Das letzte Kapitel zu Henning endete ja damit, daß ich Euch raten ließ, was der bekommen hat. Alles was Ihr so querbeet vermutet habt, hatte auch ich vermutet. Mein erster Gedanke war: „Der bekommt ja doch nichts und dann geht er nachher grinsend und kaugummikauend an mir vorbei.“
Das Geheimnis des Ratschenkastens
Mein nächster Gedanke war, daß der Richter, ein älterer Herr, einen durchaus konservativen Eindruck machte und während der Verhandlung einmal äußerte, daß es ihm auf den Wert der Gegenstände nicht ankäme, als Hennings Anwalt lächelnd betonte, er könne gar nicht verstehen, daß wir von Diebstahl reden, da es doch quasi nur die Mitnahme von ohnehin nicht mehr benötigten Gegenständen von geringem Wert gewesen sein. Es sei auch für seinen Mandanten durch die teilweise Aufbewahrung im Keller möglicherweise gar nicht zu erkennen gewesen, daß wir noch beabsichtigen, diese Sachen weiter zu verwenden.
Nach dieser Theorie hätte Henning sich auch ein paar Leichen mitnehmen können, die heben wir auch im Keller auf und wirklich brauchen tut die ja auch keiner mehr.
Henning lehnte sich zurück, hängte einen Arm über die Stuhllehne und ich wartete nur darauf, daß er gleich einen oder beide Füße auf den Tisch legt. Sein Anwalt tuschelte mit ihm und widerwillig setze sich Henning wieder anständig hin. Was Anwalt und Henning so miteinander sprachen, verstand man nicht, Mikrophone für alle Beteiligten gibt es nur bei Richterin Salesch & Co.
Das Ende kam so: Der Richter hatte wohl eine Vorliebe für die Zahl Vier.
Henning bekam 4 Wochen Dauerarrest, 40 Sozialstunden und 4 Sitzungen beim Sozialtherapeutischen Dienst aufgebrummt.
Der Richter betonte, daß er es gar nicht einsähe, von einer dieser Maßnahmen abzusehen. Die Tatsache, daß Henning nicht einsichtig wäre, würde eigentlich sogar für eine Jugendhaftstrafe sprechen, die dann aber zur Bewährung ausgesetzt würde. Damit jetzt aber der vom Gesetzgeber gewünschte Erziehungseffekt zum Tragen komme, sei der Arrest angezeigt. „So ein Schuß vor den Bug in jungen Jahren hat schon manchen zum Nachdenken gebracht.“
Genugtuung, das war das, was ich empfand. Nicht, daß ich jemandem so etwas wünsche, aber dieser Lümmel war mir so frech gekommen, daß ich das als gerecht empfand und noch empfinde.
Ich habe ja so oft meine Probleme, Urteile zu verstehen. Ganz laienhaft gesprochen, finde ich, daß Straftaten gegen Leib und Leben viel zu milde bestraft werden, während man Eigentumsdelikte und Steuersachen viel zu hart bestraft. Es mag nicht den Tatsachen entsprechen, aber ich habe so wie bei den „gefühlten Temperaturen“ das Gefühl, daß man jemanden totschlagen kann und dann „nur“ 5 Jahre netto bekommt, während ein Steurhinterzieher 7 Jahre weg ist. Aber das ist nur gefühlt.
Henning hatte aber nicht genug.
Nein, der kleine Scheißer (sorry) musste tatsächlich noch den Gang zum Arbeitsgericht gehen.
Über die entsprechenden Schriftstücke in dieser Sache habe ich mich dann sehr aufgeregt. Man stellte es, trotz des Urteils im Strafverfahren, so hin, als habe Henning seinen Ausbildungsplatz völlig zu Unrecht verloren. Ja man verstieg sich sogar in die anwaltliche Dummschreiberei, der angebliche Diebstahl habe sich ja nur deshalb ereignet, weil Henning über die ungerechte Behandlung so frustriert gewesen sei. Ein armer junger Mann, der dadurch quasi in die Kriminalität getrieben wurde, weil wir die Frechheit besitzen, unsere Büros so weit weg von seiner elterlichen Heimstatt zu haben.
