes auszusetzen, aber ihr Vater beharrte auf seinen Entscheidungen und schließlich wurde der Auftrag im Wesentlichen so unterschrieben, wie der Vater es haben wollte. Die Tochter schmollte etwas, ‚Harry‘ fand alles ganz prima, wollte noch wissen, ob man in den Särgen mal probeliegen darf (Hahaha!) und dann fiel ihm noch ein Bestatterwitz ein. Das heißt ihm fiel ein, daß er einen Bestatterwitz kennt, bekam den aber nicht zusammen, fand aber allein den Gedanken daran so klasse, daß er sich kringelig lachte: „Ich wette, Sie kennen den noch nicht. Wenn mir der wieder einfällt, erzähl‘ ich Ihnen den noch!“

Bloß nicht!

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Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 8. Dezember 2015 | Peter Wilhelm 8. Dezember 2015

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Kommentator
15 Jahre zuvor

*Kupferstecher* einfach göttlich

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15 Jahre zuvor

Herr Kupfer -> Tochter: Frau Kupfer -> Schwiegersohn: Kupferstecher *lol*

15 Jahre zuvor

Manche glauben sie haben die Weisheit und den „Schmäh“ gepachtet (siehe lol Kupferstecher) und sehen selber nicht, wie peinlich sie eigentlich auf die Mitmenschen bzw. Umfeld wirken.
Gut, dass sich der Vater am Schluss mit seinen Wünschen durchgesetzt hat.

Nölarsch
15 Jahre zuvor

Wie Tom schon mehrmals betont hatte: der/die Ehepartner/in ist bestattungspflichtig.
Und da hier der Papi (wie meiner für meine ganzen Extrawünsche im Leben auch schon) alles zahlt, darf er – nach den Wünschen der Erblasserin – seinen Kopf durchsetzen.

Smacky
15 Jahre zuvor

Seit MacKaber, den Spruch von wegen „Eingeheiratette haben keine Entscheidungsgewalt“ gehört habe, liegt der einem bei solchen Stories förmlich auf der Zunge. Irgendwie. 😀

Roland
15 Jahre zuvor

Zu den Witzen: Warum machst du nicht eine neue Rubrik „Bestatterwitze“ auf? So könnten wir alle an deinem Leiden teilhaben 😉
Aber ernsthaft – ich fände das garnicht mal schlecht.

Markus
15 Jahre zuvor

Kupfer Junior will warscheinlich nur, dass ihr Vater so wenig Geld wie möglich ausgibt, da sie es ja später erben wird.
Aber „Kupferstecher“ ist echt ein hammer Begrifft, kurz und knapp, aber genau 😉

MacKaber
15 Jahre zuvor

Gut, er hat gemerkt, dass man ihm das Heft aus der Hand nehmen will. Er ist also noch nicht angekalkt. Aus dem Verhalten der Tochter lese ich die ersten Anzeichen einer schleichenden Entmündigung heraus. Der Kupferstecher ist einfach nur ein Flegel.

Rena
15 Jahre zuvor

Ich weiss nicht, ob ich mir hätte verkneifen können zur Tochter zu sagen ‚wenn es dir nicht passt, dann zahl du doch die Beerdigung. Dann darfst du auch aussuchen‘ Wahrscheinlich hätte sie das dann schnell sein lassen. *g*




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