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Rockerbeerdigung mit heidnischen Ritualen

Lieber Peter Wilhelm,
neulich war ich mit meiner Familie in einem Biergarten (bei München) und bin auf der Suche nach dem WC etwas unvermittelt in eine Biker-Trauerfeier geraten, die in der benachbarten Halle stattfand.
Ca. 200 Rocker hatten sich dort in voller Montur versammelt und huldigten einem verstorbenen Kameraden.
Der Tote war im (geschlossenen) Sarg aufgebahrt und allem Anschein nach wurde gerade ein club-spezifisches heidnisch-paganistisches Abschiedsritual durchgeführt, welches neben germanischen Todesrunen auch den intensiven Konsum von Alkohol beinhaltete.
Genaue Details habe ich nicht mitbekommen: Meine Pietätsgefühl und – zugegebenermaßen- vor allem die Angst von einem der Anwesenden für einen unerwünschten „Spanner“ gehalten zu werden haben mich dazu bewogen die Veranstaltung schnell wieder zu verlassen.
Die eigentliche Beisetzung – so wurde mir gesagt – fand im Anschluss anonym statt. Angeblich entspricht es der Tradition des Clubs, dass der Grabstein leer bleibt bzw. die Insignien des MCs trägt. Scheinbar gibt es auf dem Friedhof wohl auch irgendeinen Winkel, wo schon verschiedene „Members“ beigesetzt wurden, möglicherweise auch eine Art Gemeinschaftsgrab o.ä. So genau wusste es niemand und ich wollte auch nicht zu neugierig sein…
Ich muss zugeben, dass die ganze Sache bei mir einen starken, bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Im Nachhinein beschäftigen mich v.a. auch die folgenden Fragen:

  • 1) Ist es möglich einen Toten einfach „irgendwo“ aufzubahren? Ich dachte immer die Aufbahrung müsse entweder unmittelbar nach dem Tod im Haus des Verstorbenen, oder in einer dafür geeigneten Lokalität (Bestattungsinstitut, Aussegnungshalle, Kirche etc.) stattfinden.
  • 2) Gibt es eine „wirklich anonyme“ Erdbestattung d.h. kann man einer Verstorbenen auch im Sarg so beisetzen lassen, dass Zeit und Ort der Beisetzung nicht bekannt sind?
  • 3) Kann man ein Grabstein einfach leer lassen oder irgendetwas darauf schreiben bzw. ein Logo oder eine Rune darauf abbilden? Oder muss auf dem Grabstein den Namen des Verstorbenen genannt werden?
  • 4) Könnte man sich als Biker-Club (oder von mir aus auch als Kegelverein…) ein Gemeinschaftsgrab nehmen auf dem dann nach und nach die einzelnen Mitglieder bestattet werden oder ist das nur für „echte“ Familien möglich?
  • 5) Bestünde theoretisch die Möglichkeit eines „privaten“ anonymen Grabes, also einer Grabfläche, die von einem bestimmten Verein (oder von mir aus auch von einer bestimmten Glaubensgemeinschaft) angemietet wird und auf der die einzelnen Mitglieder dann anonym beigesetzt werden?
  • 6) Wie viele Särge/Urnen können an so einer Stelle beigesetzt werden?

Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Du meine Fragen auf die eine oder andere Weise beantworten könntest. Wie ich in Deinem Blog nachlesen konnte hast Du ja auch schon selbst Erfahrungen mit Rocker-Beerdigungen gemacht. Hast Du ähnliche Rituale schon erlebt, oder sind Dir solche anonymen Bikergräber schon mal untergekommen?
Ansonsten vielen Dank für Deine wunderbare Seite, die in den unendlichen Weiten des Internets ihresgleichen sucht.
Danke und liebe Grüße
M

Rockerbeerdigungen haben immer etwas ganz Besonderes. Ich habe diese immer gerne ausgerichtet. Was auf manche martialisch und derb wirkt, ist der Ausdruck einer besonderen Form der Kameradschaft.
Die weitaus meisten Bikergruppen, MC, Chapters, Charters und Clubs sind weder böse Rocker, noch Verbrecherbanden, die mit großer krimineller Energie Schandtaten begehen.
Manchmal ist die Außenwirkung, durchaus beabsichtigt, düsterer als die Seele der Menschen, die da in gemeinsamem Interesse vereint sind.

