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Sehr knapp

Vor Jahren ist in meinem Bestattungshaus folgendes passiert:
In einer Familie ist ein Jugendlicher durch einen Haushaltsunfall ums Leben gekommen. Wie oft in solchen Fällen wurde vorsichtshalber die Polizei eingeschaltet, der Leichnam „beschlagnahmt“ und in die Gerichtsmedizin gebracht.
Den Transport von und zum rechtsmedizinischen Institut übernimmt stets ein fest von der Stadtverwaltung beauftragter Bestatter aus einer anderen Stadt.
Freitags nach Feierabend geschah der Unfall, wir überführten den Verstorbenen im Auftrag der Eltern zu uns, am nächsten Morgen kam dann der Kollege und holte ihn zur Rechtsmedizin ab, Montags war die Obduktion und dann begann das Wirrwarr.
Auftraggebende Behörde war die Staatsanwaltschaft, beauftragter Bestatter waren wir, transportierender Bestatter der Kollege aus der Nachbarstadt und irgendwo dazwischen hockt eine dürre Dame mit Hornbrille beim Amt Friedhof, Grün und Bordsteinunkraut und nennt sich Ortspolizeibehörde.
Seit Freitag hatte sie den Zettel schon auf dem Tisch, nun war es ja schon Montag, auf Hammer des großen Thors, da muß man ja sofort was machen!

Obwohl wir inzwischen am frühen Montagmorgen den Sterbefall bei der Behörde angemeldet hatten, interessierte das die polizeiliche Bordsteinkanntenüberwacherin nicht und sie konzentrierte sich in etwas übertriebener Marnier auf ihre polizeilichen Hoheitsaufgaben.
Nochmals zur Erinnerung: Die Ortspolizeibehörde ist nicht etwa die Landespolizei in ihren ehemals grün-beigen Uniformen, die heute so Security-Wachmann-Blau trägt, sondern die Ortspolizeibehörde ist z.B. die Behörde, die das Rauchen in Garagen „polizeilich verbietet“, komische Leute auf Kleinverdienerbasis zur Überwachung des Verkehrs beschäftigt usw.
Diese ganz furchtbar wichtige sprechende Hornbrille saß seinerzeit im gleichen Gebäude wie das städtische Bestattungsunternehmen und es gab da offenbar keine Skrupel, alles zu tun, um Aufträge seitens der Polizeibehörde und des Amtes für Friedhofsgrün, eben diesem kommunalen Bestatter zuzuschieben.
Also wurde mal eben einfach ignoriert, daß es uns als beauftragten Bestatter gab, und man erteilte dem überführenden Bestatter den Auftrag, den verstorbenen Jugendlichen nicht ordnungsgemäß bei uns wieder abzuliefern, damit die Eltern sich um die weitere Bestattung kümmern können, sondern ließ den Verstorbenen in die städtische Leichenhalle bringen.

Für uns war die Leiche immer noch in der Rechtsmedizin, uns hatte man nämlich nicht weiter informiert. Stattdessen versuchte die Hornbrille die Eltern des Toten anzurufen, erreichte aber niemanden, weil die bei uns saßen und Blümchen aus dem Katalog aussuchten und eine Erdbestattung wünschten.

Dienstag: Immer noch keine Spur vom Verstorbenen. Unsere Anrufe bei der Rechtsmedizin laufen ins Leere, wir haben vielleicht die Putzfrau dran oder einen Mitarbeiter, der vom Blut der Verstorbenen lebt…
„Der müßte noch da sein, kann ich aber nicht genau sagen, der Kollege kommt gleich und ruft sie zurück.“

Dann ruft einer zurück, der aber offenbar im Rausche vieler Desinfektionsmittel auch nicht Bescheid weiß und uns bittet, doch am Mittwoch nochmals anzurufen, es sei so viel zu tun.

Wir rufen am Dienstag aber noch den überführenden Kollegen an.
Au wei! Ein Bestatter ruft einen anderen an! Das ist so, als ob die Ullugongo-Indianer einen Abgesandten zu den Obowango-Indianern schicken und dieser gleich am Marterpfahl endet, noch bevor er überhaupt was sagen kann.
Feinde treffen aufeinander. Der eine könnte ja dem anderen die Butter vom Brot stehlen…
Die Auskunft des überführenden Bestatters ist so einsilbig und nichtssagend, sie könnte von einer Behörde stammen. „Wir nehmen die Aufträge nur vom Amt und von der Staatsanwaltschaft an und liefern die Verstorbenen immer unverzüglich an der richtigen Stelle ab.“
Zum aktuellen Fall könne man „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nichts sagen; die beliebteste Antwort, wenn jemand keine Ahnung oder keine Lust hat.

