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Inge Deutschkron mit 99 Jahren verstorben

Inge Deutschkron
(* 23. August 1922 in Finsterwalde) war eine deutsch-israelische Journalistin, Autorin und Holocaust-Zeugin.

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Leben

Inge Deutschkron war die Tochter der Ella und des sozialdemokratischen Gymnasiallehrers Martin Deutschkron. 1927 zog die Familie nach Berlin. 1933 erfuhr Inge Deutschkron von der Mutter, dass sie Jüdin sei.
Der Vater wurde im April 1933 als SPD-Mitglied wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem Schuldienst entlassen. Er unterrichtete danach an der zionistischen Theodor-Herzl-Schule Berlin. Anfang 1939 erlangte er über seine Cousine, die für ihn eine hohe Kaution hinterlegt hatte, ein Visum für Großbritannien.

Da das Geld nur für eine Person reichte, sollte er zuerst ausreisen und für das Nachfolgen der Familie sorgen. Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 konnten Inge Deutschkron und ihre Mutter jedoch nicht mehr fliehen. Von 1941 bis 1943 arbeitete Inge Deutschkron in der Blindenwerkstatt von Otto Weidt in Berlin-Mitte, der sie vor der Deportation bewahrte. Ab Januar 1943 lebte sie illegal in Berlin und versteckte sich, um dem Holocaust zu entgehen, mit ihrer Mutter bei nichtjüdischen Freunden. Mehrere der Personen, die Inge Deutschkron und ihre Mutter unterstützten und versteckten, waren Mitglieder oder aus dem Umfeld der linkssozialistischen Widerstandsgruppe Roter Stoßtrupp, so z. B. Otto Ostrowski.

1946 zog sie mit der Mutter nach London zu ihrem Vater, studierte Fremdsprachen und wurde Sekretärin bei der Sozialistischen Internationale. 1954 folgte eine Reise nach Indien, Birma, Nepal und Indonesien, von der sie 1955 nach Deutschland zurückkehrte und nach der sie in Bonn als freie Journalistin arbeitete. 1958 wurde sie Korrespondentin für die israelische Tageszeitung Maariw. 1963 nahm sie als Beobachterin für Maariw am Frankfurter Auschwitz-Prozess teil. 1966 erhielt sie die israelische Staatsbürgerschaft.

Aus Verärgerung über wieder aufflammenden Antisemitismus in der deutschen Politik und die aus ihrer Sicht antiisraelische Haltung der 68er-Bewegung zog sie 1972 nach Tel Aviv. Bis 1988 arbeitete sie dort als Redakteurin für Maariw. Dabei widmete sie sich besonders der internationalen und der Nahost-Politik. Ihre Autobiografie Ich trug den gelben Stern machte sie 1978 berühmt.

Für das Theaterstück Ab heute heißt Du Sara, eine Bühnenadaption ihrer Autobiographie Ich trug den gelben Stern, am GRIPS-Theater kehrte sie im Dezember 1988 nach Berlin zurück. Seit 1992 lebte sie als freie Schriftstellerin in Tel Aviv und Berlin; seit 2001 lebt sie ganz in Berlin. Sie setzt sich dafür ein, dass die „Stillen Helden“ (Menschen, die Juden gerettet haben) vom deutschen Staat gewürdigt werden. Auf ihre Initiative wurde der Förderverein Blindes Vertrauen gegründet, dessen Vorsitzende sie ist.

1994 entstand unter der Regie von Wolfgang Kolneder mit und über Inge Deutschkron der Dokumentarfilm Daffke…! Die vier Leben der Inge D. Eine weitere Dokumentation mit dem Titel Plötzlich war ich Jüdin. Das unglaubliche Leben der Inge Deutschkron von Jürgen Bevers wurde 2012 im WDR ausgestrahlt.

