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Kennst Du Roland Kaiser, dann bist Du alt

Frau Krystyna Potthoff sitzt im Beratungszimmer und ich notiere mir die persönlichen Angaben. Sie ist 1960 in Polen geboren und war mit einem Deutschen verheiratet. Dieser Mann ist jetzt gestorben und sie erzählt mir davon, er habe immer viel über den Tod gesprochen. Das wundert mich, denn außer mir sprechen sonst ‚jüngere‘ Männer (ich finde mich jung, auch wenn mein Sohn mich neulich erst fragte, ob ich den Kaiser noch gekannt hätte; ich scherzte, er meine wohl den Roland Kaiser und erntete als Antwort: „Was? Roland Kaiser hast Du noch gekannt? Daß Du soooo alt bist, das hätte ich jetzt nicht gedacht!) ja eher nicht über den Tod.

Doch dann sagt mir Frau Potthoff das Geburtsdatum ihres Mannes und ich stutze: 1913.

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Krystyna erzählte mir dann:

Herr Potthoff hatte schon Jahre zuvor seine Frau beerdigt und seitdem lebte er ganz alleine in seinem 8-Zimmer-Haus und kam eher schlecht als recht klar. Je älter er wurde, umso schwerer fielen ihm die Pflege des großen Gartens und vom Saubermachen und Aufräumen schien er auch nicht viel zu halten. Eine Weile ließ man ihn gewähren. „Der fängt sich schon wieder“, hieß es und „Der muß den Tod seiner Frau erst richtig überwinden.“

Doch auch nach sechs Jahren hatte sich an der Situation nichts geändert und es kam der Tag, an dem er von seiner Tochter vor die Wahl gestellt wurde, entweder in ein Heim zu ziehen oder eine Haushaltshilfe anzunehmen. Er entschied sich für die Haushaltshilfe und so kam Frau Bölow zu ihm, eine fette Endfünzigerin, resolut und fleißig, genau das Richtige für den alten Potthoff. Die Bölow machte diese Arbeit ein paar Jahre lang, dann wurde Potthoff kränklich und mußte schließlich kraftlos im Bett liegen.

„Nee, nee, zum Putzen komme ich ja gerne her, aber ich habe selbst einen kranken Mann zu Hause und kann nicht noch so einen Erpel pflegen“, soll sie gesagt haben und so kam es, daß Potthoffs Tochter die Bekannte einer Bekannten fragte, die da jemanden kannte, der wen kennt und schließlich den Potthoffs die etwa 20jährige Krystyna aus Polen ‚besorgte‘, die ins ehemalige Kinderzimmer des Hauses Potthoff einzog und die Rundumversorgung des altersschwachen Mittsiebzigers übernahm.
Ein paar Jahre habe sie das machen wollen, ihre Familie war erst ein paar Jahre vorher als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen, man baute gerade ein Haus und ihre Eltern hofften auf jede Mark, die ihre Kinder verdienten. Und der Job bei Potthoff war einerseits gut bezahlt, Krystyna war gut untergebracht und andererseits ließ sich das auch mit dem katholisch geprägten Verständnis von Moral ganz gut vereinbaren, denn zu einem jüngeren Mann hätten die Eltern Krystyna nicht gelassen.

Vom alten Potthoff ging jedoch keine Gefahr aus, der Mann kränkelte, ja er siechte und so war alles perfekt.

Eines Tages sprach er Krystyna an. Er bekomme so eine schöne Pension, da wäre es doch schade, wenn er jetzt stürbe und niemand da wäre, der sein Erbe antreten könne.
„Wieso? Sie haben doch eine Tochter“, wandte Krystyna ein und Potthoff nickte: „Ja, die soll mal das Haus bekommen, das ist klar; aber ich meine die schöne, dicke Pension. Schau mal, Krystyna, wenn Du mich jetzt heiratest, dann bekommst Du einen großen Teil davon, Monat für Monat und ich bin doch alt, am Ende meines Lebens angekommen und es ist doch nur noch eine Frage der Zeit bis ich sterbe.“

Krystyna wies dieses Ansinnen weit von sich und war ehrlich entrüstet. Diese Entrüstung ist ihr auch heute noch anzumerken, wenn sie diese Episode aus ihrem Leben erzählt.

