Es ist ja eine nicht auszurottende urbane Legende, daß Bestatter Toten die Knochen brechen und ihnen die Goldzähne herausreißen. Nahrung finden solche Märchen oft durch Geschichten, die immer wieder durch die Presse geistern und in denen undifferenziert Selbstverständlichkeiten und Notwendigkeiten zu skandalösen „Aufregern der Woche“ oder „Hammer der Nation“ hochgelallt werden.
Ich habe es immer so gehandhabt, daß nach der Sechsaugenmethode die beiden Männer, die einen Verstorbenen abholten, im Beisein eines Angehörigen sämtliche am Verstorbenen befindlichen Wertgegenstände aufzählten, auf dem Auftrag notierten und direkt auch nachfragten, was mit z.B. der Armbanduhr oder dem Ehering geschehen sollte. Im Bestattungshaus führten wir ein sogenanntes Schmuckbuch, in dem mit Namen und Lebensdaten alle Wertgegenstände, die beim Eintreffen des Toten in unserem Haus, sich an ihm befanden, aufgeschrieben wurden. Forderten die Angehörigen rechtzeitig vor Einäscherung oder Beerdigung die Herausgabe, so wurde auch das aufgeschrieben.
So konnten wir stets lückenlos beweisen, was mit diesen Gegenständen geschehen ist.
Hinzu kam eine Beratung der Angehörigen, die deutlich machte, daß es zwar eine nette Geste ist, dem Verstorbenen seinen Ehering zu belassen, dieser aber im Krematoriumsofen später als wertvoller Abfall übrig bleibt und zumeist nicht mitbestattet wird.
Doch über den Schmuck hinaus tragen viele Menschen auch ganz erkleckliche Mengen Edelmetall in sich, sei es in Zahnprothesen oder Implantaten nach Operationen.
Bei Zahnprothesen läßt sich auch noch eine Herausgabe an die Angehörigen realisieren, soweit diese Prothesen nicht festsitzend sind.
Aber das restliche Metall fällt später, wenn die Asche dem Krematoriumsofen entnommen wird, als wertvoller Abfall an.
Über den Verbleib dieser Werte sind nun die einzelnen Gerichte in Deutschland höchst unterschiedlicher Auffassung. Mal wurde geurteilt, diese Werte gehörten den Angehörigen und fielen der Erbmasse zu. Ein andere Gericht urteilte, diese Gegenstände gehörten untrennbar zur Totenasche und müßten in der Urne mit beigesetzt werden. Und wieder andere Gerichte und Kommunen vertreten die Auffassung, es reiche, daß es in der Friedhofs- oder Krematoriumssatzung stehe, und deshalb könne die Betreibergesellschaft des Krematoriums oder die Kommune diese wertvollen Metalle verkaufen, um daraus einen Erlös zu erzielen.
Wie groß das schlechte Gewissen bei denen ist, die der letzten Auffassung folgen, erkennt man daran, daß oft der erzielte Betrag oder ein Teil davon an die allgegenwärtigen und meist nicht näher bekannten „milden und wohltätigen Zwecke“ gespendet wird.
Doch wem gehören das Gold und die anderen Metalle nun eigentlich wirklich?
Dem Recht nach sind diese in der Asche gefundenen Gegenstände nämlich quasi herrenlos. So sah es auch ein Krematoriumsmitarbeiter, der Gold im Wert von 250.000 € entnahm und behielt.
Einmal abgesehen davon, daß das Krematorium, bei dem er beschäftigt war, auch Ansprüche auf das Gold erhebt und nun durchaus berechtigt arbeitsrechtlich gegen den Mann und seine Mithelferin vorgeht, wird sich nun das Bundesarbeitsgericht mit dem Fall beschäftigen.
Wem gehört das Gold in der Totenasche?
gefunden von Thomas
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was passiert bei einer Erdbestattung? bleibt da alles, wo es ist?
Soviel ich weiss – ja.
Ältere Herzschrittmacher mit Plutonium drin müssen aber entfernt und an den Hersteller zurückgeschickt werden. 😛
Arbeitsrecht: Der Mitarbeiter hatte sich über eine Weisung der Vorgesetzten hinweggesetzt, indem er das Zahngold angeeignet und es verkauft hatte.
Totenruhe: Naja, nach der Verbrennung müssen ja Fremdkörper ja sowieso aus der Asche entfernt werden. Also ist da nichts zu machen.
Ansprüche seitens der Angehörigen und des Arbeitgebers: Wurden ja gerade verneint durch die Bezeichnung als „herrenlos“. Eine herrenlose Sache stehlen geht ja nicht. Wer eine herrenlose Sache findet, kanns behalten.
Bleibt noch der Verwahrungsbruch nach § 133, wonach Amtsträger und Mitarbeiter von Behörden bestraft werden können… welcher Anteil der Krematorien wird eigentlich privat betrieben?
Ich finde ja, die Kriterien für Herrenlosigkeit sind hier nicht erfüllt und das Zeug ist Teil der Erbmasse.
Es gab ja schon mal einen Fall, nämlich bei Nürnberg.
OLG Nürnberg, 20.11.2009 – 1 St OLG Ss 163/09 – beantwortet die Frage, ob Zahngold aus Totenasche „herrenlos“ ist, nicht, und behandelt hingegen die Frage, ob ein Verwahrungsbruch vorliegt (und bejaht dies). Das Urteil dazu findet man auf dieser Seite.
In der vorherigen Instanz (LG Nürnberg-Fürth, 17.02.2009 – 10 Ns 802 Js 21506/06) wurde bejaht, dass Zahngold herrenlos sei, und dass deshalb kein Diebstahl verläge.
Soweit ich mitgekriegt habe, geht es doch „nur“ um die arbeitsrechtliche Geschichte, dass es eine klare Weisung gab das Gerödel mit in die Urne zu stecken und das halt nicht befolgt wurde.
Bezogen auf die letzte Frage: Eine Antwort ist gar nicht mal so einfach, ich versuche mal das für mich herzuleiten:
Ursprünglich gehörten das Zahngold und sonstige im Körper befindliche Metalle (Schmuck, „Ersatzteile“) dem Lebenden, der nun tot ist. Als lebendige Person könnte ich mich jederzeit entscheiden, das Gold auf meinen Zähnen (Gegenwert bestimmt ein Kleinwagen 😉 ) zu verkaufen. Wäre schmerzhaft und ein wenig gaga, aber könnte ich machen.
Mit Edelmetallen, die ich mir mal als Körperschmuck unter die Haut habe legen lassen, könnte ich ebenso verfahren (habe solchen Körperschmuck nicht, soll es aber geben).
D.h. als Lebende bin ich Eigentümerin dieser Edelmetalle. Damit sollte ich sie m.E. vererben können.
Fazit: m. E. gehören diese Dinge zum Erbe und damit sollte ich darüber testamentarisch verfügen können oder meine Erben müssen entscheiden können.
Bei evt. wertvollen „Ersatzteilen“ wie Hüftgelenken komme ich zu keinem Ergebnis, da diese sich nicht so weiteres vom lebenden Träger zu Geld machen lassen. Wie gut, daß ich solche Sachen (noch) nicht im Körper habe 😉
Was mich noch interessieren würde: wie ist das überhaupt herausgekommen? Und wieviele Fälle gibt es noch, von denen wir nichts ahnen?