Bestatter August Huber war im Laufe seines Lebens zu großem Wohlstand gekommen.
Kein Wunder, er betrieb dieses einträgliche Gewerbe schon in der dritten Generation.
Sechs Bestattungshäuser, zwölf Autos und eine große Villa am Stadtrand nannte er sein Eigen.
Durch geschickte Käufe hatte er es überdies sowohl zu acht Mietshäusern, als auch zu einem sehr ansehnlichen Barvermögen gebracht.
Nun aber war die Zeit gekommen, daß der alte Herr öfters schon mal Bruder Hein mit seiner rostigen Sense an seine Türe klopfen hörte.
Also sprach er eines Tges zu seinen beiden Söhnen:
„Jungs, ich sterbe bald. Ihr seid beide gute Bestatter, aber zwei Herren in eine Haus, das tut nicht wohl. Deshalb habe ich beschlossen, daß nur einer von Euch mein Erbe antreten wird.
Der andere bekommt nur seinen Pflichtteil.“
„Ja, aber Vater, wer von uns wird denn alles erben?“, fragte Jürgen, der etwas ältere Sohn.
Hermann, der Jüngere, fragte: „Ich bin der jüngere Sohn und voller Tatendrang, werde ich es sein?“
„Das, meine Söhne, werdet Ihr unter Euch ausmachen müssen. Ihr müßt das so machen:
Vor Jahren habe ich in einem Grab in der Lüneburger Heide eine Urne mit einem Schlüssel vergraben. Dies ist der Schlüssel zu einem Bankschließfach, in dem sich die Besitzurkunden für all meine Reichtümer befinden.
Hier auf meinem Schreibtisch liegen die Schlüssel für zwei nagelneue Porsche. Jedem von Euch schenke ich jetzt schon einen Sportwagen. Einer ist auf Dich, Jürgen, zugelassen, der andere gehört Hermann.
Wenn ich tot bin, macht Ihr Euch auf den Weg in die Lüneburger Heide. Die genaue Stelle habe ich hier auf einen Zettel geschrieben, prögt Euch den Platz gut ein.“
„Ha!“, rief Hermann, „Ich bin der bessere Fahrer, ich werde als Erster dort sein und dann das Erbe antreten!“
„Nein“, widersprach August Huber: „So einfach ist das nicht. Derjenige dessen Porsche als Zweiter an der Stelle in der Lüneburger Heide ankommt, der soll mein Erbe sein.“
Die beiden Söhne begriffen nicht ganz, was ihr Vater ihnen da als Aufgabe aufgetragen hatte.
Sie grübelten die ganze Nacht.
Am nächsten Morgen verstarb August Huber.
Doch keiner seiner Söhne machte sich auf den Weg in die Lüneburger Heide.
Wenn sich einer auf den Weg machte, würde auch der andere losfahren und ihm folgen.
Jeder würde oft Rast machen, sie würden den ganzen Weg über langsam fahren und bummeln. Schließlich würden sie am besagten Ort eintreffen. Keiner würde den letzten Schritt gehen, denn keiner würde der Erste sein wollen. Denn nur der Zweite, so besagte es der letzte Wille des alten August, würde das reiche Erbe antreten können.
So würde es vielleicht Tage, ja eventuell sogar Wochen und Monate gehen, doch keiner der Brüder würde als Erster an das Grab mit der Urne mit dem Schlüssel gehen wollen.
Woche um Woche verging, die Brüder belauerten sich Tag und Nacht. Wann würde der andere losfahren? Gab es einen Ausweg aus dem Dilemma?
Im Bestattungshaus des alten August Huber arbeitete seit Ewigkeiten der blöde Hinnerk. Hinnerk war gar nicht so blöde, wie die anderen immer sagten, er war nur von besonderer Art. In Wirklichkeit saß ihm der Schalk im Nacken und der gebürtige Hamburger verfügte über ein gerüttelt Maß an Bauernschläue.
„Jungs, Ihr seid doch doof. Wißt Ihr, wie Ihr das machen müßt?“, sagte er eines Tages zu den beiden potentiellen Erben.
Und als sie ihm zugehört hatten, sprangen sie in die Autos und brausten wie der Teufel los.
Welchen Rat hatte Hinnerk den beiden gegeben?
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