Doch Potthoff ließ keine Ruhe und irgendwann fiel auch Krystynas Bruder in den Chor mit ein und bekniete sie ebenfalls. So kam es dann dazu, daß der alte Potthoff und seine um Jahrzehnte jüngere Pflegerin Krystyna sich vor dem Standesbeamten das Ja-Wort gaben, er im Rollstuhl, sie in einem entzückenden, kurzen, weißen Kleid. Ihre Eltern hatten der ganzen Sache sowieso nur unter der Bedingung zugestimmt, daß man nicht kirchlich heiratete.

Der alte Potthoff freute sich und siechte weiter, alles war in bester Ordnung.

Es war alles in Ordnung? Denkste!
Potthoff bekrabbelte sich wieder, sprach gut auf die Rundumpflege an, fasste wieder Lebensmut und vom Siechen war nicht mehr viel zu sehen. Im Gegenteil, an der Seite seiner jungen Frau blühte der Greis noch einmal richtig auf und bald schon war von Krankheit, Bettlägerigkeit und Siechtum nichts mehr übrig. Zwar sei da, so erzählt Krystyna, das sexuelle Verlangen des alten Mannes radikal eingeschränkt gewesen, doch auch wenn die Radix nicht mehr wollte, seine Hände wollten noch…

Vom Sterben jedenfalls war keine Rede mehr und für Krystyna kam eine Scheidung nicht in Frage. Aus der ganzen Sache als Witwe herauszugehen, das hatte ihre Familie akzeptiert; eine Scheidung war undenkbar.

Jetzt ist Potthoff gestorben; „Endlich!“, wie Krystyna mit deutlich sichtbarer Erleichterung sagt. Er sei immer gut zu ihr gewesen, niemals böse und habe ihr jeden Wunsch erfüllt, aber sie habe sich das Ganze eben doch ganz anders vorgestellt: „Ein paar Jahre, okay, aber doch nicht über zwei Jahrzehnte…“

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Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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Yeti
14 Jahre zuvor

„Zwar sei da, so erzählt Krystyna, das sexuelle Verlangen des alten Mannes radikal eingeschränkt gewesen, doch auch wenn die Radix nicht mehr wollte, seine Hände wollten noch…“

Danke Tom, jetzt ist mehr schlecht. Bitte mehr Katzencontent und Leichengiftcontent 😉

14 Jahre zuvor

Tja dumm gelaufen ne 🙂

Aber klar, die hat bestimmt das garnicht gewollt. Die Aussicht da mal ein paar Jahre mit dem Alten zu verbringen und dafür das Erbe zu kassieren…

Anonym
14 Jahre zuvor

Boah, wie fies ist das denn? Ein junges Mädchen, das die besten Jahre mit einem Opa verbringen muss den sie nicht liebt. Und jetzt kriegt sie von der Tochter vermutlich noch Erbschleicherei vorgeworfen…

T.
14 Jahre zuvor

Wieso „fies“? Sie hat den Alten geheiratet um ans Erbe zu kommen; dummerweise zog sich das Ableben aber noch hin, that´s life.
Jetzt hat Sie effektiv ihre besten Jahre weggeschmissen; immerhin gibts eine Pension dafür, dass der alte Bock nochmal fingern durfte.
Leben verpfuscht; aber ohne Mitleid.

Grüße

T.

Designierter Komposti
14 Jahre zuvor

Santa Maria!

