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Frag den Bestatter

Leichenschändung und Hygiene

Sehr geehrter Bestatter Tom!
Meine Mutter verstarb mit 89 Jahren im Januar 2015.
Mir fiel auf,das in der Leichenhalle auf dem Sarg ein Glasdeckel war.
Die Bestatterin meinte,es sei aus hygienischen Gründen. Meine Mutter hatte jedoch keine ansteckende Krankheit gehabt. Als meine Oma im Jahr 1975 verstarb, da war damals kein Glasdeckel auf dem Sarg.
(Und das war in der gleichen Leichenhalle auf dem Dorf)
Ist das heutzutage in ganz Deutschland so, dieser Glasdeckel? Ich finde das nicht gut. Gerade bei der letzten Verabschiedung hätte ich noch gerne meiner Mutter einen letzten Kuss auf die Wange gegeben und noch ein paar Blumen mit in den Sarg gelegt.
Warum muss dieser Glasdeckel sein?
Und noch was: Früher bekam man den Schlüssel zur Leichenhalle; heute nicht mehr, der Bestatter ging mit und wartete. Hat das was mit zu tun, weil es schon abscheuliche Dinge wie Leichenschändung gab ;das heute so vorgegangen wird?
Traurig!
Danke für Ihre Antwort
es grüßt Sie freundlich
R

leertaste

Es ist eher ungewöhnlich, daß ein Bestatter einen Sarg mit einem Glasdeckel bzw. mit einer Acrylglashaube abdeckt.
So etwas geschieht beispielsweise, wenn ein Sargkühlungsgerät zum Einsatz kommt.
Auf modernen Friedhöfen gibt es vielfach schon Kühlanlagen für die Aufbewahrungszellen. Auf älteren Friedhöfen gibt es das nicht. Je nach Zustand des verstorbenen Menschen (Vorerkrankung, Todesursache, Medikamente usw.) kann es notwendig werden, den Leichnam vorübergehend bis zur Sargschließung zu kühlen. Hierfür gibt es Sargkühlanlagen, in die der offene Sarg komplett hineingeschoben wird. Die Sicht auf den Verstorbenen wird durch eine Plexiglashaube ermöglicht. Im unteren Bereich des Kastens befindet sich das Kühlaggregat.

Sargkühlung: Der Sarg offene oder geschl. Sarg wird in den sogenannten "Schneewittchensarg" hineingeschoben und gekühlt. © Rauschenbach.de

Sargkühlung: Der Sarg offene oder geschl. Sarg wird in den sogenannten
„Schneewittchensarg“ hineingeschoben und gekühlt. © Rauschenbach.de

Es gibt aber auch Geräte, bei denen Kühlkissen, wenn man es mal so nennen will, direkt unter den Verstorbenen bzw. in den Sarg gelegt werden. Damit die Kälte auch im Sarg bleibt, wird auch hier oft mit einer durchsichtigen Abdeckung auf dem Sarg gearbeitet.


Bei anderen Modellen wir die Kaltluft über Schläuche in den Sarg geleitet.

Modernes Sargkühlherät der Firma Hopf. © hopf-online.com

Modernes Sargkühlherät der Firma Hopf. © hopf-online.com

1975 ist jetzt 40 Jahre her. Zur Zeit des Todes Ihrer Großmutter gab es solche Kühlanlagen in dieser Form noch nicht.

Es ist keine Vorschrift, eine solche Abdeckung über dem Sarg zu verwenden und das ist auch nicht in ganz Deutschland so.
Durchaus kann es sein, daß der Zustand der Verstorbenen nach Ansicht des Bestatters eine direkte körperliche Abschiednahme nicht möglich machte und deshalb auch ohne Kühlung eine Haube verwendet wurde.
Der Bestatter kann am besten beurteilen, ob eine offene Aufbahrung mit direktem Körperkontakt bei der Abschiednahme möglich ist.
Empfindet man die Kunstglashaube als Hemmnis, kann man selbstverständlich den Bestatter bitten, sie vorübergehend zu entfernen.