Zunächst forderte man keck 6 Monate Ausbildungsvergütung als Entschädigung für den Verlust des Ausbildungsplatzes. Es ist jedoch nie zu einer Verhandlung gekommen. Offenbar haben unsere Anwälte dann doch die besseren Karten gehabt und diese auch gut ausgespielt, denn die Klage wurde zurückgezogen.
Wie gesagt, Henning ist nie wieder bei uns aufgetaucht. Nach einigen weiteren Wochen haben wir unser Eigentum zurückerhalten, bis auf den Ratschenkasten. (Wer immer noch nicht weiß, was ein Ratschenkasten ist, der kann ja mal bei Wikipedia gucken, einfach Ratsche eintippen und der Weiterleitung zu Knarre folgen.)
Fotsetzung kommt.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: henning
Strike!
ein ganz schönes päckchen, das der junge mann dort zu tragen gekriegt hat, oder? scheint ob seiner uneinsichtigkeit angemessen zu sein. auch der arbeitsrechtliche vorgang ist verständlich: erst mal aus allen rohren feuern, und zurückrudern nicht vergessen, falls alles aussichtslos ist.
ich denke, du kannst zufrieden sein.
.~.
war ja demnach knapp dran 😀 (abgesehn davon, dass ich auf doppelt soviele sozialstunden und dafür keinen dauerarrest getippt hat)
Och, da lag ich ja doch ganz gut mit meinem Tipp.
Das Urteil ist mir zu milde und wäre an „meiner“ Strafkammer auch so nicht ausgefallen.
Wegen der schädlichen Neigungen und der Uneinsichtigkeit hätte es bei uns etwas mehr gegeben – man muß schließlich auch gönnen können!
Fortsetzung??
Sag bloß, da kommt noch was vom Balg…
Ewald, was geht denn mehr?
Soweit ich weiss ist 4 Wochen Dauerarrest das längste was geht.
Alternativ käme danach die Jugendhaftstrafe die zu 100% zur Bewährung ausgesetzt würde.
Also, find ich die 4 Wochen schon ok. Bei Bewährung wird er erst recht nichts lernen. Einzig, bei den Sozialstunden hät es auch gerne ein bischen mehr sein dürfen.
Hoffentlich lernt der Dussel draus…… :-/
Find ich gut. Man soll ja einen jungen Mann auch nicht gleich zerstören.
Hein?
Bist du da?
…und gar genau so „zufrieden“ mit dem vorläufigen Ausgang wie ich? ;o)
heisst Dauerarrest jetzt, der kann zu Haus vor seiner XBox sitzen bleiben und darf nicht raus oder doch so etwas wie Jugendgefängnis ?
Donnerwetter! Gut gerichtet! Eigentlich hätte ich mir aber noch einen „Arschvoll“ für ihn gewünscht, ohne gewalttätig zu sein. Sowas Dreistes …
Markus: Nein, mit Arrest ist nich Hausarrest gemeint. Er kommt in der Tat in eine staatliche Einrichtung.
@Jangolina
Tom ist uns doch noch das Ratschenkastenmysterium schuldig, welchen ich ebenfalls im henningschen Bermudadreieck vermute. Aber wer weiß, da gibt’s sicher noch eine Po-Ente.
Der Witz ist ja dass eine Jugendstrafe zur Bewährung ja eigentlich die „schwerere Strafe“ wäre.
Das finde ich in unserem Rechtssystem so bescheuert:
Da bekommt einer eine „leichte“ Geldstrafe: 60 Tagessätze. Da er pleite ist und nicht zahlen kann fährt er tatsächlich ein und sitzt 60 Tage ab.
Ein anderer bekommt eine „härtere Strafe“: 2 Jahre auf Bewährung. Und geht als freier Mann nach Hause.
Meiner Meinung sollte man straffällige Jugendliche viel öfter mit der leichten Strafe „Arrest“ belegen anstatt eine „härtere“ Jugendstrafe zur Bewährung auszusprechen.
Und daher halte ich es auch für eine völlige Fehlleistung des Gesetzgebers, hier zum einen die große Lücke zwischen maximal vier Wochen Dauerarrest und mindestens sechs Monaten Jugendstrafe klaffen zu lassen, andererseits die mildere Strafe stets zu vollziehen und die härtere fast immer zur Bewährung auszusetzen.
Die dahinterstehende juristische Logik kommt beim Verurteilten in aller Regel nicht an und konterkariert die eigentlich gut gemeinte Erziehungswirkung.
