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Mama, ich hab Dich lieb!

Herr Kohl, Frau Kohl und Frau Kuhl wohnen in einem Haus.
Also nochmals: Da gibt es das Ehepaar Kohl und die alleinstehende Frau Kuhl. Einmal mit o und einmal mit u. Auch wenn die Namen fürs Weblog verändert wurden, sie sind wirklich so ähnlich und solche Zufälle gibt es eben.
Das Ehepaar Kohl hat das Haus vor acht Jahren gekauft und inzwischen großzügig renoviert und man hat auch weitläufig angebaut. Ursprünglich war es ein normales Zweifamilienhaus, wie man es so aus dem dörflichen Bereich kennt. Unten eine Wohnung, oben eine Wohnung. Die Kohls haben aber hinten angebaut und sich dort auch einen eigenen Eingang geschaffen. Die Eingangstür des Vorderhauses wird also nur noch von Frau Kuhl benutzt, die oben wohnt.

Die Kohls konnten Haus und Grundstück günstig erstehen, denn mit dem Erwerb des Hauses war ein lebenslanges Wohnrecht der Frau Kuhl verbunden. Es handele sich um eine ruhige Frau, die niemanden störe…

Nun, Frau Kuhl stört auch niemanden, sie ist nicht laut. Aber sie säuft, wäscht sich nicht, wäscht nicht, putzt nicht und bringt auch keinen Müll runter. Man kann sich vorstellen, wie es im Vorderhaus riecht und daß da so manches „Un“ herumgeziefert.

Wenn überhaupt, dann bekommt man Frau Kuhl nur ganz kurz zu sehen, nämlich nur in den wenigen Momenten, die es dauert, das Haus zu verlassen oder zu betreten, ansonsten verschwindet sie gleich rechts herum in den Stadtwald und läuft bis zum Nachbarort, um dort die ganzen Tage mit gleichgesinnten Trinkern und Trinkerinnen auf einer Parkbank zu verbringen. Ich glaube jede Stadt hat solche Plätze, Treffpunkte der Gescheiterten, die glücklich sind, daß ALDI billigen Fusel verkauft und ihnen die BILD immer schön die Welt erklärt.

Daß es mit Frau Kuhl so kommen würde, das war vor acht Jahren nicht abzusehen, sonderlich war sie immer, aber eben nicht so sonderlich wie jetzt. Natürlich sind die Kohls mit der Situation nicht zufrieden, können und wollen aber nichts dagegen unternehmen und warten einfach nur darauf, daß die „gruselige Alte“ eines Tages mal stirbt und man dann oben alles neu machen lassen kann; das soll ja mal für die Enkel sein…

Nun denn, gestern Abend rief mich Herr Kohl an, wir sollen doch mal bitte kommen, er glaube die Frau Kuhl sei tot: „Wir haben sie seit vier Tagen nicht mehr gesehen, kann auch schon eine Woche sein, und es riecht jetzt schon draußen neben dem Haus so süßlich…“

Ich riet ihm, die Polizei zu verständigen und bin dann doch mal dorthin gefahren, schon allein um Herrn Kohl, der stellvertretender Bürgermeister ist, zu zeigen, daß ich mich kümmere.
Die Polizei war gerade eingetroffen und ließ sich von den Kohls die untere Tür aufschließen, dann gingen die Beamten nach oben und man hörte Rufen und Klopfen: „Frau Kuhl sind Sie da? Machen Sie mal auf, Polizei!“
Das wiederholte sich mehrere Male und dann hörte man ein kurzes Krachen und Splittern, offenbar hatten die Beamten mit einem kurzen Tritt vor das Schloss die Tür aufgebrochen.
Nur wenig später kamen beide Beamten wieder herunter und heraus, der eine übergab sich sofort in die gepflegten Koniferen, der andere telefoniere leichenblass vom Auto aus den Arzt herbei.

Frau Kuhl lag tot im Bett und gammelte schon ein wenig… Aber das war nicht der Grund, der die Beamten so schockiert hatte und der auch dem Arzt wenig später zu schaffen machte.
Tote, auch lang liegende Tote, hat jeder Polizist schon mal irgendwann gesehen, das schockt die nicht. Aber was die so fertigmachte, sah ich dann etwa eine Stunde später selbst mit eigenen Augen.