Es sind mir aus den letzten Jahren keine nennenswerten Fälle von Leichenschändung bekannt, die sich nicht hinterher als urbane Legende herausgestellt hätten.
Es gibt Nekrophile, ohne Frage, doch sind Gelegenheiten und Möglichkeiten höchst selten. Auch ist die Zahl derer, die diese Sexualpräferenzstörung haben, sehr gering.
Leichenhallen wurden eigentlich schon zu allen Zeiten abgeschlossen. Das tut man weniger aus Angst vor Nekrophilen, sondern vielmehr, um die Totenruhe zu gewährleisten.
Betrunkene, Übermütige und zu Dummenjungenstreichen bereite Personen könnten sonst auch die Leichenhallen zum Ziel dummen Treibens machen.
Auch will man sicherstellen, daß kein Wandalismus stattfinden kann und daß nichts aus den Leichenhallen und von den Verstorbenen gestohlen wird.

In kleinen Dorfgemeinden habe ich es schon kennengelernt, daß jede Trauerfamilie vom Leiter des Grünflächen- und Friedhofsamtes einen Schlüssel für das Friedhofstor und die Leichenhalle bekam.
In größeren Kommunen, aber ansonsten auch fast überall, ist das aus logistischen Gründen nicht möglich.
Hier haben die Friedhofsmitarbeiter und die Bestatter einen Schlüssel zu treuen Händen erhalten und können diesen nicht weitergeben. Der Verlust eines solchen Schlüssels, der oft Bestandteil einer sehr kostspieligen Schließanlage ist, wäre eine teure Angelegenheit.

Der Bestatter hat Ihnen aber doch den Zugang zur Verstorbenen ermöglicht und geduldig gewartet, bis Sie Abschied genommen haben.
Hätten Sie Ihren Wunsch, die Verstorbene berühren zu wollen und Blumen in den Sarg zu legen geäußert, dann wäre dies bestimmt auch möglich gewesen.


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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 16. Juni 2015 | Peter Wilhelm 16. Juni 2015

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4 Kommentare
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Josef
8 Jahre zuvor

@ Peter
Solche Kühltruhen kenne ich auch, in unserer Gegend standen sie meistens auf den Friedhöfen in den Dörfern, auf einem besonders alten Friedhof in der Stadt hatten wir aber auch ein paar davon. Dein Service ist wirklich super, sehr anschaulich und begreifbar erklärt, und Du gibst sogar noch Tipps zur Bedienung des Computers. Deine Detailverliebtheit erstaunt mich immer wieder, mit wieviel Liebe Du die Tastatur gezeichnet hast, alle Achtung!
Einen schönen Tag noch!

Ragnar
8 Jahre zuvor

Danke für Ihre näheren Infos !
Leider war es jedoch so, dass die zuständige Bestatterin sich weigerte, den Glasdeckel
vom Sarg abzuheben.
Ich bin froh,das ich wenigstens vorher, als meine Mutter noch im Krankenhaus war,
mich verabschiedet habe.

Ich habe nun nach den Satzzeichen ordnungsgemäß eine Leerzeile gemacht, ich denke das man das nun gut lesen kann.
Wer bezüglich der Glasdeckel, Kühlung auch Näheres über die früheren Zeiten weiß, der kann mir auch darüber hier Details schreiben.
Dankeschön !

Josef
Reply to  Ragnar
8 Jahre zuvor

@Ragnar:
Der Deckel der Kühlung ist nur am Stück abnehmbar, die Bestatterin hätte es wahrscheinlich nicht alleine geschafft! Vielleicht mochte sie dich nicht um Hilfe bitten, weil ihr das unpassend erschien, und wenn kein anderer Mitarbeiter verfügbar ist, ging es zu diesem Zeitpunkt leider nicht. Man hätte aber zu einem späteren Termin einen Helfer mitbringen können um den Abschied nach Deinen Wünschen zu gestalten. Zu den Schneewittchen Kühltruhen und anderen transportablen Alternativen hat Peter schon alles gesagt, das einzig neue was ich Dir noch mitteilen kann, ist das es in unserer Gegend auch Schneewittchen Kühltruhen ohne Deckel gab, wahrscheinlich uralt. Um sich noch umfassender zu informieren, würde ich auf die Seiten von den Firmen: Birker, Hopf oder Spalt gehen, für andere Kühlungsarten wie etwa zu Beispiel Tablett Kühlanlagen wie sie in Krankenhäusern oder in der Gerichtsmedizin zum Einsatz kommen, kann man auf die Seiten von Thalheimer oder Funeralia zu greifen. Ich hoffe dass ich ein bisschen helfen konnte!
Liebe Grüße, Josef

Reply to  Ragnar
8 Jahre zuvor

@Ragnar: Leerzeichen nicht Leerzeile 🙂




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