Geschichten

Herr Maurer IV

Wie kommt man solchen Leuten bei? Meine Frau meint, die seien karrieregeil und geldgeil: „Solchen Leuten kannst Du nur beikommen, wenn Du die an ihrem empfindlichsten Zipfelchen packst, am Geldbeutel!“

Schwiegertochter Maurer ist weder entsetzt, noch erschüttert, auch nicht traurig oder wenigstens erstaunt. „Die waren ja auch schon alt“, ist alles was sie dazu zu sagen hat. „Wegen der Kosten machen Sie sich keine Gedanken. Ich habe meinen Mann vorhin zwischen zwei Terminen mal eben auf dem Handy gekriegt, er legt das alles in meine Hände. Die Mutter soll in Spanien eingeäschert werden und die Urne dann mit dem Vater meines Mannes ins Grab. Sagen Sie, wann und wo können wir einen Erbschein bekommen?“

„Erbschein …“, plappere ich erstaunt ob so viel Herzenskälte. Sie nickt: „Ja, das mit dem Haus meiner Schwiegereltern muß ja jetzt schnell über die Bühne gehen. Wir lassen den Kasten abreißen, ohne Gebäude ist das Grundstück viel mehr wert.“

Werbung

„Abreißen? … Meine Güte, das geht aber schnell“, staune ich.

„Das muß so schnell gehen. Solche Villen in der Oststadt darf man gar nicht abreißen. Wir haben aber einen Abrißunternehmer gefunden, der das für uns macht und hinterher wird es heißen, meine Schwiegereltern hätten den Auftrag zu Lebzeiten noch erteilt.“

Sie entblößt eine Reihe makelloser und tippex-weißer Zähne und lacht laut. „So schaffen wir Tatsachen. Die Denkmalbehörde kann ja dann das Grab verklagen, ha ha ha.“

„Das kostet aber extra“, sage ich.

Ich habe vor, der Frau jetzt zu erklären, alles würde wahnsinnig teuer ausfallen, wenn keiner der Angehörigen dabei sei. Ich würde ihr was vorlügen, nur um sie und ihren geschäftstüchtigen Mann dazu zu bringen, doch an der Trauerfeier und Beerdigung teilzunehmen.
Eigentlich hätte man auf solche Trauergäste ha verzichten können. Aber irgendwie finde ich, daß es jeder verdient hat, daß seine Kinder wenigstens am Grab anständig Abschied nehmen.
Gerade will ich sagen, daß der Urnenversand aus Spanien was extra kostet, da zückt sie schon ihr Scheckbuch und stellt mir einen Scheck über eine unverschämt hohe fünfstellige Summe aus.

„Das soll dann aber reichen!“, sagt sie, bleckt noch einmal die Tipp-Ex-Leiste und wieder ist sie wehenden Mantels entschwunden.

Da steh ich nun mit meinem Scheck in der Hand und bin sprachlos.

„Chef, das reicht für fünf Beerdigungen, und da kann dann noch der Pavarotti kommen und auf den Beerdigungen singen!“, meint Frau Büser angesichts des hohen Schecks.

„Ich weiß nicht so recht“, sage ich, „Irgendwas stimmt da nicht. Aber gut, reichen Sie den Scheck mal ein. Hoffentlich ist der wenigstens gedeckt. Dann gucken wir, was das alles kostet und den Rest überweisen wir einfach an die Leute zurück.“

Es kommt genau so.
Herr Maurer harrt im Kühlen seiner Beerdigung, eine Woche später, kurz vor dem Verfallsdatum des Mannes, trifft die Urne bei uns ein.
Die polizeilichen Ermittlungen in Spanien sind im Sande verlaufen oder wurden gar nicht durchgeführt. Jedenfalls war es kein Problem für den spanischen Kollegen, alles zügig abzuwickeln.
Dafür will er 1.800 Euro.

Die Herrschaften nehmen nicht an der Beerdigung teil.
So fahren wir zu Friedhof. Wir haben das schon oft gemacht, keiner soll alleine gehen müssen.
Frau Büser, Antonia, Sandy, Manni, Nadine und ich sitzen in der ersten Reihe, hören das lustlose Organieren des schlechtesten Organisten diesseits des Urals und warten geduldig drei Lieder ab.
Da laut Schwiegertochter kein Pfarrer erwünscht war, stehe ich am Ende auf und bete einmal mehr das Vaterunser. Das ist bei allen Verstorbenen bisher gut angekommen …

Ich habe kaum Amen gesagt, da fliegt die Seitentür auch schon auf und die Sargträger schieben den Sarg hinaus. Einer trägt brav die Urne hinterher.