Ich habe schon viele so genannte Messie-Wohnungen gesehen, aber die meisten von ihnen zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß dort viel zu viel von dreckigem Unbrauchbaren gelagert wird. Die Messies können sich meist von nichts trennen. In Frau Kuhls Wohnung gab es aber gar nicht so viel Zeug, obwohl auch dort alles voller leerer Lebensmittelverpackungen und vor allem leerer Flaschen stand, aber dennoch war das die schlimmste Wohnung, die ich je gesehen habe…

Frau Kuhls Toilette muß bereits vor Jahren zu Bruch gegangen sein, eine quer im Bad und halb in der zerbrochenen Toilettenschüssel liegende Holzleiter zeugte davon. Seitdem hat Frau Kuhl jede nur erdenkliche Ecke ihrer Wohnung zur Verrichtung ihrer Notdurft benutzt. Nicht genug damit, sie hatte auch Wände, Türen, Mobiliar und Auslegeware fingerdick mit Kot beschmiert und der ganze Boden „schmatzte“ von Urin und Kot.

Ich glaube ich muß nicht weiter ins Detail gehen, die paar Sätze dürften genügen, um in jedem das gewisse „Kino im Kopf“ anzufeuern, und jeder wird sich unschwer vorstellen können, wie ekelhaft das Ganze war und wie es dort gerochen hat. Ein unglaublicher Gestank umfing jeden, der die Wohnung betrat und man muß sich nur wundern, daß davon im übrigen Haus nicht noch mehr zu riechen war.

Glücklicherweise hat Frau Kuhl eine Tochter und diese Tochter hat uns auch den Auftrag erteilt und sogleich gesagt: „Ab in die Kiste und sofort einäschern!“
Seit Jahren weigerte sich ihre Mutter, mit ihr Kontakt aufzunehmen und so brachte die Tochter einmal in der Woche eine ALDI-Tüte voll Lebensmittel, stellte die unten vor die Haustüre und verschwand wieder.
„Da war vor drei Jahren mal das Gesundheitsamt, aber die haben gesagt, einmal Putzen reicht und die Mama sei ja nicht gefährlich.“

Und sie sagte: „Ich bin nicht froh, daß meine Mama tot ist, ich habe meine Mama immer so lieb gehabt, aber ich bin froh, daß diese Frau da tot ist, diese Frau, die der Alkohol aus ihr gemacht hat.“
Dann weinte sie und schluchzte. Sie und ihr Mann hätten jahrelang versucht, der Mutter zu helfen, aber die Frau sei immer bösartiger und renitenter geworden. Schließlich habe sie niemanden mehr in die Wohnung gelassen und schließlich habe sich der Kontakt auf das stumme Vorbeibringen von Lebensmitteln beschränkt.
Die Tochter schluchzt wieder auf: „Mama, ich hab dich doch so lieb!“


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Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 28. Mai 2012 | Peter Wilhelm 28. Mai 2012

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43 Kommentare
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Ion
14 Jahre zuvor

Knackig – und das schlimme daran ist, die Kohls haben eine sehr dezente Rechnung vor sich für die Renovierung…

14 Jahre zuvor

Brrrrrrr da läuft es einem echt den Rücken runter.

martin
14 Jahre zuvor

…wenns denn mit renovieren noch zu retten ist! hier gabs mal einen fall, da half nur noch abriss!

14 Jahre zuvor

Trotzdem eine traurige Geschichte.

turtle of doom
14 Jahre zuvor

Ihhhh…

Alleswisser
14 Jahre zuvor

Was mich dabei wundert ist: Hat das nicht in die untere Wohnung heruntergetropft? Selbst wenn der Boden zwischen Erdgeschoss und 1. Stock aus 20cm Beton bestünde ist er ja noch lange nicht 100% dicht. Schon gar nicht wenn er zwei- bis dreimal täglich „berieselt“ wird. Und selbst bei geschlossenen Fenstern müssen die sich entwickelnden Gase ja irgendwohin ausgebreitet haben. Irgendetwas hätten die Vermieter eigentlich ahnen müssen.

Aber leid tun können sie einem allemal – denn wie schon jemand schrieb: Da kann man eigentlich nur noch abreißen. Zumindest den kompletten Dachstuhl. Und dann die Entsorgungskosten, denn freiwillig und kostenlos wird sich keiner in diese Hölle begeben. Die armen Leute sind so gut wie ruiniert.

