Menschen

Das Drecksloch

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Bei der Beerdigung ihrer Mutter hatte eine der Töchter alles in die Hand genommen. Die andere wohnt auswärts und konnte und wollte sich da nicht kümmern. Nach meinem Dafürhalten ist alles normal und ordentlich abgelaufen. Es war eine kleine, ordentliche Standardbestattung. Etwa zwei Dutzend Trauergäste, Pfarrer, Organist und vier Sargträger. Blumen, Musik, Zeitungsanzeige, es hat an nichts gefehlt.

Etwa ein halbes Jahr nach der Beerdigung war das Grab angelegt worden, eine Sache die den Bestatter an und für sich nichts mehr angeht. Ich wußte das aber, weil die eine Tochter mit dem hölzernen Grabkreuz bei uns aufgetaucht war und gesagt hatte: „Mensch, das ist doch noch so gut in Schuss, das wäre doch Quatsch wenn der Friedhofswärter das auf den Müll schmeißt. Nehmen Sie das doch bitte, es gibt doch bestimmt auch Familien, die sich sowas nicht leisten können. Die Schrift kann man doch leicht wegmachen.“

Seitdem sind wieder einige Monate vergangen.

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Gestern am späten Nachmittag hat mich die andere Schwester von außerhalb angerufen und mir die Ohren vollgejammert. Ihre Schwester habe die Mutter ja regelrecht verscharren lassen, das Grab sei ungepflegt und ein pietätloses Drecksloch. An wen sie sich denn da wenden könne, wollte sie wissen.

Ich sagte ihr, daß wir als Bestatter da keinen Einfluss haben und gab ihr die Nummer des Friedhofsverwalters. Was anderes ist mir nicht eingefallen.
Später am Tag mußte ich aber sowieso noch auf den Friedhof, wir haben da ein paar von diesen kleinen Handkarren gestiftet, mit denen ältere Menschen bequem ihre gärtnerischen Grabpflegeutensilien zum Grab karren können. So dankbar die Friedhofsverwaltung auch war, als Gärtner, Steinmetze und Bestatter zwölf von diesen Handwägelchen gespendet hatten, so leicht macht man es sich jetzt, wenn so eine Karre mal kaputtgeht oder von einem Tunichtgut seiner Bestimmung entzogen wird.
Gestern hatte irgendjemand so eine Karre vor dem Getränkemarkt im Gewerbegebiet abgestellt. Wir vermuten, daß jemand sein Leergut damit transportiert hat und das Wägelchen nach Gebrauch einfach stehen gelassen hat.
Ich habe die Karre also hinten ins Auto gepackt und zum Friedhof zurückgefahren.

Bei dieser Gelegenheit habe ich dann auch mal nach dem Grab geschaut, das wie ein pietätloses Drecksloch aussehen soll. Ich hatte ja mit einigem gerechnet, aber nicht damit:

Es ist ein wunderschönes Grab aus rötlichem Stein. Eine schöne Einfassung, eine Abdeckplatte über die gesamte Fläche und ein liegender Grabstein mit Namen und Daten als Kopfteil.
Alles ist sauber und gepflegt, nur etwas gelblicher Lehm außen herum kündet davon, daß das alles erst neu angebracht worden ist.

Heute Morgen ruft die Schwester wieder an. Ob ich denn das Drecksloch inzwischen gesehen habe und was ich wohl davon halte, das sei ja eine Unverschämtheit, man hätte doch wenigstens nur eine halbe Platte da hinmachen können, damit immer frische Blumen gepflanzt werden könnten.
So wie es jetzt sei, komme das ja einer Entsorgung auf der Müllkippe gleich.

Ich frage nach, um sicherzustellen, daß wir vom gleichen Grab im gleichen Zustand sprechen, das ist aber der Fall.

Sie denke jetzt darüber nach, ihrer Schwester mal was vom Anwalt schreiben zu lassen, schließlich sei das ja auch ihre Mutter und sie habe da ein gewisses Mitspracherecht.
Ja ja, blabla…

Vorhin hat die andere Schwester angerufen, diejenige die Grabeinfassung, Platte und Stein in Auftrag gegeben hat.
Ob mich ihre Schwester belästigt habe, will sie wissen. Die habe nämlich auch bei der Gemeindeverwaltung, beim Friedhofswärter und beim Pfarrer angerufen.
Sie selbst habe sich für die komplette Abdeckung mit einer Platte entschieden, weil sie mit ihrem Mann in absehbarer Zeit etwa 40 Kilometer wegziehen wolle und dann nicht immer nach frischen Blumen schauen könne.
Außerdem solle man solche Anrufe ihrer Schwester bitteschön nicht ernst nehmen: „Die trinkt und bevor sie genug hat und endlich die Klappe hält, sabbelt die allen möglichen Leuten dermaßen den Kopf voll, daß es einem schwindelig werden kann.“


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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. Juli 2010 | Revision: 25. Juni 2012

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8 Kommentare
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14 Jahre zuvor

Oh wie ich das kenne. Mein erstes Praktikum, unwissentlich bemerkt, dass meine Großmutter seit X Monaten dort lebt. Gerade mal 3 Wochen gearbeitet verstarb sie. Wer leitete alles in die Wege (Bestattung etc.) Ich.