Man braucht als Normalbürger auch keine Angst vor Rockern zu haben. Insbesondere bei den inszenierten Beerdigungen möchten diese Leute natürlich ebensowenig gestört werden, wie jeder andere auch. Aber daß andere Menschen davon etwas mitbekommen, Zeuge der Abläufe werden und neugierig schauen, das ist nichts Ungewöhnliches und wird auch keinen Ärger nach sich ziehen.

1. Theoretisch ist es möglich, einen Verstorbenen im verschlossenen Sarg überall aufzubahren, sofern dafür eine Genehmigung der Ordnungsbehörde und des Gesundheitsamtes vorliegt. Näheres verrät das jeweilige Landesbestattungsgesetz.
Im Allgemeinen ist das aber nicht ohne weiteres möglich und auch nicht erwünscht. Da Rockerbeerdigungen oft Großveranstaltungen gleichen, gewährt man hier oft schon aus logistischen Gründen eine Ausnahme.

2. Angesichts der Möglichkeit, Urnen anonym beisetzen zu lassen, wird von der Möglichkeit der anonymen Sargbestattung wenig Gebrauch gemacht. Aber viele Friedhöfe bieten auch hierzu die Möglichkeit. Etwas sehr Besonderes ist das nicht.

3. Selbstverständlich ist es jedem freigestellt, ob er einen Grabstein mit oder ohne Inschrift auf das Grab stellt. Auskunft, was erlaubt ist, gibt die jeweilige Friedhofsordnung. So gibt es Gräberfelder auf denen beispielsweise „naturbelassene Steine mit aufgesetzter Namensinschrift aus metallenen Buchstaben“ vorgeschrieben sind. Hier hätte man schlechte Karten, wollte man sich nicht daran halten. Aber es gibt beinahe auf jedem Friedhof Stellen, an denen man auch ohne oder mit leerem Grabstein bestattet werden kann.

4. Es müssen nicht zwangsläufig Blutsverwandte sein, die in ein Grab kommen. Man denke nur an Patchwork-Familien, wo irgendwie keiner mehr mit irgendwem verwandt ist…

5. Es gibt solche Friedhöfe und Grabflächen in zunehmender Zahl. Auf manchen Friedhöfen gibt es Felder nur für Lesben und auf anderen Feldern werden nur Mitglieder eines bestimmten Sportvereins bestattet.

6. Die Zahl der Urnen, die an einer Stelle beigesetzt werden können, ist allein durch den Platz und die Vorgaben der Friedhofsverwaltung begrenzt. Hier gibt es nahezu alle Spielarten.


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Deshalb stehen über 4.000 Artikel in dieser Rubrik hier. Nach und nach, so wie ich die Zeit finde, räume ich hier auf.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 17. Juni 2015 | Peter Wilhelm 17. Juni 2015