14 Jahre zuvor

Boah das ist ja mal ekelig. Und sowas hat keiner gerochen? Das muss doch stinken :-/

DerBjoern
14 Jahre zuvor

…und wieder eine Situation mehr in die ich niemals kommen möchte.

14 Jahre zuvor

[img]http://www.finally-i-get-you-all.de/pics/Alcohols.jpg[/img]

turtle of doom
14 Jahre zuvor

@ 6:

Schade nur, dass Frau Kuhl nicht wohlhabend war. Sonst gäbe es bald eine Rechnung zu Handen der Erben.

Vielleicht liesse sich die Wohnung als Museum der etwas anderen Art nutzen. Schliesslich scheinen die Kohls ja nichts besonderes gerochen zu haben.

Christina
14 Jahre zuvor

Naja, einen ‚Vorteil‘ dürften die Exkremente wohl gehabt haben – der Leichengeruch hielt sich bestimmt in Grenzen bzw wurde überdeckt … 🙂

14 Jahre zuvor

Schon beim Lesen hätte mich ja fast der Brechreiz übermannt …

Auch Tom
14 Jahre zuvor

Mit tut ja vor allem die Tochter leid … helfen wollen und nicht können und den Verfall eines geliebten Menschen mitansehen zu müssen … puh! Muß ich noch weniger haben als ’ne versiffte Wohnung.

14 Jahre zuvor

Ja toll. Das Käsebrötchen an dem ich knabberte kann jetzt in die Tonne kloppen *urggh*

14 Jahre zuvor

ok, kein abendbrot.
macht auch schlank.

wie schlimm geht es eigentlich in deutschland zu? ab und an kommt ein artikel in der tagespresse über „messie“ un deren wohnungen…
und über verwahrlosungen trotz naher verwandter.
und immer wieder wundert mich diese hartnäckige verweigerung, mal nach den nachbarn zu sehen.

den hausbesitzern einen vorwurf machen?
oder der tochter?
oder den sozialen mitarbeitern der stadt?
ich kann es nicht entscheiden. und will es auch nicht.

elli
14 Jahre zuvor

Wer macht da eigentlich sauber?

14 Jahre zuvor

Ich weiß schon, weshalb ich keinen einzigen Tropfen Alkohol anrühre.

fuzzy
14 Jahre zuvor

Da hab‘ ich nochmal Glück gehabt. Ich lese nicht oft während des Abendessens den Bestatter. Heute war es soweit und die gute Linsensuppe mit Butterbrot zwei Sätze vor dem „appetitlichen“ Teil komplett im Bauch.

Bitte demnächst Ekelwarnung geben!

Christians Ex
14 Jahre zuvor

Leute zum Saubermachen wirds geben.
Kanalarbeiter haben auch einen vergleichbaren Job und entsprechende Schutzanzüge. Das Problem daran wird der Preis sein.
Mir tun die Vermieter leid.

Debby
14 Jahre zuvor

urgs, ich hab nur den Anfang überflogen, schnell weggeklickt und den Rest nach dem Abendessen gelesen – kluge Entscheidung. Die Kohls tun mir am meisten Leid.

Emz
14 Jahre zuvor

Der Preis für die Entrümpelung, Desinfektion, Säuberung und Renovierung einer komplett vermüllten und verwahrlosten Wohnung – OHNE Exkremente (und keine Messiewohnung!) – inklusive Instandsetzung diverser Türen, Türrahmen, Teile des Sanitärbestandes, etc., beläuft sich bei einer 50 qm Etagenwohnung auf ca. 12000 – 15000 Euro.

14 Jahre zuvor

@Emz – da bist du günstig gefahren. Ich hatte eine saubere Wohnung (96qm)vermietet und bekam sie nach drei Jahren in ähnlichem Zustand zurück wie im Artikel beschrieben. Die Wände waren nicht mit Kot verschmiert, sondern die Rigipswände waren „eingetreten“. Fussgroße Löcher in den Wänden, tote Haustiere (Meersäue, Hamster, Vögel etc.)
Die komplett Renovierung belief sich auf 36,468€ + MwSt.
Aber man kann sich ja seinen Mieter nicht raussuchen

Elle_Driver
14 Jahre zuvor

„Aber man kann sich ja seinen Mieter nicht raussuchen“

Äh….korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Aber ich dachte immer, genau DAS macht ein Vermieter!

eulchen
14 Jahre zuvor

…mein Gott wie furchtbar….dieser verdammte scheiß Alkohol macht so viele Menschen und Familien kaputt…und man kann den Menschen nicht helfen…wenn diese nicht wollen.