Wie viele Kinder hatte diese arme Frau?
5 Stück an der Zahl.. 😕

Jetzt weiß ich zumindest, woran man alles denken muss und sollte. So hat jeder NAchteil auch ein Vorteil!

Rena
14 Jahre zuvor

Ich lass jetzt mal den Alkohol aussen vor. Finde es aber unmöglich, wenn Geschwister im Trauerfall sich um nichts kümmer wollen / können aber nachher den Mund aufreissen. Nix ist gut genug. Nervig sowas.

14 Jahre zuvor

Das ist ganz schön traurig. Ich könnte nicht so gut mit so einer Schwester umgehen wie diese Frau. Respekt.

Jan
14 Jahre zuvor

Da sind wir wieder beim Thema Vorsorge….alles zu Lebzeiten durchgeplant und es gibt keinen Stress…….

Big Al
14 Jahre zuvor

Die Mensche` sin` wie die Leut` sagt man bei uns.
B. A.

Chisa
14 Jahre zuvor

Wie bitte soll man aber für die Grabpflege vorsorgen? Einen Gärtner auf 30 Jahre im Voraus bezahlen, oder wie? In meiner Familie haben wir auch gerade viel Freude: Im Grab liegen mein Vater und seine Eltern, darum kümmern tun sich meine Mutti, ich (wenn ich mal in der Heimat bin) und meine Tante (also die Schwester meines Vaters, und Tochter meiner Großeltern…^_-). Seit es vor 14 Jahren zur Beerdigung meiner Oma dann das Zerwürfnis zwischen meiner Mutter und meiner Tante gegeben hat, kümmert die sich (trotz eigentlich bestehender Absprache, dass ein Jahr wir das Grab bepflanzen und gießen und dann ein Jahr sie an der Reihe ist) nicht darum. Meine Mutter ärgert sich immer wieder aufs Neue und hat gesagt, dass sie wenn die 30 Jahre für meinen Vater abgelaufen sind (Er starb 1986. Da war ich 3.) sie das Grab nicht verlängern will. Schließlich wären das ja wohl die Eltern meiner Tante und auch ihr Bruder und die könne sich da ruhig auch mal drum kümmern. Problem (und hier vielleicht eine Frage an Tom):… Weiterlesen »

Anni
14 Jahre zuvor

@ 4 / Jan: Recht hast Du! Ich war heute Morgen auch in einem Bestattungsinstitut und hab mich mal ganz zwanglos erkundigt, wie das mit einer Bestattungsvorsorge und dem ganzen drumherum abläuft. Wir haben haben im Groben jetzt schon mal alles besprochen – obwohl ich ja ohne Termin einfach so reingeplatzt bin – und haben für kommende Woche nochmal einen Termin für die „Feinheiten“ ausgemacht. Am Anfang war das echt ein komisches Gefühl, aber wir kamen ganz schnell ins Gespräch und ich hatte das Gefühl, der Bestatter ist froh, wenn im Vorfeld alles schon geregelt ist und es hinterher keine Scherereien mit den Angehörigen mehr gibt. Was mir auch nicht bewußt war – naja, so intensiv hab ich mich ja auch noch nicht damit beschäftigt – ist, dass man den Vertrag ja auch jederzeit wieder ändern kann, wenn man dann doch etwas anders haben möchte oder noch was ergänzen will. Als ich rauskam war ich irgendwie richtig erleichtert, denn ich hatte ziemlich Angst, dass gute Mann irgendwelche unangenehmen Fragen stellt oder sich womöglich sogar drüber… Weiterlesen »

Udo Brinkmann
14 Jahre zuvor

@ 6 / Chisa: Genauso wie den Bestattungsvorsorgevertrag lässt sich auch ein Grabpflegevorsorgevertrag (ähnlich: Legatsgrab) abschließen. Finanzielle Absicherung durch eine / mehrere Treuhandeinlagen/-zahlungen oder ähnliches, damit nicht ein fremder Betreuer, missgünstiger Verwandter oder das Sozialamt das Geld „absahnt“, was schon tausendfach dagewesen ist. -> Beratung von verschiedenen Anbietern und unabhängigen „Experten“ einholen, da die Kosten sehr unterschiedlich sein können.

Zum Grab: Fragt bei der Friedhofsverwaltung nach, ob man das Nutzungsrecht am Grab vor Ablauf der Nutzungsdauer beenden lassen kann. Ein Grabstein und Bepflanzung würde dann entfernt werden müssen (kann Kosten verursachen) und das Grab mit Gras eingesäät (kann auch Kosten verursachen). Schon bezahlte Nutzungsgebühren werden idR. nicht erstattet. Einfach ‚mal fragen, weil diese Möglichkeit nicht auf allen Friedhöfen möglich ist.




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