Frag doch den Undertaker

Alles Bio, oder was?

Es ist ja ganz einfach, man verwechselt ein bißchen Ursache und Wirkung, kümmert sich nicht um die Entwicklungen in der Realität und dann macht man ein Symposium und diskutiert darüber oder man nimmt diese Kakophonie aus Teilinformationen und klatscht sie breitmäulig einer uninformierten Öffentlichkeit um die Ohren.
Ich schrieb ja neulich schon mal was über den angeblichen Trend zu Öko-Bestattungen.

Nun scheint das aber nicht nur ein einzelner Bericht in einer Zeitung gewesen zu sein, sondern der Dreiklang von Ökobestattung, in Säure auflösen und Pappsarg zieht sich durch alle möglichen Gazetten.
Es soll da also nun einen Trend geben, es sei so, daß die Kunden ökologisch unbedenkliche Bestattungen vermehrt nachfragen und die „NWZ“ will sogar wissen:

Auf dem letzten Weg eines Angehörigen wollen immer mehr Menschen der Natur noch etwas Gutes tun.

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Sie stützt sich da auf die Aussagen eines Verbandsfachmannes und führt auch wieder die Urne aus Kartoffelstärke, den Pappkarton als Sarg und Bestattungswäsche aus Naturfasern als Beleg für das angeblich gestiegene Umweltbewußtsein der Bestattungskunden an.

Doch leider ist das in Wirklichkeit alles ganz anders.

Es kommen so gut wie nie Menschen in ein Bestattungshaus und fragen bewußt nach irgendeinem ökologischen Hintergrund oder verlangen ausdrücklich biologisch einwandfreie Produkte. Das sind mal die seltenen Ausnahmen, einige dieser etwas überkandidelten Doppelnamenträgerinnen beschreibe ich hier ja gelegentlich.
Die Menschen haben in diesem Moment einen Todesfall zu beklagen, es ist die das größte und schwerste Ereignis in der Familie seit vielen Jahren und es ist ein höchst seltenes und ganz besonderes Ereignis. Da macht man sich um alles Mögliche Gedanken, jedenfalls nicht um die möglichen negativen Auswirkungen der Zersetzung einer Metallurne in einem Urnenreihengrab oder um den Ausstoß von Gasen aus dem Schornstein eines Krematoriums.

Daß es schön wird, das interessiert die Leute, daß es nicht schrecklich wird, das wollen sie, was es kostet, das wollen sie wissen und daß eventuell noch Wünsche des Verstorbenen berücksichtigt werden, DAS interessiert.

Särge waren schon immer aus einem nachwachsenden Rohstoff und die Krematorien werden seit Jahrzehnten auf immer sauberere Abgase hin getrimmt. Sie sind technische Verbrennungsanlagen, wie viele andere Anlagen zu ganz anderen Zwecken auch und denen guckt man schon ewig lang mit Messfühlern ins Rohr. Ganz allgemein hat sich so etwas wie ein Bewußtsein für ökologische Zusammenhänge entwickelt, aber beim Sterben interessiert sich kaum einer dafür.
Wegen der Abgasbestimmungen der Krematorien gibt es vielerorts die Vorschrift, nur noch Totenwäsche aus Naturfasern zu verwenden; wir Bestatter müssen das den Angehörigen aber mühsam beibringen und sie davon überzeugen, daß Opa Fritz seinen schönen dunklen Ausgehanzug aus Dralon nicht anziehen darf. Das angeblich ökologische Gewissen muß man den Leuten eher aufzwingen.

Auch wenn sich jemand für eine Bestattung im Beisetzungswald entscheidet, so tut er das, nach meinen Erkenntnissen, in den seltensten Fällen mit einem ökologischen Hintergedanken. Eher spielen da pseudo-esoterische Vorstellungen vom „Weiterleben in einem Baum“ eine Rolle, den allermeisten Leuten gefällt aber einfach die Idee, in einem schönen Waldstück bestattet werden zu können.
Daß da nun eine Urne aus Mais- oder Kartoffelstärke, aus Pappmaché oder Zellulosewerkstoff verwendet wird, hat zwar seitens der Waldbetreiber und Forstwirtschafter tatsächlich ökologische Gründe, die interessieren aber die Auftraggeber einer solchen Waldbestattung kein bißchen, denn die würden durchweg am Liebsten einfach ohne irgendeine Urne im Waldboden verbuddelt oder darauf verstreut.

