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Frag den Bestatter

Drastische Gebührenerhöhung auf Heidelberger Friedhöfen -II-

Ich denke, wie andere oben: dieser Blog-Beitrag (Friedhofskosten in Heidelberg steigen dramatisch) greift zu kurz.

„Das Friedhofswesen hat auch eine soziale Komponente, die hier wohl völlig vergessen und dem reinen Gewinnstreben geopfert wurde.“

Ich denke die Stadtväter sind in diesem Falle Opfer von Maßnahmen (wie z.B. gerade der Bankenrettung) und haben einfach kein Geld mehr, weil alles ihnen genommen wurde.
Um die „soziale Komponente“ wurden wir von den „Gewinnern“ der Bankenrettung betrogen. Diese haben ihre eigentliche Verluste dem Steuerzahler (mir) aufgebürdet und ich als unter-30-jähriger Deutscher werde mein Leben lang Schulden zahlen, gegen die ich nichts tun konnte. Auch ich werde im Alter wahrscheinlich in Armut leben.
Weihnachtliche Grüße.

Nein, der Artikel greift nicht zu kurz.
Wenn man voraussetzt, daß das Bestattungswesen eine soziale Komponente hat und demnach die Preise so gestaltet sein sollen, daß sie einerseits die kommunale Kasse nicht zu sehr belasten und andererseits den Bürgern bezahlbare Bestattungen ermöglichen soll, so kommt man auf irgendeinen Preis X für die Leistungen.

Hier wurde aber nur der Kostenfaktor berücksichtigt und die zu erwartenden Kosten einfach auf die aktuell stattfindenden Bestattungen bzw. Grabverkäufe umgelegt.
Das liegt daran, daß die Friedhofsämter oft Teile ihrer Aufgaben in städtische Eigenbetriebe ausgelagert haben, die wie ein kommerzielles Unternehmen wirtschaften und möglichst hohe Gewinne abwerfen sollen.
Hierbei wird nicht berücksichtigt, daß es sich beim Friedhofswesen um einen sensiblen Bereich handelt, bei dem man es eben nicht nur mit einer kommerziellen Komponente zu tun hat.

Auch nicht berücksichtigt wurden dabei, daß diese Gebührensteigerungen dazu führen werden, daß in Zukunft weniger Gräber verkauft werden. Das haben die Erfahrungen aus anderen Städten deutlich gezeigt. Dort ist man teilweise mit den Gebühren wieder heruntergegangen und bietet jetzt allerlei Sonderservice an, um die Kunden wieder zu locken.
Natürlich werden die allermeisten Leute gar nicht über Alternativen nachdenken und die hohen Kosten einfach hinnehmen.
Aber diejenigen, die kostenbewußter denken und kritischer sind, das sind ohnehin die, die eine gewisse Affinität zu alternativen Bestattungsformen haben. Diese Grabverkäufe werden also deutlich weniger werden.
Desweiteren vergrößert man mit jeder Gebührenanhebung stets auch den Kreis derjenigen, die sich diese Gebühren dann nicht mehr leisten können. Sie stehen dann an der anderen Tür des Rathauses, beim Sozialamt und holen sich einen Bestattungskostenzuschuss, um diesen dann drei Türen weiter beim Friedhofsamt wieder abzuliefern…
Jetzt mag manch einer argumentieren, daß damit doch denen, für die die soziale Komponente gelten soll, dann auch wieder geholfen sei, wenn die Stadt über die Sozialhilfe Teile der Gebührensteigerung abpuffert.
Das ist aber leider auch wieder nur Augenwischerei. Denn bis die Städte diese Gebühren in Form von Zuschüssen oder gar ganz übernimmt, ist oft ein langwieriges und kostenintensives Verfahren zur Ermittlung möglicher anderer Kostenträger eingeleitet worden, das auf der einen Seite so teuer ist, daß die Kostenübernahme, die in seltenen Fällen dann von dritter Seite erfolgt, das kaum aufwiegt.

Es ist also so, daß ich bei meinem Artikel sehr wohl die näheren Umstände, wie auch die tangierenden Fakten berücksichtigt habe.

Es ist natürlich schön, daß die Bankenkrise jetzt auch hier in die Diskussion mit eingeflossen ist und man wartet förmlich auf die erste Erwähnung von Sarrazin, Westerwelle oder Schäuble. Und was ist mit Godwins-Gesetz?
Noch kein Jude in der Nähe, der sich beschwert, daß die Gräber auf dem jüdischen Teil nicht teurer werden? (Sarkasmus-Modus!)
Und dann muß gleich einer was dagegen argumentieren und dann kommt irgendeiner, der den dann als Nazi beschimpft.
So läuft das doch immer.
🙂

Es ist tatsächlich so, daß die Kämmerer der Gemeinden mehr Löcher stopfen müssen, als sie können.
Da liegt es nahe, daß sie schauen, welche Haushaltsposten besonders belastend sind und welche eventuell noch mehr Gewinn abwerfen können.
Egal wo man an der Gebührenschraube dreht, irgendeiner wird argumentieren, daß hier die Ärmsten der Ärmsten, die armen Alleinerziehenden, die Trauernden, die Arbeitslosen usw. am Allermeisten getroffen werden und daß das ein soziale Härte oder so irgendetwas sei.