-thh
14 Jahre zuvor

Tja, die Probleme der Anonymisierung … 😉

Rechne ich falsch, wenn ich beim Geburtsdatum 1913 nicht nachvollziehen kann, daß er 1980 schon 77 Jahre gewesen sein soll? Dann wäre er nämlich 1903 geboren …

-thh
14 Jahre zuvor

Tja, die Probleme der Anonymisierung … 😉

Rechne ich falsch, wenn ich beim Geburtsdatum 1913 nicht nachvollziehen kann, daß er 1980 schon 77 Jahre gewesen sein soll? Dann wäre er nämlich 1903 geboren …

Andreas Lechthaler
14 Jahre zuvor

Hihi.Habt ihr euch mal den Namen genau angeschaut: „Potthoff.“ Jackpot und so…fragt sich nur für wen.
Typisch TOMsche Spielerei, hab`s auch erst beim zweiten Drüberlesen gemerkt.
😉 Lechthaler

14 Jahre zuvor

@ Andreas. Das ist mir aber erst nach deinem Posting aufgefallen, das Wortspiel. Der Name »Potthoff« ist in unserer Gegend ein durchaus gängiger Name, darum habe ich mir dabei erst einmal eigentlich gar nichts dabei gedacht 🙂

Manuela
14 Jahre zuvor

Wenigstens bekommt Krystyna tatsächlich eine Pension. In Österreich ist bei diesem Altersunterschied (>25 Jahre) eine Ehedauer von mindestens 10 Jahren erforderlich, sonst geht die Witwe leer aus. Ich nehme an, in Deutschland wird es ähnlich sein. Da hätte sie schön blöd geschaut, wenn sie festgestellt hätte, dass sie nach 8-9 Ehejahren überhaupt keine Pension bekommt. Ihr Leben hat sie jedenfalls verplempert. Andererseits: was hätte sie sonst gemacht? Als fette Endfünfzigerin bei anderen alten Herren geendet?

Veit
14 Jahre zuvor

@Manuela (Nr. 10)
Wo ist das Problem (auch in Österreich)?
Ne Ehedauer von über zwei Jahrzehnten sollte für mindestens 10 Jahre ausreichen.

14 Jahre zuvor

Irgendwie tut sie mir leid. Mit 20 geheiratet (wahrscheinlich mehr um der Familie und dem alten Mann als sich selbst einen Gefallen zu tun) und dann ein halbes Leben dafür gebüßt. Ob die paar Kröten das wert waren?

Und jetzt muss es raus, wobei ich ja sonst nie nörgele und von fast grenzenloser Geduld bin, aber ich platze fast vor Spannung: Hexenhaus und Olaf: Wie geht’s weiter? *hibbel*

Andreas Lechthaler
14 Jahre zuvor

@ kumi.
Naja, nach Nypaff (oder so ähnlich, das nichtrauchende Büromännchen) schaue ich meistens 2x hin. Obwohl es natürlich im wahren Leben auch skurille Nachnamen gibt. Und bei „Potthoff“ dachte ich an „hofft auf den (Jack)Pott“, habe mich wahrscheinlich selbst schon im „Um-die-Ecke-Denken“ verfangen…(wer Schreibfehler findet darf sie behalten).
Lechthaler

AF
14 Jahre zuvor

Tja, Simone Rethel-Hesters hatte sich das 1992 bei der Heirat mit Jopi vielleicht auch anders vorgestellt… 😉

Stefan
14 Jahre zuvor

Ohne hier jetzt eine politische Diskussion losbrechne zu wollen… sieht das denn bei den Familien Kohl und Müntefering so ander aus?

Und hier in Deutschland reichen 3 Jahre Ehe aus, unabhängig vom Altersunterschied.

