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Fehler durch Lektorin Alexandra bereinigt.

Herr Kollmeier war mal Oberstudienrat, ist lange verwitwet und ist in unserem Stadtteil zu lokaler Berühmtheit gelangt, weil er sich und unser Dorf in den 60er Jahren in einem kleinen Bildband feierte. Wenn ich schreibe „unser Dorf“ dann meine ich immer unseren Stadtteil einer mittleren Großstadt, der irgendwann in den 20er Jahren eingemeindet wurde, in dem aber immer noch Leute leben, die von der Großstadt nichts wissen wollen und auf die Selbständigkeit pochen.

Oberstudienrat Kollmeier ist aber auch noch aus einem anderen Grund bekannt, denn trotz seiner manchmal etwas schrulligen Art, hat er seine fünf Kinder, trotz des frühen Todes seiner Frau, alleine großgezogen und allen eine anständige Ausbildung ermöglicht.

Ob es an seinen Schrullen, an der Undankbarkeit der Kinder oder an beidem liegt, weiß ich nicht, jedenfalls war Kollmeier ziemlich verbittert, als er vor zweieinhalb Jahren bei uns eine Bestattungsvorsorge abschloss.

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Keines seiner Kinder kümmerte sich um ihn und wenngleich sie regelmäßig zum Zwecke der innerfamiliären Geldabschöpfung vorstellig wurden, ließen sie den alten Mann doch ziemlich vereinsamen. Herr Kollmeier wurde gar nicht müde, über seine Kinder und Schwiegerkinder zu schimpfen, die ihn sogar an Heiligabend nur telefonisch kontaktierten: „Zehn Kinder und Schwiegerkinder, 16 Enkel und alle halten brav am zweiten Feiertag die Hand auf, was ich aber am Heiligen Abend mache, das interessiert keinen. Der Jutta habe ich eine Eigentumswohnung gekauft, dem Klaus habe ich das Haus in der Beethovenstraße überschrieben und Monikas Mann habe ich einen Bausparvertrag überschrieben. Wenn die was wollen, dann sind die da, dann ist der Alte gut genug.“

Seine Bestattungsvorsorge gestaltete Kollmeier entsprechend. Auf seinen etwas rundlichen Bauch klopfend sagte er: „Man sagt ja, das letzte Hemd habe keine Taschen. Aber den hier kann ich mitnehmen und das Geld was ich für meine Beerdigung ausgebe, das bekommen die Aasgeier auch nicht in die Finger.“

Er habe sein ganzes Leben vorgehabt, im Alter viel zu reisen, doch leider mache ihm da seine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung, er sehe es aber auch nicht ein, daß „das ganze undankbare Pack“ sich über ein großes Erbe freuen könne. „Die haben ja schon alle genug bekommen und so vermögend bin ich ja nun auch wieder nicht, doch so über die Jahre ist schließlich einiges zusammengekommen und das hau‘ ich jetzt auf den Kopf.“

Ein großer Eichensarg in Truhenform, ein neuer Grabstein und eine Trauerfeier mit Chor und Streichquartett, das waren seine Wünsche. Als Trauerredner wollte er als Freidenker keinen Priester, sondern einen pensionierten Schauspieler von der Stadtbühne. Für den hatte Herr Kollmeier eine mehrseitige Trauerrede selbst entworfen und uns in einem verschlossenen Umschlag zu den Vorsorgeunterlagen gegeben.

Am Samstag ist Herr Kollmeier in seinem Haus verstorben und heute früh gefunden worden. Die Vorbereitungen für seine Beerdigung laufen auf Hochtouren und schon am Donnerstag wird der Termin sein. Den ganzen Morgen rufen seine Kinder jetzt schon hier an und wollen jeder gerne einen anderen Termin. Der eine hätte lieber den Freitag, die andere am Liebsten den Montag und ich kann immer nur antworten, daß wir uns exakt an die Anweisungen des Verstorbenen halten. Der hatte nämlich gesagt: „Und die Beerdigung soll so schnell wie möglich und zwar um 11 Uhr sein, wenn die Beerdigung nämlich gegen Mittag vorbei ist, müssen die sich noch um ein schönes Mittagessen kümmern. Jeder wird was anderes wollen, aber die sollen zu meiner Beerdigung kommen, wenn die stattfindet, und es soll nicht so sein, daß meine Beerdigung stattfindet, wenn die Zeit haben, um zu kommen.“

Heute Nachmittag kommt der ehemalige Schauspieler, um die Rede abzuholen, damit er sie einstudieren kann. Ich bin ja mal gespannt.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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