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Mama, ich hab Dich lieb!

Herr Kohl, Frau Kohl und Frau Kuhl wohnen in einem Haus.
Also nochmals: Da gibt es das Ehepaar Kohl und die alleinstehende Frau Kuhl. Einmal mit o und einmal mit u. Auch wenn die Namen fürs Weblog verändert wurden, sie sind wirklich so ähnlich und solche Zufälle gibt es eben.
Das Ehepaar Kohl hat das Haus vor acht Jahren gekauft und inzwischen großzügig renoviert und man hat auch weitläufig angebaut. Ursprünglich war es ein normales Zweifamilienhaus, wie man es so aus dem dörflichen Bereich kennt. Unten eine Wohnung, oben eine Wohnung. Die Kohls haben aber hinten angebaut und sich dort auch einen eigenen Eingang geschaffen. Die Eingangstür des Vorderhauses wird also nur noch von Frau Kuhl benutzt, die oben wohnt.

Die Kohls konnten Haus und Grundstück günstig erstehen, denn mit dem Erwerb des Hauses war ein lebenslanges Wohnrecht der Frau Kuhl verbunden. Es handele sich um eine ruhige Frau, die niemanden störe…

Nun, Frau Kuhl stört auch niemanden, sie ist nicht laut. Aber sie säuft, wäscht sich nicht, wäscht nicht, putzt nicht und bringt auch keinen Müll runter. Man kann sich vorstellen, wie es im Vorderhaus riecht und daß da so manches „Un“ herumgeziefert.

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Wenn überhaupt, dann bekommt man Frau Kuhl nur ganz kurz zu sehen, nämlich nur in den wenigen Momenten, die es dauert, das Haus zu verlassen oder zu betreten, ansonsten verschwindet sie gleich rechts herum in den Stadtwald und läuft bis zum Nachbarort, um dort die ganzen Tage mit gleichgesinnten Trinkern und Trinkerinnen auf einer Parkbank zu verbringen. Ich glaube jede Stadt hat solche Plätze, Treffpunkte der Gescheiterten, die glücklich sind, daß ALDI billigen Fusel verkauft und ihnen die BILD immer schön die Welt erklärt.

Daß es mit Frau Kuhl so kommen würde, das war vor acht Jahren nicht abzusehen, sonderlich war sie immer, aber eben nicht so sonderlich wie jetzt. Natürlich sind die Kohls mit der Situation nicht zufrieden, können und wollen aber nichts dagegen unternehmen und warten einfach nur darauf, daß die „gruselige Alte“ eines Tages mal stirbt und man dann oben alles neu machen lassen kann; das soll ja mal für die Enkel sein…

Nun denn, gestern Abend rief mich Herr Kohl an, wir sollen doch mal bitte kommen, er glaube die Frau Kuhl sei tot: „Wir haben sie seit vier Tagen nicht mehr gesehen, kann auch schon eine Woche sein, und es riecht jetzt schon draußen neben dem Haus so süßlich…“

Ich riet ihm, die Polizei zu verständigen und bin dann doch mal dorthin gefahren, schon allein um Herrn Kohl, der stellvertretender Bürgermeister ist, zu zeigen, daß ich mich kümmere.
Die Polizei war gerade eingetroffen und ließ sich von den Kohls die untere Tür aufschließen, dann gingen die Beamten nach oben und man hörte Rufen und Klopfen: „Frau Kuhl sind Sie da? Machen Sie mal auf, Polizei!“
Das wiederholte sich mehrere Male und dann hörte man ein kurzes Krachen und Splittern, offenbar hatten die Beamten mit einem kurzen Tritt vor das Schloss die Tür aufgebrochen.
Nur wenig später kamen beide Beamten wieder herunter und heraus, der eine übergab sich sofort in die gepflegten Koniferen, der andere telefoniere leichenblass vom Auto aus den Arzt herbei.

Frau Kuhl lag tot im Bett und gammelte schon ein wenig… Aber das war nicht der Grund, der die Beamten so schockiert hatte und der auch dem Arzt wenig später zu schaffen machte.
Tote, auch lang liegende Tote, hat jeder Polizist schon mal irgendwann gesehen, das schockt die nicht. Aber was die so fertigmachte, sah ich dann etwa eine Stunde später selbst mit eigenen Augen.

Ich habe schon viele so genannte Messie-Wohnungen gesehen, aber die meisten von ihnen zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß dort viel zu viel von dreckigem Unbrauchbaren gelagert wird. Die Messies können sich meist von nichts trennen. In Frau Kuhls Wohnung gab es aber gar nicht so viel Zeug, obwohl auch dort alles voller leerer Lebensmittelverpackungen und vor allem leerer Flaschen stand, aber dennoch war das die schlimmste Wohnung, die ich je gesehen habe…

Frau Kuhls Toilette muß bereits vor Jahren zu Bruch gegangen sein, eine quer im Bad und halb in der zerbrochenen Toilettenschüssel liegende Holzleiter zeugte davon. Seitdem hat Frau Kuhl jede nur erdenkliche Ecke ihrer Wohnung zur Verrichtung ihrer Notdurft benutzt. Nicht genug damit, sie hatte auch Wände, Türen, Mobiliar und Auslegeware fingerdick mit Kot beschmiert und der ganze Boden „schmatzte“ von Urin und Kot.

Ich glaube ich muß nicht weiter ins Detail gehen, die paar Sätze dürften genügen, um in jedem das gewisse „Kino im Kopf“ anzufeuern, und jeder wird sich unschwer vorstellen können, wie ekelhaft das Ganze war und wie es dort gerochen hat. Ein unglaublicher Gestank umfing jeden, der die Wohnung betrat und man muß sich nur wundern, daß davon im übrigen Haus nicht noch mehr zu riechen war.

Glücklicherweise hat Frau Kuhl eine Tochter und diese Tochter hat uns auch den Auftrag erteilt und sogleich gesagt: „Ab in die Kiste und sofort einäschern!“
Seit Jahren weigerte sich ihre Mutter, mit ihr Kontakt aufzunehmen und so brachte die Tochter einmal in der Woche eine ALDI-Tüte voll Lebensmittel, stellte die unten vor die Haustüre und verschwand wieder.
„Da war vor drei Jahren mal das Gesundheitsamt, aber die haben gesagt, einmal Putzen reicht und die Mama sei ja nicht gefährlich.“

Und sie sagte: „Ich bin nicht froh, daß meine Mama tot ist, ich habe meine Mama immer so lieb gehabt, aber ich bin froh, daß diese Frau da tot ist, diese Frau, die der Alkohol aus ihr gemacht hat.“
Dann weinte sie und schluchzte. Sie und ihr Mann hätten jahrelang versucht, der Mutter zu helfen, aber die Frau sei immer bösartiger und renitenter geworden. Schließlich habe sie niemanden mehr in die Wohnung gelassen und schließlich habe sich der Kontakt auf das stumme Vorbeibringen von Lebensmitteln beschränkt.
Die Tochter schluchzt wieder auf: „Mama, ich hab dich doch so lieb!“

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