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wool
8 Jahre zuvor

Bei solchen Fragen muss ich immer schmunzeln und mich ärgern zugleich. Denn durch die einseitige Berichterstattung der Käsepresse (und dazu zähle ich inzwischen so gut wie alle Medienvertreter) gibt es beim „Normalbürger“ – was „normal“ auch immer bedeuten mag – nur noch dieses eine Bild des mordenden, Drogen und Menschen schmuggelnden Rockers. Die überaus vorsichtige Beschreibung: [zitat] … Nicht alle Bikergruppen, MC, Chapters, Charters und Clubs sind böse Rocker… [/zitat] muss insofern berichtigt werden, dass es lauten muss: „… Die MEISTEN Bikergruppen… sind keinen bösen Rocker…“. (google mal nach: 1-Prozenter) Ich bin selbst in einem MC und bei den Meisten in „der Szene“ (über 90%) bin ich mir sicher, dass die ihrem Job nachgehen (Handwerker, Angestellte, Selbstständige, Studenten), Steuern bezahlen und ihre Familie ernähren ohne Morde zu begehen und/oder Drogen zu verkaufen/schmuggeln. Ja es wird ein Problem normalerweise direkt und ohne Polizei geregelt, aber wenn Du jemanden dumm anmachst, dann passiert es Dir auch bei einem x-beliebigen Typen von der Straße, dass er Dir deine Schranken weist. Im Grunde sind wir ein Typ Mensch der… Weiterlesen »

M
8 Jahre zuvor

Welche der Fragen von 1. -6- verleitet Dich den bitte aus welchem genauen Grund zum Schmunzeln? Und welche Frage von 1.-6 führt den bitte dazu, dass Du Dich – warum auch immer – irgendwie ärgern musst? Ich bitte um eine Erklärung! Hast Du das Post überhaupt gelesen? Darin ist mit KEINEM Wort von Drogen, Mord, Menschenschmuggel o.ä. die Rede und es gibt KEINERLEI Anhaltspunkte dafür, dass dem beschriebenen MC irgendeine Art von kriminellen Machenschaften zugeschrieben wird. Diese Dinge hast DU mal so eben in den Text hineininterpretiert und deswegen brauche ich von DIR auch bestimmte keine Beleherungen darüber das „Normalbürger“ zu blöd sind sich mit irgendwelchen Medienberichten kritisch auseinanderzusetzten… Schön, dass Du hier versucht uns Die Welt der Motoradclubs im allgemeine zu erklären, aber glaub mir – soooooo schwer zu verstehen ist das alles nun auch wieder nicht. Ich fühle mich da irgendwie an diese unsäglichen Wacken-Reportagen erinnert, in denen die Medien jedes Jahr aufs neue mit der exklusiven Erkenntnis aufwarten, dass Heavy- Metall- Fans ja eigentlich ganz harmlos sind – als ob irgendjemand irgendetwas… Weiterlesen »

wool
Reply to  M
8 Jahre zuvor

@M: Ich habe mich da wohl von „heidnischen Ritualen“ in Kombination mit dem „bösen Rocker“ zu einer Meinungsäußerung hinreißen lassen, die mit Deinen Fragen nichts zu tun hat. Die hat ja Tom bereits beantwortet, somit ist dem nichts hinzuzufügen.

Das ein Text immer von dem interpretiert wird der ihn liest, sollte Dir auch bekannt sein.

M
Reply to  wool
8 Jahre zuvor

@wool: Das ist OK und grundsätzlich finde ich Dein Apell für Unvoreingenommenheit und gegen mediale Volksverdummung ja auch wirklich gut!
Im Übrigen war die Bezeichnung „heidnisches Ritual“ von mir (und ich glaube auch von TOM) in keiner Weise abwertend gemeint. Viele Anhänger paganistischer Strömungen bezeichnen sich selbst als (Neo)heiden und insofern ist die Bezeichnung nicht wertend, sondern lediglich beschreibend.
Ein Ritual mit germanistischen Todesruhnen und „Walhalla“-Rufen ist nun mal „heidnisch“ – genauso wie ich eine Aussegnung mit Kreuz und Weihwasser „christlich“ ist.
Als toleranter Mensch habe ich mit den „Modernen Heiden“ prinzipiell auch kein Problem. Leider gibt es da halt gewisse personelle Überschneidungen mit der extremen Rechten und die braunen Kammeraden mag ich eben weniger gern…

8 Jahre zuvor

Ich bin ja nur verantwortlich für das, was ich sage, nicht für das, was andere dann verstehen.




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