Numanoid
14 Jahre zuvor

@AF: Genau daran hab ich beim Lesen der Geschichte auch gedacht 😉

pünktchen
14 Jahre zuvor

@ -tth: du hast falsch gerechnet!

wie kommst du auf 1980?

er war Ende der 80 ein Mittsiebziger und wenn er da Krystyna geheiratet hat, sind es jetzt über 2 Jahrzehnte …

14 Jahre zuvor

Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum die ersten Kommentatoren das Stichwort „Erbschleicherei“ bringen – dass das Eigentum an die Tochter gehen sollte, wird doch ausdrücklich erwähnt. Die mittelprächtige Gaunerei zulasten der Staatskasse um den – so verstehe ich das – Anspruch, als Beamtenwitwe versorgt zu werden, könnte hier unter Umständen (1980 ÷ 1913 = 67 + Wurzeldysfunktion) ins Auge gehen: — Zitat Wikipedia: — Bestand die Ehe oder Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt des Ablebens des Versorgungsempfängers weniger als ein Jahr oder wurde erst nach dem 65. Geburtstag des Versorgungsempfängers geschlossen und ist kinderlos geblieben, so wird nach heutiger Rechtslage regelmäßig von einer Versorgungsehe ausgegangen, was zur Verweigerung einer Leistung an die Witwe führt. In Ausnahmefällen kann aber ein sogenannter Unterhaltsbeitrag (meist in Höhe der Hinterbliebenenbezüge) gewährt werden. — Zitat Ende — Der „Klassiker“ in der Beziehung dürfte übrigens Herbert Wehner sein, nochmal ausführlich: — Zitat Wikipedia: — Wehner war dreimal verheiratet: 1927 heiratete er die Schauspielerin Lotte Loebinger (1905-1999). In zweiter Ehe war er ab 1944 mit Charlotte Burmester, geborene Clausen, verheiratet. Nach deren Tod 1979… Weiterlesen »

MacKaber
14 Jahre zuvor

Immerhin hat sie sich das ehrlich und schwer verdient. Andere Haushälterinnen bei noch voll im Berufsleben stehenden, weit jüngeren alleinstehenden Herren, meißt ohne Kinder, haben nicht die Chance an so eine Alterssicherung zu kommen.

14 Jahre zuvor

Naja, wer weiß ob sie ihr Leben da wirklich weggeschmissen hat.
Ich meine, sie hat sicherlich Freizeit gehabt, und mir kann keiner erzählen, dass man in so ner Situation als junge Frau nicht das eine oder andere mal mit einem Gleichaltrigen verkehrt.
Religion hin oder her.

suz
14 Jahre zuvor

@17 pünktchen:

thh hat wohl nicht falsch gerechnet, ich bin da auch über etwas gestolpert 🙂

1980 doch deshalb, weil Krystyna „etwa 20jährig“ bei ihm angefangen hat. Wenn sie also 1960 geboren wurde, dann hat sie 1980 angefangen zu arbeiten.
Wenn der alte Herr also 1913 geboren wurde, dann war er bei Arbeitsantritt der jungen Dame nicht Mitte 70, sondern Mitte 60.

An der Dauer der Ehejahre mag das ja nicht viel ändern, aber mindestens ein Zahlendreher scheint da drin zu sein. Oder hab ich da auch was missverstanden?

14 Jahre zuvor

@ 14: An Jopi Heesters und sein Simönchen musste ich auch bei dem Artikel denken. Aber sie scheinen dann doch noch etwas zufriedener zu sein, denn Frau Heesters war ja selbst erfolgreich…

Marc
14 Jahre zuvor

@22 Kirchendiener: Sieht ganz danach aus. Und Jopi denkt wahrscheinlich manchmal: „Was mache ich denn nur, wenn Simone irgendwann von uns geht?“… 😀

janwo
14 Jahre zuvor

@ 18: das wäre dann aber wirklich noch die Krönung des „Dumm Gelaufen!“ 😮

14 Jahre zuvor

Sooo alt ist Krystyna ja nun noch nicht,
da hat sie noch ganz passable Chancen, sich nun ihrerseits einem 20jährigen zu widmen. 😉

Anita
14 Jahre zuvor

Und mit 40 kann man auch noch problemlos Kinder kriegen.
Andere Frauen erarbeiten sich in 20 Jahren nicht soviel Kohle.
Auf dem Beziehungsmarkt hat sie, wenn sie ein wenig auf sich geachtet hat, sicher garkeine so schlechten Chancen.




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