Geschichten

Eine riesengrosse Scheisse

Hatte ich nicht vorhin erst von der nervigen Tante berichtet, die meinte, wir könnten mal eben samstags ein paar Kopien machen?
(Im Übrigen hätte ich ihr die Kopien ja auch gemacht, wenn sie ein bißchen die Verzweifelte gespielt und mich lieb gebeten hätte. Frauen können sowas doch sonst immer so gut…)

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So gegen 20 Uhr klingelt es schon wieder und ich werde von meinem bequemen Sofa „gelockt“. Ein Mann steht draußen und entschuldigt sich höflich für die späte Störung. Ob ich ihm ein Kreuz verkaufen könne. Ich ahne schon, was kommt. Er will ein Kreuz und einen kleinen Karton mit roten Friedhofslichtern. Ich frage nicht viel, denn die fangen immer von alleine an. „Kaffee?“ Er nickt ich deute mit dem Kopf auf das Ledersofa unten in der Halle, er setzt sich und ich gehe ins Büro um den Kaffeeautomaten anzuwerfen. Während die Maschine warmläuft, hole ich die Sachen aus dem Lager, wo mir „unsere“ Katze um die Füße streicht. Die kommt und geht wann sie will und wir haben immer noch nicht ganz raus, wo das Schlupfloch ist. Ins Kühlhaus will sie übrigens nicht mehr, seit drüben an der Wand ein rosarotes Plüsch-Katzenhaus mit der selbstgemalten Beschriftung „Muschi“ steht. Einen komischen Humor haben meine Männer ja schon, aber wenigstens haben sie dem Tier Katzenfutter hingestellt.
Während ich noch über die Katze nachdenke, fahre ich mit dem Aufzug wieder hoch. Inzwischen ist die Maschine heiß und ich mache uns zwei Tassen.

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Der Mann hat seine Jacke ausgezogen und während ich den Kaffee hinstelle, betrachte ich ihn etwas näher. Er sieht gut aus, ist vielleicht in meinem Alter und trägt gepflegte, nicht ganz billige Kleidung. Ich setze mich neben ihn und deute auf das Kreuz, das ich gegenüber an die Wand gelehnt habe. Er seufzt: „Mein Sohn.“ „Auto oder Moped?“ frage ich aber er schüttelt den Kopf und sagt: „Inlineskater.“
„Wie alt?“ „Fünfzehn.“
Er nimmt einen Schluck vom Kaffee, lehnt sich zurück und erzählt. Sein Sohn ist am Nachmittag mit einem Freund fortgegangen um im Stadtpark mit diesen modernen Rollschuhen zu fahren. Da gibt es einen steilen Weg auf dem man besonders viel Tempo bekommt und der am Ende ein Stück bergauf geht, da kann man tolle Sprünge hinlegen, heißt es. Leider mündet der Weg auf eine Straße…
Er ist zu mir gekommen, um so ein Kreuz zu kaufen, auf das er mit Edding noch „Sven 1992-2007“ schreiben will und das will er am Straßenrand in die Erde stecken. Ich erkläre ihm, daß ich die Schrift für ihn drauf mache. Normalerweise drucken wir eine Folie mit dem kompletten Schriftzug aus, aber ich habe im Büro nebenan noch einen Setzkasten mit einzelnen Klebebuchstaben und den hole ich jetzt. Auf dem Weg nehme ich noch die Flasche Kundencognac mit.

Schweigend, wie es vielleicht nur traurige Männer können, sitzen wir nebeneinander und basteln aus den Buchstaben den gewünschten Schriftzug zusammen. Ich nehme die Cognacflasche hoch und er nickt. Einen kleinen Schluck will ich ihm in den Kaffee geben, doch er trinkt seinen Kaffee leer und deutet auf die Tasse: „Den kann ich jetzt gebrauchen.“
Ich trinke ja nicht viel und Cognac eher gar nicht, aber so mit dem da zusammen schmeckt der sogar.
Mann, was haben wir geheult. Wir kannten uns nicht, keiner von uns musste „gockeln“, man(n) durfte einfach nur Mensch sein; und wenn Kinder verunglücken ist es immer eine riesengroße Scheiße.
Sie war nicht mehr ganz voll die Flasche, jetzt ist sie leer, ich habe ein ganz klein wenig Probleme immer die richtigen Tasten zu treffen, bin ohne Berechnung ein Kreuz und einen Sechserpack „Ewiges Licht“ los, habe aber einen Auftrag in der Tasche. Habe nichts sagen müssen, habe nicht gefragt, er hat’s ganz von alleine gesagt.

Manfred heißt er und einmal mehr habe ich einen Grund mein Bestes zu geben, damit Manfred und seine Frau ihren Sven anständig unter die Erde kriegen.

Bildquelle: Pixe lio.de, Fotograf: Schemmi

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