Am 30. Januar 2013 hielt sie im Deutschen Bundestag die Rede anlässlich der Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Als Zeitzeugin führte sie Anfang 2014 durch das Doku-Drama Ein blinder Held – Die Liebe des Otto Weidt, das auch ihre Geschichte erzählt.

Ihre Lebensgeschichte wird auch in der Dauerausstellung Wir waren Nachbarn im Berliner Rathaus Schöneberg dargestellt.

Inge Deutschkron war Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

Inge Deutschkron Stiftung

Am 6. Oktober 2006 hatte Inge Deutschkron ihre Stiftung gegründet. Die Stiftung soll die Erinnerung an die Frauen und Männer im Widerstand gegen den Nationalsozialismus wachhalten, die Auseinandersetzung der Deutschen mit diesem Teil der Geschichte fördern und ein Aufkeimen und Wiederaufleben rechtsradikaler Tendenzen verhindern.

Auszeichnungen

Das Bundesverdienstkreuz hat Inge Deutschkron mehrfach abgelehnt, weil in den 1950er-Jahren viele Nazis damit ausgezeichnet worden seien.

1994: Moses-Mendelssohn-Preis
2002: Rahel-Varnhagen-von-Ense-Medaille
Verdienstorden des Landes Berlin
2008: Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik: „Ihr Lebenswerk steht im Zeichen des fortdauernden Engagements für Demokratie und Menschenrechte“, so die Begründung der Jury, „und gegen alle Formen des Rassismus“. Ihr sei es gelungen, Erfahrungen der Verfolgung und des Widerstands gegen den Nationalsozialismus einem großen Publikum eindringlich zu vermitteln.
Louise-Schroeder-Medaille des Landes Berlin.
2018: Ehrenbürgerwürde Berlins
Werke
1965: … denn ihrer war die Hölle. Kinder in Gettos und Lagern. Wissenschaft und Politik, Köln.
1978: Ich trug den gelben Stern. Wissenschaft und Politik, Köln, ISBN 3-8046-8555-2, dtv, München 1992, ISBN 3-423-30000-0.
1983: Israel und die Deutschen: Das schwierige Verhältnis. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, ISBN 3-8046-8612-5. Neuauflage 2000.
1985: … denn ihrer war die Hölle: Kinder in Gettos und Lagern. Wie vor, ISBN 3-8046-8565-X.
1988: Milch ohne Honig: Leben in Israel. Wie vor, ISBN 3-8046-8719-9.
1992: Unbequem: Mein Leben nach dem Überleben. Wie vor, ISBN 3-8046-8785-7.
1996: Sie blieben im Schatten: Ein Denkmal für „stille Helden“. Edition Hentrich, Berlin, ISBN 3-89468-223-X.
2000: Mein Leben nach dem Überleben. dtv, München, ISBN 3-423-30789-7.
2001: Das verlorene Glück des Leo H. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main / Wien / Zürich, ISBN 3-7632-5105-7.
2001: Emigranto: Vom Überleben in fremden Sprachen. Transit, Berlin, ISBN 3-88747-159-8.
2001: Papa Weidt: Er bot den Nazis die Stirn. Butzon & Bercker, Kevelaer, ISBN 3-7666-0210-1 (mit Lukas Ruegenberg)
2004: Offene Antworten: Meine Begegnungen mit einer neuen Generation. Transit, Berlin, ISBN 3-88747-186-5.
2007: Wir entkamen. Berliner Juden im Untergrund. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Beiträge zum Widerstand 1933–1945, Berlin
2018: Auschwitz war nur ein Wort. Berichte über den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963-1965, Metropol-Verlag Berlin, ISBN 978-3-86331-417-0.

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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 12. März 2022 | Peter Wilhelm 12. März 2022

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NIXE
2 Jahre zuvor

Ein langes, erfülltes Leben ging zu Ende.
RIP Inge Deutschkron.

2 Jahre zuvor

Eine bewundernswerte Frau. Möge sie in Frieden ruhen




Rechtliches


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