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Der dreifache Hundesohn

Jetzt mal ehrlich, war es Dir noch nie mulmig in Deinem Job?

Doch, natürlich.

Aber da muss ich einige Jahre zurückspulen. Damals lebte mein Schwiegervater, der damalige Chef noch und ich arbeitete nur für die Firma, die heute meiner Frau und mir gehört.
Kurz vor Feierabend kam der Chef herunter und fragte, wer den bereit wäre, Überstunden zu machen, da müsse noch ein Verstorbener aus M.hausen geholt werden. Fieberhaft überlegte ich, wie weit dieses M.hausen entfernt ist und als ich die Kilometer grob ausgerechnet hatte, wurde mir klar, daß ich so schnell keinen Feierabend haben würde, wenn ich mit ihm dorthin fahre.
Andererseits, als guter Mitarbeiter lässt man seinen Chef nicht hängen…

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Der Bestattungswagen, ein W123er von Mercedes glitt durch die Dämmerung und wir entfernten uns immer mehr von der Stadt. Mein Chef war merkwürdig ruhig und ich erkundigte mich, warum das so sei.

Er verzog das Gesicht und sagte: „Wenn ich mich nicht irre, ist an der Adresse, wo wir hin müssen ein Hochhaus und ich habe schon den ganzen Tag Rückenschmerzen.“

„Die werden doch wohl einen Aufzug haben“, gab ich zu bedenken und er sagte nur, ziemlich einsilbig: „Schon.“

Etwa 30 Minuten später kamen wir in M.hausen an und der Chef begann nach der Adresse zu suchen. Tatsächlich, es war eines der höheren Häuser und der Verstorbene musste im neunten Stock abgeholt werden.
Wir luden die Trage aus und begaben uns in das Haus. Natürlich hatte das Haus, bei insgesamt wohl mehr als 12 Stockwerken, einen Aufzug, aber das war so ein Vierpersonenaufzug mit gut einem Quadratmeter Grundfläche.

„Siehst Du, das meine ich“, sagte der Chef und fügte hinzu: „Runter werden wir ihn tragen müssen.“

„Die ganzen neun Stockwerke?“

„Was denkst Du denn? Wir können ihn ja nicht vom Balkon werfen.“

Oben in der Wohnung sahen wir dann aber, daß wir es mit einem doch recht stattlichen Herrn von wenigstens 140 Kilo zu tun hatten und ich sah, wie mein Chef den Kopf schüttelte.

„Was ist?“ erkundigte ich mich.

„Der wird uns zu schwer, mir vor allen Dingen. Mein Rücken, weißt Du?“

„Und was sollen wir jetzt machen?“

„Wir haben zwei Möglichkeiten. Entweder wir rufen in der Firma an und lassen noch jemand kommen oder Du fährst mit ihm Aufzug.“

„Wie? Aufzug?“

Das erklärte er mir dann und so kam es dann dazu, daß wir den Verstorbenen auf der Trage verzurrten, ordentlich abdeckten und die Reißverschlüsse der Trage schlossen. Dann trugen wir ihn in den Flur, den Gang entlang bis zum Aufzug. Zu zweit wuchteten wir die Trage hochkant und ich durfte sie festhalten, die Knöpfe bedienen und die ganzen neun Stockwerke allein mit der Leiche Fahrstuhl fahren.

Die Situation war nicht besonders angenehm. Vor allem aber war es meine Phantasie, die mir zu schaffen machte.
In meinem Kopf malte ich mir aus, was wohl passieren würde, wenn der Aufzug jetzt stecken bleiben würde.
Oder was wäre, wenn die Trage jetzt umkippt und mich mit ihren 140 Kilo unter sich begräbt.

Während diese und ähnliche Gedanken durch meinen Kopf schossen, zählte ich die Stockwerke auf der Anzeigetafel mit. 6, 5, 4…
Und genau zwischen 4 und 3 ruckte es kurz, der Aufzug blieb stehen und das Licht flackerte kurz.

Genau das war der Moment, in dem mir echt mulmig wurde! Genau dieser Moment!

Doch kaum 10 Sekunden später setzte sich der Aufzug erst etwas ruckend, dann wieder gleichmäßig in Bewegung und ich kam wohlbehalten im Erdgeschoss an.

Als die Tür aufging, stand da unten schon mein Chef. Wo war der hergekommen? Der konnte doch unmöglich die neun Stockwerke in dieser kurzen Zeit zu Fuß über die Treppe bewältigt haben. Und vor allem: Warum grinste der so?

Das wurde mir dann schlagartig klar, als von halbrechts ein Mann im grauen Kittel kam und zu meinem Chef sagte: „Brauchen Sie den Aufzugschlüssel noch?“

So ein dreifacher Hundesohn!
Dreifach deshalb, weil es um die Ecke noch einen anderen, wesentlich größeren Aufzug gab; weil er das nur zu gut gewusst hatte und vor allem, weil er mit dem Hausmeisterschlüssel meinen Aufzug mal eben kurz auf Stop gestellt hatte.

Sack!

Na, Hauptsache der hat seinen Spaß gehabt!

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