Für die Kuhls wird das nun wahrscheinlich auch noch ziemlich teuer.

Ich habe das Gefühl das immer mehr Menschen ihre Probleme und ihren Alltag versaufen. Das geht durch alle Gesellschaftsschichten und fängt vorallem bei Kindern und Jugendlichen
schon an.

echt schlimm

Anonym
14 Jahre zuvor

@23 „Äh….korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Aber ich dachte immer, genau DAS macht ein Vermieter!“

Dann versuch mal, so ein Ferkel wieder loszuwerden, wenn du ihm erstmal gutgläubig eine Wohnung vermietet hast. Hat man als Vermieter praktisch keine Chance, jedenfalls nicht bevor da auch die letzte Wand hinüber ist, und dann sitzt du auf den Kosten.

f-rex
14 Jahre zuvor

@23+25

„Die Kohls konnten Haus und Grundstück günstig erstehen, denn mit dem Erwerb des Hauses war ein lebenslanges Wohnrecht der Frau Kuhl verbunden. Es handele sich um eine ruhige Frau, die niemanden störe…“

Demnach war die Wohnung nicht vermietet.

ein anderer Stefan
14 Jahre zuvor

Hm… Nein, nicht der Alkohol macht die Menschen kaputt, das machen die Menschen. Entweder selber, oder mit „freundlicher“ Mitwirkung anderer Mitmenschen. Jeder Fall liegt da anders, aber es liegt zunächst mal nicht am Alkohol, dass die Menschen vor die Hunde gehen. Abhängigkeit ist ein verdammter Teufelskreis, und wer da wieder raus kommt, kann von Glück sagen. Aber der Anfang ist nicht die Substanz selber, sie ist der Fluchtversuch, vor sich selber oder vor anderen.
Und eh jetzt jemand meint, ich rede schlau daher: Ich hab da meine eigenen Erfahrungen.

eulchen
14 Jahre zuvor

@27 ok dann liegt es an der Sucht an der eigenen Schwäche dem Zeugs nicht widerstehen zu können, weil es so toll schmeckt, weil es im Kopf dreht, oder weil es einen in den Zauberwald schickt, oder warum?

Man kann einfach nicht mehr ran an die Menschen, man kann ihnen nicht helfen. Und wenn Kids schon saufen aus Gaudi oder als Mutprobe dann ist das doch einfach nur furchtbar.

14 Jahre zuvor

Sucht ist ein Symptom, nicht die Ursache. Bitte nicht verwechseln.

Wenn man Sucht bekämpfen will, muss man die Ursache bekämpfen. Tut man das nicht, wird man auch die Sucht nicht bekämpfen können.

Wohnungen wie die beschriebene kenne ich aus meinem „Jobleben“ leider auch. Und hier jetzt eindeutig Spoiler: Es wird eklig:

Der schlimmste Fall war der einer alkoholkranken Frau, die hilflos in der Wohnung lag. Natürlich voll mit Exkrementen, die Kakerlaken liefen über die Wände, diverses anderes Viechzeug auch.
Und die Frau selbst war mit Maden befallen. Lebendig.

Der Notarzt durfte dann neben mir die Blumen füttern. Es gibt Bilder, die bekommt man nicht aus dem Kopf 🙁

14 Jahre zuvor

@ 27, anderer Stephan, Du schreibst: [Quote]Aber der Anfang ist nicht die Substanz selber, sie ist der Fluchtversuch, vor sich selber oder vor anderen.[/Quote]
Ja, das ist oft so, nur mal Abschalten wollen von der Wirklichkeit, das grübelnde Gehirn ausschalten, weil man nicht mehr anders weiter weiß.
Leider sehe ich immer öfter auch die andere Seite: Jugendliche, die denken, Saufen können wäre „Stärke“; emanzipiert sein wollende Mädels, die ungeachtet ihres Körperbaus mit dem Alkoholkonsum der pubertierenden Jungs mithalten wollen. Dazu kommen leider noch Leute, die ernsthaft denken, nur mit Allohol wärs wirklich lustig. Traurig ist das!

