DIREKTKONTAKT

Menschen

Honig-Salbei

Nach dem Dauerbrenner: „Darf man bei Ihnen auch probeliegen?“ ist die scherzhaft gestellte Frage: „Sie die Totenhemden auch pflegeleicht und bügelfrei?“ der Brüller schlechthin. Da liegt jeder Bestatter lachend am Boden, garantiert! Hat er noch nie gehört!

Ich schrieb ja schon oft, daß Menschen, die nicht von einem aktuellen Sterbefall betroffen sind, in aller Regel sehr entspannt und manchmal auch etwas enthemmt mit dem Thema Tod und Sterben umgehen, wenn sie auf einen Bestatter treffen und das ansonsten tabuisierte Thema mal ansprechen und hinterfragen können.

Dazu gehört dann oftmals auch, daß sie den einen Bestatterwitz den sie kennen, endlich mal an den Mann bringen wollen.

Aber Frau Rindgens ist da anders. Völlig abgehetzt kommt sie mit einer ganzen Schar Kinder auf Fahrrädern zu uns. Ihr Mann war früh am Tag da gewesen und hatte die Bestattung für seine Mutter bestellt. Nur die Auswahl der Sarginnenausstattung und des Totenhemdes wollte er lieber seiner Frau überlassen, die später vorbei kommen würde.

Gestricktes Stirnband, orangefarbene weite Leinenhose, ein weites hellbeiges Hemd mit Schnürung an Manschetten und am Halsausschnitt, die Füße in ganz offensichtlich selbstgemachten Riemchenlatschen und auf dem Kopf so etwas ähnliches wie eine Frisur.
Ein Kind hatte die Frau auf einem Sitz auf dem Lenker festgeschnallt, eins hockte in einem Sitz auf dem Gepäckträger und zwei Kinder entstiegen dem Fahrradanhänger. Aber das war noch nicht alles: Zwei Kinder hatte Frau Rindgens noch auf Kinderfahrrädern vor sich her getrieben.

Man müsse entschuldigen, sie sei Tagesmutter und immer fürchterlich in Eile…

Gut, Frau Büser wollte sich der Kleinen annehmen und die versammelte Kinderschar mit bunten Lutschern unterhalten.
Doch sie hatte die Rechnung ohne die Tagesmutter gemacht: „Bloß nicht! Lassen Sie das bitte! Wir lehnen es ab, unsere Kinder schon so früh an Industriezucker zu gewöhnen. Wir haben Honig-Salbei-Bonbons zu Hause und so einmal in der Woche dürfen die Kinder eins davon haben.“

Also bleiben die Kinder mit ein paar Malbüchern, die Frau Büser aus einem Schuhgeschäft für solche Fälle mitgebracht hat, bei unserer Bürodame zurück und Frau Rindgens und ich betreten den Ausstellungsraum.

Die junge Frau schlägt die Hände vor’s Gesicht, so als ob sie einen Raum betrete, in den vorher die Fußballnationalmannschaft von Burkina-Faso ihren Mageninhalt durch Hochwürgen entleert habe.
„Puh, Formaldehyd!“

„Bitte?“

„Hier ist Formaldehyd in der Luft. Das Raumklima ist verpestet.“

„Oh, das tut mir aber leid.“

„Das kommt bestimmt aus dem Holz raus.“

„Kann sein, in Holz ist das manchmal drin.“

„Aber nur wenn es einer vorher reintut, diese Chemieverbrecher.“

„Ich glaube, das ist da sowieso schon drin, ein bißchen zumindest.“

„Gift? Im Holz? Sowas gibt’s ja gar nicht!“

„Doch, wir haben das auch in unserem Körper.“

„Aber nicht von Natur aus, wie soll da schädliche Chemie in den Körper kommen.“

„Sie glauben gar nicht, wieviele chemische Prozesse in unserem Körper ablaufen.“

„In meinem nicht! Sowas aber auch!“

Dann eben nicht.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

keine vorhanden

Menschen

Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 22. Juni 2012 | Peter Wilhelm 22. Juni 2012

Lesen Sie bitte auch:


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
29 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Ma Rode
13 Jahre zuvor

Genau, sogar die gefährlichen Krankheitsbakterien aus der Waschmittelwerbung flüchten vor dieser hygienisch einwandfreien Dame …

Elch
13 Jahre zuvor

Passend hierzu mal im Fernsehen gehört:
„Ich esse nichts mit Genen…“

Was ist der überhaupt außer Salz!?

