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Die Fee der Nacht -27-

„Eigentlich sehen wir mit unseren Wolldecken aus wie zwei alte Indianerweiber“, sagte Petermann lachend und sein Freund stimmte in das Lachen mit ein und sagte: „Hast Du ’ne bessere Idee? Es wird nachts saukalt um diese Jahreszeit. Mann, hör bloß auf! Ich habe hier mal ein Lagerfeuer gemacht und einen Mordsärger mit so einem Waldflüsterer bekommen.“

„Du meinst den Förster?“

„Oder so.“

„Du kannst doch hier kein Feuer machen, stell Dir vor, was da passieren kann.“

„Du hast ja Recht, aber ich wollte ja nicht den Baumbestand anzünden, sondern ein Feuer machen. Da drüben in dem Steinkreis. Bei uns in Deutschland ist eben alles verboten und für das wenige was man uns erlaubt, müssen wir entweder einen Schein haben oder viel Geld bezahlen. In Amerika ist alles anders…“

„Ja klar, da ist alles anders, da klaut jemand ein Fahrrad und kriegt dafür 43 mal Lebenslänglich.“

„Auch wieder wahr.“

Der nächste Morgen war noch gar nicht ganz da, da weckte das Klopfen eines Spechtes Petermann aus dem Schlaf. Der Wald entwickelte eine ganz fremde und für ihn ungewöhnliche Geräuschkulisse. Jojo, der ihm das einzige Bett in der Hütte überlassen hatte, lag noch im Tiefschlaf auf der Couch.

Obwohl er am Abend zuvor genug Wasser in den Tank der Hütte gepumpt hatte, ging Petermann zum Bach hinunter und wusch sich mit dem eiskalten Wasser.

Als er in die Hütte zurückkam, war Jojo bereits aufgestanden und stocherte mit einem Schürhaken im Ofen herum. „Ausgegangen, hab vergessen, gestern noch was nachzulegen.“

„Und was bedeutet das?“

„In erster Linie bedeutet das, daß wir keinen Kaffee bekommen.“

„Nee, das geht ja mal gar nicht. Wir müssen sowieso in die Stadt, also beeil Dich, damit wir los kommen. Ich will Kaffee!“

Während Joswig noch die Hütte verrammelte und seinen Lada-Niva wegen des kaputten Zündschlosses mit einer Lenkradkralle sicherte, war Petermann schon zu seinen Chevy gelaufen und als Joswig bei ihm eintraf, fand der den Kommissar fluchend und schimpfend vor. Er war gerade dabei, einen riesigen Klecks Vogelkot vom glänzenden Lack der langen Haube zu wischen.
„Drecksviecher!“

„Nee, Natur!“

„Meinetwegen, aber nicht auf meinem Chevy.“

Nach einem kurzen Frühstück in einer Bäckerei am Stadtrand fuhren die beiden weiter in die Innenstadt. Dort ließ Petermann seinen Freund aussteigen und fuhr ins Präsidium.

Vor Petermann lag mindestens ein halber Tag mit Besprechungen und Routinekram. Er wollte alle möglichen Register checken und mit Böde zusammen die Datenbanken durchforsten.

Joswig hingegen ging gleich in die Redaktion des „Tagesanzeigers“ und verschwand nach einem kurzen Wortgeplänkel mit der dicken Gertrud, die die Gralshüterin des Archivs war, in den Katakomben der Zeitung um sich vor einem PC und einem Mikrofilmlesegerät alles über Minister Brockhagen heraus zu suchen.

Klaus Petermann und er kannten sich schon so viele Jahre, vertrauten sich blind und Petermann schätzte an seinem Freund, daß dieser auch ganz unkonventionelle Wege gehen konnte, wenn es um die Beschaffung von Informationen ging.
Es wird ja so getan, als habe jeder Polizist stets ein kleines Reißverschlußmäppchen mit Einbruchswerkzeug dabei um im Falle eines Falles auch unerlaubt in fremde Wohnungen und Büros eindringen zu können. Oder es wird oft behauptet, da sei mal eben Gefahr im Verzug, und die Beamten dringen dann einfach irgendwo ein.
In Wirklichkeit war das ganz anders und jeder Schritt, den die Polizei geht, muß hinterher der Überprüfung durch Richter, Staatsanwälte, Verteidiger, der Medien und der Öffentlichkeit standhalten.
Da überlegt es sich jeder Polizist dreimal, bevor er etwas Illegales tut oder etwas, das gerade so eben nicht mehr in Ordnung ist.
Schnell ist da das Gewicht eines Beweises kaputt gemacht, weil er illegal beschafft wurde.

Auch Jojo mußte sich natürlich an die Gesetze halten, aber als Journalist hatte er eine ganz andere Herangehensweise, mußte keine Disziplinarverfahren fürchten und konnte Petermann schon immer prima zuspielen, da er niemals seine Quellen offenlegen muß.

Petermann litt wie ein Hund. Das lange Herumsitzen vor einem Computermonitor behagte ihm nicht und nur die Tatsache, daß Kollege Heiko Böde doch die eine oder andere Information zu Tage förderte, ließ den knarzigen Alten das Ganze überhaupt aushalten.

Jojo ging es nicht viel anders. Er wäre lieber draußen unterwegs und hätte Leute ausgefragt.
Das stundenlange Sichten der Mikrofilme strengte seine Augen an und ein paar Mal mußte er für zehn Minuten an der dicken Gertrud vorbei in Freie gehen um mal Tageslicht zu sehen und durch zu atmen.

Erst in der dritten Runde hatte Joswig Erfolg und stieß einen leisen Pfiff aus. Da waren ja jede Menge Eintragungen über den Namen von der Tratow und der Journalist mußte grinsen. Petermann hatte Recht gehabt, als er meinte, beim Anblick der Villa Brockhagen darauf gekommen zu sein, den Fall beinahe gelöst zu haben. Doch so wie es aussah, steckte da noch viel mehr dahinter und man mußte viel weiter zurück, als nur ein paar Jahre.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 30. Mai 2012 | Peter Wilhelm 30. Mai 2012

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11 Jahre zuvor

Jemand, der sich Schwarzmaler nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 09:58 Uhr folgendes: Tom, ich glaube die Story ist auserzählt. Nach Kapitel 25 hätte die Auflösung kommen müssen. Das ist jetzt mehr ermüdend. 2 Jemand, der sich LadySolana nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 10:01 Uhr folgendes: TOM!!!!! Machs nicht so spannend! Lass uns endlich wieder vom Pc wegkommen und gönn unseren F5 Tasten ne Pause! Lös endlich den Fall auf! Bitte!! *fleh* 3 Jemand, der sich Tante Jay nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 10:17 Uhr folgendes: @Schwarzmaler: Dann lies nicht weiter, wenns dich langweilt? 4 Jemand, der sich Bärbel nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 10:20 Uhr folgendes: *gähn* Folge 27 kann man auch totaler (Neugier-)Tiefpunkt nennen. Nu ist der gespannte Bogen (fast) gebrochen. 5 Jemand, der sich Necromancer nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und schrieb am 29.05.12 um 10:23 Uhr folgendes: Quark! – hat sich was mit auserzählt – klar ist… Weiterlesen »

rudibee
11 Jahre zuvor

Wenn einer MEIN Fahrrad klaut, sind 43 mal lebenslänglich nicht genug




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