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92-jährige von den Toten wieder auferstanden

Ja, so könnte man das tatsächlich überschreiben.
Gestern ist in Gelsenkirchen und nicht, wie ich immer schreibe, irgendwo in Mexiko, eine für tot erklärte alte Dame schreiend im Kühlraum eines Bestatters wieder aufgewacht.
Für die Seniorin muß es ein Albtraum gewesen sein, im Kühlhaus des Beerdigungsinstitutes möglicherweise neben Leichen aus der tiefen Bewußtlosigkeit wieder zu erwachen.

Der Frau soll es soweit gut gehen, die Angehörigen zeigten sich äußerst überrascht.

Natürlich gibt es Zustände, die einen Menschen wie tot erscheinen lassen.
Bei oberflächlicher Betrachtung kann selbst ein tiefer Schlaf schon so wirken. Manchmal sind aber auch die Körperfunktionen durch Krankheit und/oder Medikamentengaben so flach, daß ein Puls nicht mehr ohne weiteres tastbar ist und eine Atemtätigkeit nicht mehr gesehen wird.

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Genau das ist aber der Grund, warum nicht Angehörige, das Pflegepersonal oder Polizisten den Tod feststellen dürfen, sondern ein Arzt hinzugezogen werden muß.

Nur ist das eben bei uns so, daß es keine amtlichen Leichenbeschauer und keine speziell hierfür ausgebildeten Ärzte gibt.

Es wird einfach per se angenommen, daß das jeder Arzt von seiner Ausbildung her können muß.
Theoretisch stimmt das auch, aber man muß sich dann doch fragen, wie viele Leichen ein Augenarzt in seinem Leben zu Gesicht bekommt und untersuchen muß.
Und ob ein Gynäkologe, der in seinem beruflichen Leben sicher viel Elend erblicken muß, wirklich geeignet ist, die Todesfeststellung amtlich zu machen, ist auch nicht so ganz sicher.

So wird auch in diesem Fall in Gelsenkirchen die Leichenschau nicht ordentlich gemacht worden sein.
Hat der Arzt wirklich in alle Körperöffnungen geschaut? Hat er die Verstorbene umgedreht und ihren Rücken und das Gesäß betrachtet?
Hat er die Pupillen kontrolliert?

Offensichtlich ist das nicht oder zumindest nicht ausreichend gemacht worden.
Anzeichen des Todes sind die fehlende Atmung, der fehlende Pupillenreflex, einsetzende oder vorhandene Totenstarre, nicht feststellbare Atmung und nicht wegdrückbare Leichenflecken.
Auf einen Punkt allein darf man sich nicht verlassen.

Wie oben bereits ausgeführt, können Atmung und Puls durch Medikamente und Krankheit so flach sein, daß sie kaum feststellbar sind. Auch der Pupillenreflex könnte durch starke Medikation beeinflußt werden und selbst eine Totenstarre kann einmal durch reflexartig verhärtete Muskulatur angenommen werden. Und beginnende oder abheilende Haut- und Gewebebeeinträchtigungen durch lange Bettlägerigkeit können auch mal mit Totenflecken verwechselt werden.
Vielleicht hat alles das in diesem Fall zugetroffen, wir wissen es nicht.
Dem Bestatter ist kaum ein Vorwurf zu machen, Wenn die o.g. Punkte zutreffen, wird er sich auf den Totenschein des Arztes verlassen. Klar ist: Hätten die Bestatter etwas bemerkt, hätten sie entsprechend reagiert.

Eins ist jedoch sicher: Ein vereidigter Leichenbeschauer, dessen Hauptberuf oder überwiegende Tätigkeit es ist, den Tod vom Menschen zweifelsfrei festzustellen, wäre hier zu einem anderen Ergebnis gekommen.

Deutschland ist eines der modernsten Länder der Welt mit einer flächendeckenden medizinischen Versorgung und einer allüberwachenden Kontrolle seiner Bürger bis in den letzten Winkel ihrer Privatsphäre.
Warum ausgerechnet bei den Todesfeststellungen pauschal jeder Arzt tätig werden darf, ist da überhaupt nicht zu verstehen.
Da funktioniert ja die Überwachung von Hühnerställen in Mecklenpom-Vorburgen besser!

Jede Schraube am Riesenrad auf dem Oktoberfest wird besser kontrolliert, als die Todesursachen bei unseren Verstorbenen.

Ein Pflichtleichenbeschauer müßte nicht einmal ein approbierter Arzt sein. Das sind die Coroner in den USA auch nicht zwingend.
Eine umfassende Ausbildung könnte auch Sanitäter oder gar Bestatter dafür qualifizieren.
Es geht hier nicht um Quincy, der völlig realitätsfern, auch noch Ermittlungen anstellte. Das ist Krimifiktion.

Nein, es geht darum, Menschen so auszubilden, daß sie den Tod eines Menschen einwandfrei feststellen können und auf Zeichen eines nicht natürlichen Todes achten können.
Jede Abweichung von der Norm muß zwangsläufig im Hinzuziehen des Rettungsdienstes/Notarztes oder eines Rechtsmediziners resultieren.
Kann der Tod nicht einwandfrei festgestellt werden, müssen Fachkräfte mit einem Not-EKG her und dann muß ggfs. in einer Klinik genauer nachgeschaut werden.
Gibt es hingegen den geringsten Zweifel an einer natürlichen Todesursache, muß ein Spezialist nötigenfalls durch eine Obduktion mehr herausfinden.

So wie es derzeit läuft, läuft es nicht gut, das prangere ich schon seit Jahren an!

Vielleicht müssen erst mehr alte Frauen beim Bestatter schreiend aufwachen, damit man sich endlich mal rührt.

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(©si)