Athalfain
13 Jahre zuvor

Meine Güte …

Ich dachte solch alternative Hippie-Bräute wären seit Jahren außer Mode … *grusel*
Die Armen Kinder …

Oliver
13 Jahre zuvor

Ja, Gene im Essen, eine furchtbare Vorstellung. Viele steigen konsequent um, essen nur noch Plastik und Steine.

Turtle
13 Jahre zuvor

Solche Leute mag ich fast noch lieber als Homöopathen. Obwohl, die ist wahrscheinlich auch Homöopathieanhängerin 🙂
Mit denen kann man viel Spass haben, wenn man ihnen einen Grundkurs Chemie gibt 😀

Siggi
13 Jahre zuvor

@ 5:
Homö…-was?! Nee, mit solchen Leuten wollen wir erst recht nix zu tun haben!
[i]* Belehrenden Finger heb *[/i]

13 Jahre zuvor

Is´ ja wie bei IKEA..

Sonne
13 Jahre zuvor

ich finde es einfach herrlich, mit was für leuten man da hin und wieder zu tun hat….von langeweile kann man da wohl nie sprechen ^^

Big Al
13 Jahre zuvor

„Sie trugen merkwürdige Gewänder und sangen noch seltsamere Lieder…“
Arme Kinder, diese sind später ideale Zielscheiben der Hänseleien ihrer Altersgenossen.
B. A.

13 Jahre zuvor

mhm, also ich esse auch nix mit Gähnen… verschluck ich mich immer bei. 😉

Arno Nühm
13 Jahre zuvor

Tja, wenn man selbst keine chemischen Prozesse zusammenbekommt bleibt wohl nur das Dasein als Tagesmutter zur Ersatzbefriedigung.

juus
13 Jahre zuvor

@2 man kann mit Hilfe organischer Chemie auch Zucker herstellen. Wobei auch normaler Zucker ja keine Gene enthält. OK, jetzt kannst du sagen, ob ich nur Salz esse, oder Salz mit Zucker ist dann auch egal… aber das müsste dann ja gesund sein. So ganz „ohne“ Chemie.

Aminosäuren und die Vitamine lassen sich auch ohne Probleme chemisch herstellen, um die „Anwesenheit“ von Genen zu vermeiden.

13 Jahre zuvor

Hätte sie doch recht – wenn im Körper keine chemischen Prozesse abliefen, hätte ich wesentlich weniger zu pauken für meine Heilpraktiker-Ausbildung. Biochemie könnten wir ganz weglassen. Kann ich die Dame mal sprechen? :-))

„…auf dem Kopf sowas Ähnliches wie eine Frisur“ ist übrigens ein schöner Satz!

isidor
13 Jahre zuvor

@12 klingt nach nem leckeren 5-Gang Menu

smial
13 Jahre zuvor

Immerhin ist die Dame mit dem Rad angereist. Das ökologisch-organisch-biologische Publikum ist da ja nicht immer so konsequent… http://www.addicks.net/gallery/bizar/DSCF3893

Cat
13 Jahre zuvor

@ 5…wenn du schon Homöopathieanhänger nicht magst…..wirst du Aryuvedaanhänger hassen!!!

Kryptische
13 Jahre zuvor

Schon bei den ersten Sätzen verzogen sich meine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen – ich lieeebe es wenn Tom sich über „solche Leute“ auslässt – mehr davon und vielen Dank.
PS: Mein liebster Spruch wenn es um „Industriezucker“ geht: „Der Zucker in den Bonbons wurde auch ausschließlich aus biologisch gewachsenen Zuckerrüben gewonnen“ – dann ist der Zucker nämlich auch meist völlig ok.. ist ja nicht chemisch 😉

Anonym
13 Jahre zuvor

Honig-Salbei-Bonbons werden genauso mit Glukosesirup und „Industriezucker“ hergestellt wie alle anderen Bonbons auch.
Aber wahrscheinlich verteilt die Ökotante ausschließlich die in tagelanger, „liebevoller Handarbeit“ selbst angerührten und fußgeklöppelten, mit mondphasengerecht angebauten Kräutern aus dem energetisch-biologisch-dynamisch-rechtsrumlaufenden Garten hergestellten Gudi-gudis.