Die Eltern sind verzweifelt.
Also rufen wir beim Friedhofsamt an. Nebeneinander in drei aneinandergrenzenden Büros sitzt das Gräber verkaufende und Sterbefälle bearbeitende Friedhofsamt, die Ordnung schaffende Polizeihornbrille und das gewerbetreibende Bestattungsinstitut der Stadt.
Nein, beim Amt kann man uns nichts sagen, die Hornbrille war zu diesem Zeitpunkt für uns völlig uninteressant und beim städtischen Bestattungsinstitut riefen wir auch nicht an, denn die hatten ja mit alledem nichts zu tun; wir hatten ja den Auftrag in der Tasche und das auch schon montags dem Friedhofsamt gemeldet.
Die Staatsanwaltschaft muß es wissen! Anruf dort. „Herr Dr. Riepel ist momentan nicht da, soll ich Sie mit Dr. Prömpel verbinden?“

Dr. Prömpel bearbeitet nur die Fälle A-K und unserer fängt mit M an.

Es ist Dienstag und endlich kommt es zum Kontakt zwischen der Hornbrille und uns. Sie ruft an, sabbelt ihren langen Namen in einem Schluck herunter und verfällt dann in einen spitzen, arroganten, hoheitlichen Ton.
Da wir uns um die Leiche nicht gekümmert hätten, die sich schon seit Freitag in hoheitlicher Obhut befinde, habe sie die Zwangsbestattung angeordnet, die Angehörigen seien ja nicht zu erreichen und wenn sich keiner kümmere, dann müsse man eben in Kauf nehmen, daß es die Behörde tue.
Ja, jetzt sei die Leiche schon im Krematorium…
„Im Krema ist jetzt aber schon Feierabend, bestimmt ist der schon eingeäschert.“

Manni kann Mittwochmorgen den Verstorbenen noch eben so gerade rechtzeitig vor dem Einäschern retten. Wir überführen den Verstorbenen in unser Haus, endlich können die Eltern Abschied nehmen, alles geht seinen Gang. Am Ende sind die Eltern sehr zufrieden.

Branche / Kommune

Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: | Peter Wilhelm 27. Dezember 2012

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13 Kommentare
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Wolfram
11 Jahre zuvor

Das ist Leichendiebstahl seitens des Ordnungsamtes – also, in meiner laienhaften Sicht.

P.S. „27. Dezember 2189 “ – die Vorschau hat mal wieder seltsame Daten…

Big Al
Reply to  Wolfram
11 Jahre zuvor

Bist du deiner Zeit auch etwas voraus, Wolfram?
😉
lt. Vorschau ist bei mir 27. Dezember5072.
Fühle mich uralt.

JohnB
Reply to  Wolfram
11 Jahre zuvor

Eine Leiche ist keine „Sache“. – Ergo kann man sie nicht stehlen.

Rena
11 Jahre zuvor

Es lebe die Bürokratie.

Winnie
11 Jahre zuvor

Ich hoffe, die Eltern mussten in ihrem Schmerz nicht auch noch die unnötigen Kosten dieser Vollidioten übernhemen?!

Zitat:
Der eine könnte ja dem anderen die Butter vom Brot stehlen…

Aus diesem Grunde esse ich sehr häufig Margarine aufs Brot.
Ein Kollege gar isst seit Jahren nur noch mit der Gabel, weil er mit seinen knapp 83 Jahren Angst hat, vorzeitig den Löffel zu reichen.
Sicher ist halt sicher.
Bei klarer Suppe ist ihm aber aufgefallen, dass dieses zwar schlank macht, aber letztenendes auch durch Unterernährung zum vorzeitigen Löffellegen führen kann. 😉

Frank
11 Jahre zuvor

„(…) und irgendwo dazwischen hockt eine dürre Dame mit Hornbrille beim Amt Friedhof, Grün und Bordsteinunkraut und nennt sich Ortspolizeibehörde.“
– herrlich!!! 😉

11 Jahre zuvor

Wie ist da das Zauberwort? „Dienstaufsichtsbeschwerde“, oder? Unverschämt seitens der Behörde. Und dreist.

11 Jahre zuvor

Wieso steht bei mri auf dem Button „Staubersaugerbeutel-Abo kostenpflichtig abschließen“?

11 Jahre zuvor

Meine Güte, wie dreist!
Da fällt mir ja nix mehr ein.

Tzosch
11 Jahre zuvor

[Klischee-Modus on]
Diese bösen Stadtverwaltungen. Alles Faulenzer und Dillettanten. Machen nur Schwierigkeiten. Bürokratenheinis.
Und die Bestatter. Diese geldgeilen Leichenfledderer.
[Klischee-Modus off]

ein anderer Stefan
Reply to  Tzosch
11 Jahre zuvor

Ach ja – die pösen Peamten, wenn es die nicht gäbe, liefe alles viel besser. Das kann ich genauso wenig hören wie Tom den Vorwurf, dass alle Bestatter nur geldgierige Abzocker seien….

Matze65
11 Jahre zuvor

@ednong (5):

Dienstaufsichtsbeschwerden folgen den drei „f“: formlos, fristlos, fruchtlos…

Leider.

Astrid
11 Jahre zuvor

Klasse…..




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