Die Zahl von über 800.000 jährlichen Bestattungen in Deutschland hat doch kein einziger Trauernder vor Augen und kann sich somit auch keine Vorstellung von den Ausmaßen einer eventuell von bestimmten Bestattungsformen ausgehenden ökologischen Belastungen machen. Jeder sieht nur seinen eigenen Toten und empfindet eine Bestattung als ein ganz seltenes Ereignis. Statistisch gesehen hat jede Familie alle 10 Jahre mal eine Beerdigung auszurichten. Und alles was man ganz selten macht, das spielt in ökologischer Hinsicht für die Allermeisten keine Rolle, sonst würde man nicht an Silvester Tonnen von Schwarzpulvergasen in die Atmosphäre blasen und das Geld sinnlos für die Knallerei verplempern, sondern stattdessen lieber Bäumchen am Rande der Sahel-Zone pflanzen.

Ob ein Sarg nun ökologisch einwandfrei ist, hängt doch auch von sehr vielen Faktoren ab. Man muß sich einmal vorstellen, daß auf den großen Flüssen in den südamerikanischen Regenwäldern gigantische schwimmende Papierfabriken unterwegs sind, die jeden Tag Flächen von der zig-fachen Größe des Saarlandes abholzen, um aus wertvollstem Tropenholz Holzschnipsel zu produzieren.
Mit dem daraus gewonnenen Papier wischt sich die halbe Welt tagtäglich den vor lauter ökologischen Bedenken gerunzelten Hintern ab…

Hier soll es der kleine grüne Frosch auf dem Putzmittel richten oder meinetwegen auch das Ökosiegel auf dem Sarg, was da und anderenorts in millionenfach übersteigerter Form verbrochen wird. Und dort nehmen wir es hin, es ist ja alles schön weit weg. Aber hier vor Ort soll man beim Sterben noch auf seinen geliebten schwarzen Anzug verzichten.
Ach geht mir doch weg, mit solchen vorgeschobenen albernen Ökovorstellungen!

Da rät irgendeine Ökotante, man solle darauf achten, daß Särge nicht aus Mahagoniholz sind. Besser seien heimische Nadelhölzer, blablabla…
Ich sage Euch: 85% aller Bestattungskunden gucken beim Sargkauf zunächst mal auf das Preisschild und wenn einer sich dann für einen Sarg aus unbehandeltem Nadelholz entscheidet, weil er vielleicht Öko-Test oder sowas gelesen hat, und kein Mahagoni-Tropenholz will, dann kann man sicher sein, daß der unbehandelte Naturholzsarg über 1.500 Kilometer aus dem Ostblock hergeschafft werden mußte, während der mahagonifarben gebeizte Sarg womöglich aus einer Sargfabrik in Düren, Haßloch oder Solingen gekommen wäre.

Heute kannst Du am Etikett jeder Rindsroulade ablesen, wie die Großeltern der Kuh, von der das Fleisch stammt, mit zweitem Vornamen geheißen haben, interessiert das irgendwen? Diesen Ariernachweis muhenden Getiers ignorieren die Leute genauso wie den Wert irgendwelcher BIO-Siegel auf allen anderen Produkten. Bio und Öko ist doch für die Menschen immer nur insoweit interessant, als daß sie sich davon versprechen, sich selbst etwas Gutes zu tun, weil sie hoffen, daß verschrumpeltes Gemüse weniger krank macht, als glänzende Ware und daß in ihrer Wohnung keine Keime wachsen und daß Linola wirklich das Feuchtigkeitsleck in ihrer Haut schließen kann!
Genausowenig kümmert sich irgendwer um irgendwelche DIN-, TÜV- oder ÖKO-Siegel auf den Särgen. „Machen Sie das Etikett da noch weg?“, das ist die Frage, die die Leute stellen.

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