Andreas
13 Jahre zuvor

Wetten, die kann ihren Namen tanzen!?!? 😉

13 Jahre zuvor

Au weh, und diese gute Frau ist selber Mutter? Wenn ja, wurden die Kinder vom Storch gebracht? Ich meine, alleine das „Ansetzen“ des Nachwuchses ist doch (sachlich gesehen) ziemlich widerlich, voller Bakterien, gesundheitsschädlich und dann noch die Vermischung der Gene… iiiiiiih *Ironie off*

Manche Menschen nehmens mit Umweltschutz und dem allgemeinen Schutz vor schädlichen Einflüssen zu genau (manche davon allerdings nur partiell)

Franzi
13 Jahre zuvor

Wieso sucht sie eine Sarginnenausstattung aus? Die steckt bestimmt auch voller Chemie.
Mal eben selbst Baumwolle anplanzen, ernten, zu Stoff verarbeitet und mit etwas Geschick ein schickes Deckchen geklöppelt. Schon hat man sowas ökologisch korrekt hergestellt. Schon kann die Mutti in Frieden ruhen.

Michael
13 Jahre zuvor

Diese Frau nimmt wohl nur den guten Bleizucker, da sind keine bösen Gene drin und somit unbedenklich zu verzehren.

http://de.wikipedia.org/wiki/Blei(II)-acetat

bloeder_hund
13 Jahre zuvor

von einer Bloggenden Gynokologin
http://heldinimchaos.wordpress.com/page/6/
nur der zweite Absatz,
weiteres weitelesen auf eigene gefahr.

bloeder_hund
13 Jahre zuvor

ups,
Gynäkologin 🙂

Albert Wittmann
13 Jahre zuvor

Homöopathie … nette Sache … sollte man diesen Fanatikern mal sagen, dass die Nationalsozialisten die Homöopathie ganz stark gefördert haben …

Immer wieder herrlich anzusehen, wenn die kleine Welt von diesen Leuten ins Nichts kollabiert …

kurtiklaas
13 Jahre zuvor

Wuhahah, die erinnert mich sehr an die Kundin im Reformhaus, die nicht wollte, dass man ihre Artikel einscannt – wegen der bösen „Laserstrahlen“… – vielleicht war’s dieselbe!?

Anita
13 Jahre zuvor

Dass ihr aber auch immer gegen die Oekos laestern muesst!
Ich bin auch ’ne Oekotussi und sehr gluecklich damit.
Nur weil man den Planeten nicht unnoetig zuschande reiten will, heisst das nicht, dass man doof ist…

Garfield
13 Jahre zuvor

@ Anita (27):

Nimm’s nicht persönlich. Ich denke nicht, dass hier jemand über Menschen lästert, die mit Verstand ökologisch verantwortungsbewusst handeln. Es gibt halt nur einige, die aufgrund von Unwissenheit, hirnrissig schlussfolgern, siehe Beitrag. Die Frau scheint ja davon auszugehen, dass alles, was ein „y“ in der Benennung trägt, gleich industrielles Gift ist. Und dann gibt es da noch die Scheinheiligen.. Hast Du den Link von simal betrachtet?

Zum Link von simal (14):

DAS meine Herrschaften, DAS ist Heuchelei.

@ 18:

*LOL*

@ kurtiklaas (26):

Na Mensch! Da werden doch auch Photonen gentechnisch verändert! Wie kann man das nur verantworten! 😉

Sascha
13 Jahre zuvor

@ Albert Wittmann:

Und was genau ist daran jetzt bemerkenswert, dass die Nazis die Homöopathie gefördert haben? Darf „man“ das jetzt aus diesem Grund nicht mehr machen?

Dürfte ich dann auch die Benutzung von Fahrradwegen aus genau diesem Grund verweigern?




Rechtliches


29
0
Was sind Deine Gedanken dazu? Kommentiere bittex