Alles das für sich genommen, ist immer kurz gedacht.
Aber man kann in manchen Bereichen so denken und man darf oft auch mal zu kurz denken. Denn letztendlich müssen die Städte ihre Haushalte finanziert bekommen und da hapert es überall.
Dennoch: Wir haben eine hohe moralische und ethische Verpflichtung, unsere Toten anständig zu bestatten. Daran, denn es bleibt auch an uns nur das Andenken, werden wir eines Tages gemessen werden. Nichts anderes als Friedhöfe und Erinnerungen bleibt von uns allen.

An der Art wie ihr Eure Toten bestattet, wird man Euch messen!

An der Höhe der jetzt erfolgten Gebührenerhöhung kann man aber deutlich erkennen, daß hier nicht maßvoll, taktvoll und vernünftig vorgegangen wurde. Sonst hätte man die Gebühren über Jahre in kleinen Schritten erhöht, so wie sich -bei der versprochenen Verbesserung der konjunkturellen Lage- auch die Löhne, Gehälter und Renten erhöhen sollen, sondern man setzt auf den schnellen Effekt.

Ein weiterer Aspekt ist der, daß an anderer Stelle, dort wo es publikumswirksamer und letztendlich auch wählerwirksamer ist, das Geld fast schon mit vollen Händen zum Fenster hinauswirft.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 6 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 9. Juni 2012 | Peter Wilhelm 9. Juni 2012

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7 Kommentare
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ein anderer Stefan
13 Jahre zuvor

Welche "andere Stelle" hast Du denn im Sinn? Ich kenne den Effekt durchaus auch, aber hast Du da ein konkretes Beispiel?

Ich
13 Jahre zuvor

@Stefan: ja. im artikel, der zu dem kommentar gehoert.

Sensenmann
13 Jahre zuvor

Die Frage ist, wer von der Gebührenerhöhung überhaupt etwas mitbekommt. Die meisten Leute haben ja nicht täglich mit dem Friedhofsamt zu tun, sondern müssen – wenn überhaupt – nur alle paar Jahre mal ein Grab kaufen. Da denkt man vielleicht "ist ja ganz schön teuer", aber die Rechnung wird mehr oder weniger ohne zu fragen einfach hingenommen. Dass es günstiger gekommen wäre, wenn Opa schon letztes Jahr das Zeitliche gesegnet hätte, erfährt man gar nicht erst.

Bei den Abwassergebühren etwa sieht das schon anders aus, die werden für jeden Haushalt fällig. Da kann man gut vergleichen und weiß sofort, ob sich die Gebühren im Vergleich zum Vorjahr verändert haben. Wirkt sich auch entsprechend auf den Blutdruck aus 🙂

Uli
13 Jahre zuvor

dieses nachmirdiesintflutdenken ist nicht nur gängige Praxis in den Gemeinden … in der freien Wirtschaft (vor allem, wenn der Besitzer nicht mehr unmittelbar an der Spitze sitzt) ist das gang und gebe … Leute entlassen um die Kurse hochzutreiben, ohne daran zu denken, wer in 10 Jahren dann noch die Produkte oder Dienstleistungen kaufen soll …

Wenn Hausfrauen so wirtschaften würden, würde oft nix auf dem Tisch stehen und die Hütte wäre kalt …

Aber bei DEN Geldern gehts ja nie ums eigene, wird erst interessant, wenn kein Geld für das eigene Gehalt mehr da ist … aber bis dahin kann man sich ja aus dem Staub machen …

Smilla
13 Jahre zuvor

Uli- die packen sich doch das Geld in die eigene Tasche. 😉

Adrian
13 Jahre zuvor

"Denn letztendlich müssen die Städte ihre Haushalte finanziert bekommen und da hapert es überall."

Die Situation der Kommunen finanzen ist vielerorts unverschuldet katastrophal.

Die Städte und Gemeinden haben viel zu wenig Einfluss auf ihre Einnahmen und Ausgaben (das Meiste an Ausgaben wird als Pflicht vom Bund festgelegt).

Eigentlich muesste den Kommunen deutlich mehr Einnahmen (wie auch immer) zur Verfuegung gestellt werden damit sie ihre Aufgaben erledigen koennen – und nicht nur sparen muessen bis die lezten Theater, Schwimmbaeder und Bibliotheken geschlossen sind.

duskgirl
13 Jahre zuvor

Da Heidelberg ja so gut darin ist, geldbringende Unternehmen oder Projekte (z.B SAP oder das Fußballstadion von 1860 Hoffenheim) aus der Stadt zu vertreiben bzw. deren Bauvorhaben abzulehnen, müssen sie ihr Geld halt dem Fußvolk aus der Tasche ziehen.

Ist doch immer das Gleiche, die Großen brocken sich die Suppe ein und der Kleine darf sie dann auslöffeln!




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