Sensenmann
14 Jahre zuvor

[quote]“Ich bin nicht froh, daß meine Mama tot ist, ich habe meine Mama immer so lieb gehabt, aber ich bin froh, daß diese Frau da tot ist, diese Frau, die der Alkohol aus ihr gemacht hat.“[/quote]

Harte Worte – aber ich kann die Tochter verstehen…

MacKaber
14 Jahre zuvor

Ein Freund von mir hatte auf seinem Bauernhof aus Mitleid einen Herrn als Dauerpensionär aufgenommen. Als dieser im Alter auch so wie hier geschildert wurde, sogar noch mit einem Pfund in der Hose herumlief, begann er auch anderen Kurzzeitgästen aufzufallen. Er bettelte sie sogar um Geld für ein Bier an. Da versuchte er über die Behörden einen Heimplatz für ihn zu finden. Es war eine lange Odyssee. Er hatte den Eindruck, die auf dem Amt glauben, er hätte jahrelang von ihm profitiert, und nun wolle er seinen Mieter schnell abschieben.

look like death warmed up
14 Jahre zuvor

Fragt Euch doch mal ganz ehrlich, wie unsere Gesellschaft zu Alkohol steht, und dann habt Ihr die Antwort auf viele Fragen. Sogar Raucher werden viel mehr verteufelt als Alkoholtrinker. Das macht ja schließlich jeder. Und schlimmer noch: Als Nicht-Trinker, sprich: Alkohol-Verweigerer, wird man gerne als unsoziales, stimmungsfeindliches Wesen denunziert.
Trinken muss jeder, ob er will oder nicht. Kein Wunder, dass viele Leute ernste Probleme damit kriegen und (viel) zu vielen erstmal der Alkohol einfällt, wenn sie überlegen, wie sie ihre Probleme loswerden.
Und die saufenden Kinder sind wohl kaum das Produkt eines vernünftigen, gesellschaftlichen Vorbildes in punkto Alkohol.
Die ganze Gesellschaft ist total krank und unreflektiert, was den Alkohol angeht.

sipping-on-soda
14 Jahre zuvor

Es gibt ein unglaublich „schönen“ Roman zum Thema Messie und Verwahrlosung. Sehr poetisch und einfühlsam und voller Wortwitz aus der Sicht eines Mädchens geschrieben, so das einem das Ausmaß des Ganzen, was da eigentlich in der Familie passiert, erst während des Lesens Stück für Stück bewußt wird und einen die Schwere erst am Ende einholt: Axel Brauns, „Kraniche und Klopfer“

turtle of doom
14 Jahre zuvor

@ 34:

Danke für den Lesetipp. Ich kenne Axel Brauns bislang nur als Autist… „Buntschatten und Fledermäuse“. Von diesem Buch wurde ich gefesselt, verfolgt… es faszinierte mich.

Tschuliaen
14 Jahre zuvor

Ich arbeit beim Rettungsdienst und ich durft auch mal in so ner ähnlichen Wohnung jemanden abholen, nur hat der selbstverständlich noch gelebt.
Der hatte auch grad überall hingeschi… wo er grad stand. Da blieb auch sein Schlafsofa nicht davon verschont. Davon, dass es ihm sogar noch braun das Bein runterlief, will ich nun garnet weiter erzählen…

katharina
14 Jahre zuvor

„daß ALDI billigen Fusel verkauft und ihnen die BILD immer schön die Welt erklärt“, das sind so halbsätze, die man sich doch wirklich auch einfach sparen kann. vor allem rücken sie den verfasser auch nicht gerade in ein schmeichelhaftes licht. warum hat man es nötig menschen, die offenbar eh schon am boden sind, noch immer wieder mit solchen sprüchen abzuwerten? vielleicht sind solche sprüche sehr viel näher am bildniveau, als die ansichten der dadurch denunzierten?

yemina
14 Jahre zuvor

In meiner Krankenhaustätigkeit erlebte ich eine eingelieferte Frau,der die Maden aus der Scheide krochen.Ein nicht zu vergessendes Bild……