Am Grab geht alles ruckzuck. Die Friedhofsarbeiter erledigen ihren Job routiniert und zügig und schon nach knapp zehn Minuten steigt einer auf den Bagger und schiebt die Erde wieder ins Grab.

Noch am selben Tag machen wir die Abrechnung fertig. Mit Friedhof und unseren Kosten macht es zusammen knapp 6.000 Euro.
Den Rest des Geldes überweist Frau Büser zurück, denn der Scheck ist tatsächlich gutgeschrieben worden.

Zwei Tage später stehen der Vielbeschäftigte und die Zahnfee in meinem Büro. Genauergesagt sitzen sie mir gegenüber und drucksen herum.
Endlich ergreift er das Wort: „Sie haben uns das Geld zurück überwiesen.“

„Ja sicher.“

„Das sollten Sie doch aber behalten“, sagt die Frau nun.

„Das war doch aber viel zu viel.“

„Aber nein“, sagt er: „ich stelle Ihnen jetzt einen neuen Scheck aus. Nochmal über die Summe von neulich zuzüglich den Bestattungskosten.“

„Warum wollen Sie so großzügig sein?“, frage ich verwundert: „Ich freue mich, wenn Sie meine Rechnung rasch bezahlen. Manche lassen uns monatelang warten, und viele zahlen auch gar nicht.“

„Sehen Sie, und das ist doch ein Grund mehr, unsere kleine Anerkennung anzunehmen“, sagt er und zückt sein Scheckbuch.

Ich wehre mit beiden Händen ab: „Bitte nicht! Sagen Sie mir, warum Sie mir so viel bezahlen wollen?“

Die Frau druckst herum, wiegt sich, als müsse sie ihre eingeschlafenen Pobacken wiederbeleben und sagt dann: „Na, wegen dem Haus, damit Sie nichts sagen.“

„Wie bitte?“

„Ja, als ich Ihnen das vom Abriß erzählt habe und von dem Trick, da haben Sie gesagt, daß kostet aber was extra, wenn Sie den Mund halten.“

„Was?“

Jetzt erst fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Da hat die Dame doch tatsächlich angenommen, ich wollte sie wegen dieses Abbruchsvorhabens erpressen! Meine Güte!
Ich bleibe freundlich und schicke die beiden nach Hause. „Ich weiß von nichts, und mich interessiert es auch gar nicht“.

Was hat sich alles zugetragen, der Vater gestorben, die Mutter kurz nach ihm, und alles was die beiden interessiert, ist das liebe Geld und wie sie ungeschoren die Behörden bescheißen können …

Arme Menschen!

-Ende-


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

Keine Schlagwörter vorhanden

Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 19. Mai 2015

Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle journalistische Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bittet das Bestatterweblog um Ihre Hilfe. Es fehlen in diesem Jahr noch etwa € 8.500,- um den Server, IT, Redaktion und um die anderen Kosten zu decken. Bitte beschenken Sie uns mit einer Spende, sonst müssen wir in Zukunft die meisten Artikel kostenpflichtig bereitstellen. Das wäre schade, auch weil das weitere unkreative Arbeiten erfordert, die wir zeitlich kaum stemmen wollen. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
5 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Nicky
9 Jahre zuvor

Einfach nur traurig 🙁

Marco
9 Jahre zuvor

Das Schlimme ist, dass es solche Menschen tatsächlich gibt. 🙁

9 Jahre zuvor

Tja, solche Menschen haben Geld. Anständige zahlen ja auch die Schecks zurück…

PMK74
9 Jahre zuvor

Kein schönes Ende, aber ein Ende.
Unglaublich, wie schnell die Geschichten hier jetzt von der Klippe springen. 🙂

Danke.

9 Jahre zuvor

Tja,
und selbst wenn sie mit dem Grundstück noch mehr Geld machen (abgesehen von dem vielen Geld, was sie sowieso schon haben werden) – mitnehmen ins eigene Grab können sie davon nix. Oder es würde ihnen da nicht viel nutzen.

Dass die Leute das nicht begreifen …




Rechtliches


5
0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex