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Roland bescheisst

orgel

„Roland, Du bist ein ganz ausgekochter Spelunke!“

Das sagt Julia, die Schwester dieses besagten Rolands und haut mit der Faust auf den Tisch. Dann sagt sie: „Papa ist tot und Du weißt genau, wie die Absprache mit Papa war. Wer die Beerdigung bezahlt, der kriegt das Haus hier und wer das Grab pflegt und den Grabstein kauft, der bekommt das Wochenendhaus am Brunzseicher-See.“

„Ja und?“ fragt Roland gelangweilt zurück: „Jetzt krieg ich eben beide.“

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„Du Arsch!“

„Selber Arsch, aber zu Dir Emanze muß man ja Ärschin sagen.“

Die beiden zanken sich noch ein paar Minuten, ich lasse sie gewähren, sonst erfährt man ja nichts. Dann bremse ich sie aus, lasse sie mal wieder etwas zur Ruhe kommen und tatsächlich gelingt mir das auch sehr gut.

Roland nimmt einen Becher voller Kugelschreiber, wirft ihn nach seiner Schwester die sich bückt und um Hilfe ruft, dann tritt sie unter dem Tisch nach den Knien ihres Bruders, trifft und der springt heulend auf.
Ich bin ein Meister der Deeskalation, muß man wissen, förmlich der Friedensstifter schlechthin.

Schließlich muß ich Masse zeigen, stehe auf, beweise Roland, daß ich gut einen Kopf größer bin als er und vermutlich dreimal so schwer. (Nein, ich bin zwar recht kräftigt unterwegs, aber in diesem Fall liegt das Ungleichgewicht daran, daß Roland eher so aus der Kategorie der Schlupfwespen stammt und ein eher zierliches Männlein ist.)
Ich muß nur drohend grunzen, die Nasenflügel etwas blähen, wovon meine Frau immer sagt, ich sähe dann besonders gefährlich aus, und mit dem Finger auf die Tür zu deuten und schon schnappt er seine Kunstlederjacke (VEB Plaste und zähfließende Kaumasse, Bitterfeld) und verschwindet schimpfend.

Julia klatscht langsam Beifall und ich klopfe symbolisch vermeintlichen Staub von meinen Händen. Endlich können wir uns der Gestaltung der Trauerfeier zuwenden. Als wir das alles unter Dach und Fach haben, lehnt sich Julia zurück und erzählt von ihrem Bruder. Der sei tatsächlich das größte Arschloch auf der ganzen Welt und sei nicht nur hinterlistig und gerissen, sondern auch noch ein „Spelunke“ und „neunmalkluger Haarabschneider“.

So ganz hat Julia das nicht mit den Fremd- und Schimpfwörtern.

Roland hat es geschafft, hier bei uns vor sechs Wochen aufzutauchen und für seinen krank daliegenden Vater eine Bestattungsvorsorge abzuschließen. Nichts Ungewöhnliches und deshalb ging die Sache schnell über die Bühne. Nur die Ausgestaltung der Trauerfeier ließ er offen, das solle seine Schwester entscheiden. Für mich ein ganz normaler Vorgang. Aber ich wußte auch nicht, daß Roland sich durch die Bezahlung des Ganzen einen entscheidenden Vorteil erschlich.

Es ist ganz einfach. Rolands und Julias Vater wollte sich eine anständige Beerdigung und ein stets gepflegtes Grab sichern und hat deshalb die Verteilung seines Erbes an bestimmte Bedingungen geknüpft. Wer die Beerdigung bezahlt, der soll das Wohnhaus in der Stadt erhalten und derjenige der die äußere Gestaltung der Grabstätte bezahlt, bekommt ein Haus am See.
Weigern sich beide Kinder, fällt das Erbe an eine caritative Einrichtung, jedenfalls bekommt derjenige, der nichts macht, nur seinen Pflichtteil. Ich habe keine Ahnung, ob so eine Regelung Bestand hat, aber immer, der alte Vater hat es so verfügt.

Da Julia sowieso auf das Stadthaus spekulierte und annahm, ihr Bruder wolle das sehr schön gelegene, aber weiter entfernte Haus am See, fand sie am Morgen des betreffenden Tages auch gar nichts dabei, als Roland ihr erklärte, daß er eben mit ihr gemeinsam noch beim Gärtner vorbeigehen will, um die Grabpflege zu bestellen und zu bezahlen und auch noch beim Steinmetz das Grabmal auszusuchen. Julia schmunzelte in sich hinein, rieb sich innerlich die Hände und freute sich, daß dieses Mal alles reibungslos und vermeintlich zu ihren Gunsten lief.
Ja natürlich war sie bereit, ihrem Bruder einen Zettel zu unterschreiben, daß sie damit einverstanden ist, daß er das mit der Grabpflege macht.
Als sie das tat, ja da war sie ahnunglos und aus dieser Ahnungslosigkeit befreite ich sie, als ich gleich zu Anfang des Beratungsgesprächs ihre vehement vorgetragene Bitte, man möge die Bestattungsrechnung aber nunmehr ganz sicher auch auf ihren Namen ausstellen, ablehnen mußte. „Das ist ja schon alles bezahlt, das hat Ihr Bruder schon alles im Rahmen einer Vorsorge geregelt.“

Auf diese meine Worte hin entwickelte sich der Arsch-Dialog, der schließlich im von mir herbeigeführten, aber trotzdem siegesgewissen Abzug von Roland gipfelte.

„So eine blöde Sau!“ Julia ist entsetzt, ihr Bruder hat sie, wie es scheint, soeben mal schnell um ein Haus gebracht und ihr Erbe auf den Pflichtteil reduziert. Er wird beim Notar später beide Rechnungen auf seinen Namen vorlegen und die Bedingungen des Testaments zu seinen Gunsten erfüllen.

„So ist der schon immer, schon unser ganzes Leben hat der alle beschissen.“

Ich frage mich, warum sie dann nicht vorsichtiger und aufmerksamer war, sie war doch vorgewarnt.

Schon beim 60. Geburtstag des Alten hatte Roland etwas Gemeines gemacht. Er war an alle Verwandten mit der Idee herangetreten, man könne doch zusammenlegen und dem Vater eine wertvolle Hasselblad-Fotoausrüstung kaufen, er würde auch den fachmännischen Einkauf übernehmen.
So kam es, daß am eigentlichen Geburtstag alle Gäste nur mit einer symbolischen Kleinigkeit erschienen, um nicht mit leeren Händen dazustehen.
Als alle ihre Geschenke überreicht und dem Alten gratuliert hatten, kam dann Rolands große Stunde und er überreichte die gemeinsam bezahlte Kamera. Dabei gelang es ihm, dem vom Wert des Geschenkes überwältigten Vater, zwar zu sagen, daß das ein gemeinsames Geschenk von allen war, es aber doch so aussehen zu lassen, als sei er der eigentliche Schenkende. Zwar bedankte sich der Alte auch korrekt bei allen Anwesenden, aber trotzdem war der Fotoapparat stets nur die „Kamera vom Roland“.

Einige Zeit später wurde im Haus des Vaters die Einliegerwohnung frei und Julia hatte sich, wegen ihrer zwei Kinder und des engen Kinderzimmers, große Hoffnungen darauf gemacht. Doch Roland präsentierte dem Vater in einem günstigen Moment die freudige Botschaft, seine Frau sei schwanger und würde im Gegensatz zu Julia, die ja „nur“ Mädchen geboren habe, einen echten männlichen Stammhalter ausbrüten. Der Alte gab ihm daraufhin den Vorzug und Roland bezog die freigewordene Wohnung. Julia schmollte natürlich, beklagte sich über die Ungerechtigkeit, aber das wurde ihr auch noch als Neid auf das kommende Baby ausgelegt.
Das kam dann aber nie. Das sei so eine Art Bauchhöhlen-Hinterwand-Halszäpfchen-Schwangerschaft gewesen, oder der Ultraschallapparat habe einen Schaden gehabt, jedenfalls habe er ganz genau gesehen, daß sich der Schwangerschaftstest verfärbt hatte, sagte Roland.
In der Wohnung ließ Roland nun, auf Kosten seines Vaters, umfangreiche Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen durchführen, die ihm und seiner Frau gefielen, die Wohnung aber für mehr als zwei Personen unbewohnbar machten. Dafür sorgte zum Beispiel ein viel zu großer Kachelofen in der zentralen Küche, der eine Verwendung als Wohnküche unmöglich machte, weshalb das Kinderzimmer zu einem Esszimmer wurde.

Als alles fertig war, da zog Roland wieder aus, ihm winkte eine günstige Werkswohnung und nun stand der Alte da, mit einer frisch aufgenommenen Hypothek für die ganzen Umbauten und konnte Julia die Wohnung nicht mehr billig geben: „Ich brauche soundsoviel Geld für die Bank.“

„Der ist so ein Arsch, das kann ich Ihnen sagen, so ein Riesenarsch!“

Ja, finde ich auch.


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Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 13. Februar 2009 | Revision: 28. Mai 2012

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Elenaor
15 Jahre zuvor

Clever ist der Kerl ja. Na, ich hoffe, die Julia hat eine gute Rechtschutzversicherung, vielleicht kann man da noch etwas rausklagen. Gott sei Dank, denke ich bei so etwas immer, habe ich gar keine Geschwister. Mir fällt höchstens ein Cousin ein, wo ich etwas aufpassen sollte.

Rena
15 Jahre zuvor

Er kommt aber immer wieder mit der Masche durch. Keiner aus der Familie hat bisher draus gelernt. Gestritten wird wie bei Kleinkindern.

Kerstin
15 Jahre zuvor

Und? Isser durchgekommen damit? 🙂

Matze
15 Jahre zuvor

Ne Hasselblad Fotoausrüstung? Klar, nehme ich auch. Verkauf ich dann und nehm dafür was vernünftiges, 1ds MKIII z.B. 🙂
Und dazu noch ein neues Auto.

AS
15 Jahre zuvor

Was soll die RSV da bringen? Rechtlich ist das nicht zu beanstanden, moralisch sicher fragwürdig.

Ma Rode
15 Jahre zuvor

So eine Zecke!

Buchstabensalat
15 Jahre zuvor

Ah, aber Vater selig war ein Heiliger?
Die Frau hat zwei Kinder, aber wenn ein möglicheventueller Stammhalter daherkommt, ist das ja wichtiger.
Wenn Sohnemannerbenamensweitergeber die Wohnung teuerst ausbaut, ist das okay, aber die Tochter darf’s dann möglicherweise abzahlen?

Ich hoffe wirklich, daß das Testament vor Gericht keinen Bestand hat. Soweit ich weiß, ist es sowieso sehr schwierig, einem Kind „nur“ den Pflichtteil zukommen zu lassen, da muß IIRC schon sehr grober Undank im Spiel sein.

Salat

15 Jahre zuvor

Unglaublich, dass Julia nicht vorsichtiger ist, wenn ihr Bruder etwas vorschlägt. Sie kennt ihn doch schon ein Leben lang. Ich kann mich nur dem Vorposter anschließen, wirklich eine Zecke dieser Mann.

15 Jahre zuvor

@Klaus
Clever. Jetzt mal rein theoretisch, abgesehen von Toms Bestreben, den Auftrag zu bekommen und zu erfüllen:

Julia gibt einfach nem anderen Bestatter den Auftrag und bietet dem Roland paroli, dann steht ihr Auftrag gegen Rolands, was zumindest wegen des Testaments interessant wäre.

Interessant.

Buchstabensalat
15 Jahre zuvor

Hat jemand an das Rechnungsdatum gedacht?

Salat

Klaus
15 Jahre zuvor

Hmm, man könnte natürlich zu einem anderen Bestatter gehen, Julia zahlt die Rechnung, bekommt das Haus und Roland bekommt 90% der Vorsorgesumme ausgezahlt.

15 Jahre zuvor

@ 8| Buchstabensalat: Nö. Genau dafür sind Testamente ja da. Mensch kann mit seinem Erbe im Prinzip alles machen, außer es seiner Geliebten anstatt der Ehefrau vererben (mittlerweile strittig).
Er kann es auch komplett ans Tierheim Lankwitz geben, wenn er lustig ist. Das Vermögen gehört(e) ja dem Erblasser und nicht seinen Kindern. Und (nur) weil das doch ein bisschen widerstrebt, gibt es den Pflichtteil.

Daran scheiterts also nicht. Wenn überhaupt, dann an der mangelnden Bestimmtheit, weil zB nicht klar ist wer konkret zahlt und was passiert, wenn beide sich die Rechnung teilen oder, wie in # 10, einfach beide eine Bestattung in Auftrag geben.
Oder natürlich an Formfehlern, wie vorgedrucktem Briefpapier, Unterschrift an der falschen Stelle, nicht komplett handgeschrieben oder, oder, oder…

Aber IANYAL^^

macabre
15 Jahre zuvor

wie schaut es denn rechtlich aus, mit bestattungspflicht? sind alle kinder gleichermaßen bestattungsverpflichtet? oder sogar „im einvernehmen“? denn nur, dass roland zuerst einen auftrag gegeben hat, muss ja nicht bedeutet, dass dem so rechtens ist?

MacKaber
15 Jahre zuvor

Jetzt erst recht. Testament anfechten lassen. Beide Häuser werden verkauft/versteigert und der Erlös zu gleichen Teilen zwischen den Geschwistern und den Anwälten geteilt. Prozessieren bis nichts mehr da ist, Hauptsache Roland bekommt auch nichts.
Ne, mal im Ernst, ich denke sie hat ganz gute Chancen.
Testament hin oder her.
Das mit dem Vorsorgevertrag war arglistige Täuschung.

Sensenmann
15 Jahre zuvor

Brunzseicher-See… ich lach mich weg 😀

Mich würde wirklich mal interessieren, wie das Ganze vor Gericht ausgeht (wenn sich denn ein Richter damit befassen muss). Ich hab zwar von der ganzen Juristerei keine Ahnung, aber das Testament ist schon interessant.

Wenn es nach meiner persönlichen Meinung ginge, würde Roland mit Sicherheit nicht beide Häuser bekommen. Das ist ja wirklich hinterhältig.

ein anderer Stefan
15 Jahre zuvor

Tja, Roland ist ein hinterhältiges Arsch nach der Schilderung, aber Julia ist doch auch blond, oder? Wenn sie eigentlich weiss, was ihr Bruder für ein Kaliber ist, würde ich mich doch doppelt gegen solche Fiesheiten absichern – oder hat sie ernsthaft erwartet, er würde sich angesichts den Erbes in einen Gutmenschen verwandeln?

VW
15 Jahre zuvor

Fraglich finde ich auch, ob die Unterschrift, dass Roland die Grabpflege übernimmt bestand hat, wenn Julia nicht wusste, dass der andere Teil der Bestattung bereits organisiert war. Denn von der Vorsorge konnte sie ja nichts wissen. Gilt nicht die Bestattungsvorsorge alleine oder zumindest zusammen mit der „Grabpflege-Unterschrift“ als Täuschung oder so?




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