STRIKE!
Gut geschätzt, gelle Tom!
Irgendwie scheint da doch noch eine gewisse Kluft zu vorhanden zu sein.
Meine Wenigkeit arbeitet kostenlos (Berufsakademie Sachsen, laut Landesgesetzt ist keine Ausbildungsverguetung pflicht), so dass man noch nebenbei arbeiten geht. Und ich komm bei weiten nicht auf die 500Euros von diesem Henning (ganz zu schweige das mein Fahrtweg seinen vom zeitlichen Umfang auch uebertrifft).
Ich kann da nur den Kopf schuetteln, wie man da so weltfremd seien kann.
Leben und leben lassen. Anwälte schreiben Briefe und erheben Forderungen. Davon leben sie. Andere Anwälte schreiben zurück. Davon leben die. Am Abend sitzen sie beim Stammtisch oder in der Sauna und vereinbaren was sie schreiben, wer gerade dran ist mit Nachgeben. Je aussichtsloser der Fall, desto abstrakter die Forderung. Das Ganze ist in gewisser Weise auch ein Rollenspiel. Im nächsten Level mach ich auch in Jura.
Ich stell mir das spannend vor. Wie bei Religion. Da legt auch jeder die Bibel anders aus.
@Thalassa
Siehste, es geht auch ohne Lynch-, Selbstjustiz und Körperstrafen. 😉
Mir gefallen vor allem die Termine beim sozialtherapeutischen Dienst. Da könntens ruhig ein bißchen mehr sein.
Joar, finde das Urteil auch gerecht. Und die Tatsachenauslegung des Arbeitsgerichtes witzig. :‘)
@Silent:
„Hoffentlich lernt der Dussel draus…“
Nein.
Auch der Richter und überhaupt der gesamte Staat stecken doch mit diesem Ausbeuterunternehmer unter einer Decke. Die Bonzen spielen sich doch gegenseitig in die Hände, usw.
Ich wette um meine Spardose, daß DAS die Denke ist. Und die Mutter scheint ja auch nicht gerade geeignet zu sein, Einsicht zu fördern.
Nein, es ist kein gefühltes Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten von Straftaten. Mir wurde es mal so erklärt:
Das Ungleichgewicht kommt dadurch zustande das unser Rechtssystem in seiner Form ein Überbleibsel der Zeit Ende 19. Anfang 20. Jahrhundert ist.
Eigentumsdelikte wurde im Allgemeinen an den Besitzenden begangen, also an der Oberschicht. Die hatte natürlich ein starkes Interesse die Täter hart bestraft zu sehen. Schon als Abschreckung.
Straftaten gegen Leib und Leben spielen sich im überwiegenden Teil innerhalb einer Schicht ab. Ob Prügeleien, Vergewaltigung oder Mord und Totschlag. Alle finden meistens im eigenen sozialen Umfeld, teils sogar im familiären Kreis statt.
Delikte innerhalb der Unterschicht, interessierten den Staat einfach nicht genug um hart durchzugreifen. Delikte innerhalb der Oberschicht regelte man gerne ‚untereinander‘ ohne sich von Gerichten hereinreden zu lassen.
Obwohl archaisch und überholt, hat es sich bis heute so gehalten. Nimmt man jemandem etwas weg, wandern man schnell deutlich länger ein, als wenn man ihm ein Messer in den Leib rammt.
Ich habe immer nochnicht verstanden was ein Ratschenkasten ist.
Es muss ja auch vielleicht Bratschenkasten heissen?
Eine Ratsche ist eine Frau, die an der Ecke steht und immer die allerneuesten Neuigkeiten weiss.
Das wäre eine *T*ratsche oder?
„geTratscht“ wird eher in D, in At ist eher die Auspruchsweise „ratschen“ üblich.
Obwohl ich Anfangs bei Ratschn eher an ein Holzinstrument gedacht habe, welches in der Kirche vor Ostern statt den Glöckchen von den Ministranten verwendet wird. Zumindest in At 🙂
Das ist ein Mythos, der sich leider nicht ausrotten läßt. Ich weiß nicht, woher dieser recht weit verbreitete Glaube kommt, aber die Gerichtspraxis ist definitiv eine ganz andere.