Alex II
14 Jahre zuvor

Wobei Alkohol zwar üblicherweise nicht grade zu perfekt sauberen und aufgeräumten Wohnungen führt, aber sowas ist nicht wirklich normal, auch nicht für die einer Vollzeit-Alkoholikerin. Auch das Verhalten ist mit ziemlicher Sicherheit nicht wirklich nur auf Alkohohl zurückzuführen; irgendwas anderes war da auch noch dabei. Kleine Demenz vielleicht; das Problem haben wir auch grade im Haus. Äußerst zweifelhafte persönliche Hygiene, und gelegentlich ein ausgesprochen heftiges Sozialverhalten. Aber die Tochter beeilt sich nicht grade, ihren Vater in ein Heim zu stecken – dann wären die paar Hundert Euro, die sie im Monat von ihm bekommt (für nix, übrigens; kümmern dürfen sich die Nachbarn) nämlich weg. Apropos Heim: Ich bin ja auch immer dafür, daß die Leute so lange wie möglich in der gewohnten Umgebung bleiben können. In unserem Falle fangen aber langsam nächtliche Wanderungen zur alten Arbeitsstelle statt, die über eine vielbefahrene Straße führen, weil er da „noch etwas zu erledigen hat“. Da wirds dann kritisch. Und vor allem: Mach mal was, als Nachbar, wenn da Verwandte sind, die nix tun wollen. Dann kann man nur… Weiterlesen »

ein anderer Stefan
14 Jahre zuvor

@ 28 Eulchen: wie gesagt, jeder Fall ist anders. Ich würde aber generell zwischen Komasaufenden Jugendlichen und alkoholkranken Erwachsenen unterscheiden wollen. Nicht jeder, der sich in jugendlichem Alter bis zu Besinnungslosigkeit besäuft, wird alkoholkrank – allerdings kann es der Einstieg sein. Die Ursachen liegen in jedem Menschen selber, womit nicht gesagt ist, dass der Mensch das unbedingt selber unter Kontrolle hat. Alkohol ist nun mal eine legale Droge, die gesellschaftlich akzeptiert ist. Ein verantwortungsbewußter Umgang damit kann unter Umständen Erkrankungen vorbeugen. Suchterkrankungen haben aber i.d.Regel tieferliegende Ursachen, die Substanz ist dann der Auslöser, nicht die Ursache. Ansonsten würde ja jeder, der Alkohol trinkt, automatisch abhängig.
Alkohol zu verteufeln bringt nichts, damit wird außer einer Stigmatisierung der Kranken nichts erreicht.

14 Jahre zuvor

33 schrieb: „Als Nicht-Trinker, sprich: Alkohol-Verweigerer, wird man gerne als unsoziales, stimmungsfeindliches Wesen denunziert“

Das kann ich so unterschreiben. Ich trinke gern mal ein Glas Scotch, auch ab und an mal 1-2 Bierchen, aber halte mich bei kollektiven Besäufnissen eher raus. Da hat man dann ganz schnell den Ruf des Langweilers weg… Ich kann aber auch saufen ohne Spaß zu haben! So! 😉

Und zu der Wohnung: Während meiner ersten Ausbildung hatte ich ein ähnliches Erlebnis im Aussendienst beim Sozialamt. Da sind wir auch in so eine Bude reingekommen, der Mieter lebte allerdings noch… Und da war es eigentlich nur im Schlafzimmer so extrem. Auf dem Bett waren zig Lagen Zeitungspapier zu einer mehr oder weniger festen Masse zusammengebacken. Den Rest kann man sich selber denken… Schlimm sowas.

Me
14 Jahre zuvor

@34: Den Roman habe ich gerade vorgestern zu Ende gelesen und er fiel mir auch als erstes ein, als es hier zum Thame wurde. Ich möchte den Roman auch empfehlen, zumal er die ganze Sache wirklich intensiv betrachtet. Aber keine leichte Kost…

Es hilft zum Verständnis der Sprache des Autors, wenn man seinen autobiographischen Roman „Buntschatten und Fledermäuse“ vorher gelesen hat.

sipping-on-soda
14 Jahre zuvor

@42 ich kannte den vorgängerroman nicht. hatte mich am anfang etwas über die „schräge“ sprache gewundert. axel brauns ist für mich ein ganz einmaliger autor, wie er seelischen schmerz, piss-ecken, müllberge, verwahrlosung und schläge so lichtvoll, zart und voller unschuld beschreiben konnte …das hat mich echt umgehauen

@35 mich verfolgt der auch 🙂




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