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60 Minuten, dann ist die Leiche weg

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Man stelle sich das einmal vor: Ein lieber Angehöriger kommt in die Klinik, um behandelt zu werden, vielleicht hat er was Schlimmes, vielleicht aber auch nur eine Kleinigkeit. Es ist aber nun mal so, daß einige Menschen, die behandelt werden müssen, auch nach kleinen Eingriffen sterben müssen. Somit kann man mit Fug und Recht sagen, daß das Sterben zum Tagesgeschäft eines Krankenhauses naturgemäß dazugehört; es kann eben nicht allen geholfen werden, es kann nicht jedes Leben gerettet werden.
Man möchte dann nicht in der Haut desjenigen stecken, der die Aufgabe hat, bei der Familie des Verstorbenen anzurufen, um die Todesnachricht zu überbringen.

Aber wie würdet Ihr das finden, wenn derjenige am Telefon noch sagen würde: „So, nun wissen Sie Bescheid. Sie haben nun exakt eine Stunde Zeit, einen Bestatter zu finden, alles zu regeln und den Toten hier abholen zu lassen, sonst machen wir das.“

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Eine Stunde, was ist denn das? Das sind 60 Minuten und die braucht man vielleicht, um den ersten Schrecken zu verdauen, sich umzuziehen und den Weg hinter sich zu bringen; die Zeit ist äußerst knapp bemessen.

In der Idsteiner HELIOS-Klinik ist das aber so. Erst kürzlich mit Millionen an Steuergeldern wieder errichtet, hat man die früher vorhandene Kühl- und Aufbewahrungsanlage für Verstorbene gestrichen und zwar nicht in schönen hellen Farben, sondern mit dem Rotstift auf dem Papier.
Normal und den hygienischen Erfordernissen geschuldet ist es, daß Krankenhäuser über einen Raum verfügen, in dem eine gewisse Anzahl an Verstorbenen aufbewahrt werden kann. So können die Angehörigen in aller Ruhe einen Bestatter aufsuchen, die entsprechenden Anweisungen erteilen und dieser Bestatter wird dann den Verstorbenen zeitnah dort abholen.
Die HELIOS-Betreibergesellschaft sieht das anders und geht auch einen anderen Weg. Einen Kühlraum hat man nicht, stattdessen hat man einen Kooperationsvertrag mit einem Bestatter abgeschlossen, der ständig „Gewehr bei Fuß“ steht und sich nun über die vielen Aufträge freuen darf. Werden die Verstorbenen nicht binnen kürzester Zeit von einem durch die Angehörigen beauftragten Bestatter abgeholt, bekommt der Vertragsbestatter der Klinik den Auftrag, holt den Verstorbenen ab, überführt ihn in seine eigenen Räume und lagert ihn.

Die Angehörigen können dann natürlich noch einen eigenen Bestatter ihrer Wahl beauftragen, der dann nochmals losfahren muß, den Verstorbenen beim Kooperationspartner der Klinik abholen und ggf. umbetten muß, ihn wiederum in seine eigenen Räume überführen muß und somit weitere, meiner Meinung nach unnötige, Kosten verursacht.
Man kennt das ja schon von den Polizeiabholungen nach Unfällen und Straftaten, obwohl viele möglicherweise einen anderen Bestatter genommen hätten, läßt man dem „Erstabholer“ den Auftrag, nur damit ja keine zusätzlichen Gebühren hinzukommen.

Die Bestatterkollegen in der betroffenen Gegend sehen das mit sehr gemischten Gefühlen, ja manchen Kollegen packt die blanke Wut. „Die Firma, die da abholt, ist ja gar nicht schlecht, aber das sind die anderen Bestatter hier auch nicht, doch wir bekommen oftmals gar keine Chance!“

Es sei vor allem dann bitter, wenn die Angehörigen nicht zeitnah benachrichtigt werden konnten und es dann am Telefon möglicherweise heißt, man brauche sich keine Sorgen zu machen, die Klinik habe sich schon um alles gekümmert.
„Dann haben wir nämlich den Salat! Die Angehörigen meinen sogar, man habe ihnen damit einen Gefallen getan. In Wirklichkeit wurden sie um die Möglichkeit gebracht, den Bestatter ihres Vertrauens frei aussuchen zu können.“

Die Klinik will indes von solchen Vorwürfen nichts wissen. Sie hält das Ganze für zeitgemäß und verweist darauf, daß man auch schon mal bis zu zwei Stunden warte und die Angehörigen schließlich ja nicht verpflichtet seien, den Auftrag auch an den Vertragspartner zu vergeben.

Aber genau das ist ja der springende Punkt! Gerade Überführungen und Aufbewahrungen sind Punkte bei denen doch recht beachtliche Kosten anfallen und das muß unter Umständen nun doppelt bezahlt werden.

Hinzu kommt, daß die Klinik betont, die Krankenkassen zahlten nur bis zum Tod des Patienten und deshalb habe man sich personell, räumlich und finanziell auf die Behandlung der lebenden Patienten zu konzentrieren.

Und hierüber ärgere ich mich persönlich. Denn die Fürsorgepflicht für einen Menschen endet eben nicht mit dem Tod.
Wir beklagen es doch immer wieder: Menschen werden nicht in dem Moment in dem sie versterben zu Sondermüll, der möglichst schnell entsorgt werden muß.
Immer wieder wird den Familien gesagt, wie wichtig eine Abschiednahme und eine sorgfältige Behandlung des Verstorbenen in aller Ruhe ist. Hier wird dieses mit Füßen getreten und das Geldverdienen, ja reines Profitdenken, in den Vordergrund gerückt. Fast schon menschenunwürdig wird hier eine vollkommen unnötige Eile und Hast erzeugt, die mit Würde und Anstand nicht viel zu tun hat.
„Kaum bist tot, schon musste weg!“

Daß es auch anders geht, zeigen unzählige andere Krankenhäuser bundesweit. Um es ganz klar zu sagen: Nur die wenigsten haben Möglichkeiten, Zeit und Geld, um Verstorbene würdig aufzubahren, obwohl manche auch das hinbekommen, doch hat man wenigstens eine Möglichkeit, die Verstorbenen aufzubewahren, damit die Familien die Todesnachricht erstmal verdauen können und dann in Ruhe einen Bestatter aussuchen können.

Der Bestatter muß sowieso in der Klinik zu allererst die angefallenen Leichenschaugebühren bezahlen und es ist mittlerweile fast schon Standard, daß ihm gleich auch eine Rechnung für die Aufbewahrung des Verstorbenen hingelegt wird. Da es sich um große darauf optimierte Anlagen handelt, die zumeist auch gut ausgelastet sind, halten sich die Kosten und somit die Gebühren normalerweise in Grenzen.

Und keine Klinik kann mir erzählen, daß sie nicht wenigstens einen Raum im Keller für sowas zur Verfügung stellen könnte. Ja wenn man bedenkt, wie enorm der Energieverbrauch eines Krankenhauses ist, dann kann selbst der Betrieb einer Kühlanlage kaum wirklich ins Gewicht fallen, vor allem nicht, wenn die Kosten sowieso auf die Angehörigen der Verstorbenen umgelegt werden können.

Wüßte ich so was als Angehöriger schon vorher, würde ich meine Angehörigen in eine solche Klinik gar nicht erst einliefern lassen.
Und außerdem: Ich sag’s wieder einmal mehr. Eine Vorsorge hilft! Wer ins Krankenhaus muß, gleich in welches und gleich aus welchen Gründen, sollte eine Bestattungsvorsorge in der Tasche haben und die Stationsleitung vorher davon in Kenntnis setzen.

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