Geschichten

In der Psychiatrie V

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Rudi, Gerti und Hardy heißen, spräche man ihre Namen in voller Länge aus Rudolf, Gertrud und Hartmut, aber das tut keiner, jeder kennt sie nur als Rudi, Gerti und Hardy. Rudi und Gerti sind verheiratet, wobei in dieser Beziehung Gerti eindeutig die Hosen an hat, was Rudi auch so haben will, denn er sieht seine Rolle in dieser kinderlosen Ehe darin, das Geld als Maler und Lackierer zu verdienen und mag sich um nichts anderes, als um seine Arbeit, die handwerklichen Dinge rund ums Haus und seine zwei Vereine kümmern; fürs Geld, das Schriftliche und alles „was mit Büro und Denken zu tun hat“ hat er ja seine Gerti und die erledigt das sehr gut für beide, vor allem das mit dem Denken.

Seit fast 40 Jahren kennt Rudi Martin, die beiden sind schon zusammen in den Kindergarten gegangen und seit dieser Zeit beste Freunde. Gemeinsam sind sie auch Mitglied im Schützenverein und bei den „Bösen Buben“, einer Vereinigung alteingesessener ehemaliger Junggesellen, die aus einer Bierlaune heraus diesen Verein gegründet haben, dessen einziger Zweck es ist, einmal im Jahr, während der Karnevalszeit ein Männerballett auf die haarigen Beine zu stellen.

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Wenn sich also jemand als Martins besten Freund bezeichnen darf, dann ist es Rudi. Überhaupt hatten die beiden Familien, also Rudi und Gerti auf der einen Seite und Susanne und Martin auf der anderen Seite ein sehr gutes Verhältnis miteinander, man war miteinander befreundet, traf sich regelmäßig, besuchte sich zu Geburts- und Festtagen und telefonierte beinahe täglich miteinander. Martin und Rudi zogen sich bei solchen Treffen gerne mal zum Waffenputzen zurück, wobei Nichtschützen -sprich die beiden Frauen- aus Sicherheitsgründen nicht zugegen sein durften und es ist klar, die beiden machten in dieser Stunde der Glückseligkeit, enthemmt des weiblich-ehelichen Jochs, alles andere als Waffen zu putzen. „Magentropfen“ nennen sie jenen guten Cognac, den sie im Waffenschrank mit eingeschlossen haben und von dem sie sich, scheinbar heimlich, immer wieder mal was genehmigten. Die beiden Frauen saßen dann oben, wußten ganz genau was ihre Männer trieben, ließen ihnen aber ihren vermeintlich heimlichen Spaß und nahmen eben jene Haltung ein, die Frauen auch einnehmen, wenn sie Mutter sind und im Sandkasten ihre selig vor sich hin spielenden Kinder beobachten.

Es ist klar, daß mich Rudis Meinung zur Martin-Geschichte interessierte und so trafen meine Frau und ich uns mit Rudi und Gerti.
Ich erzählte ja schon, wie lange die beiden Männer sich kennen, wie gut sie befreundet waren und füge noch hinzu, daß Martin und Rudi nach herben Beziehungsdramen schon gemeinsam durch Dick und Dünn gegangen sind.
Umso mehr war ich wie vor den Kopf geschlagen, als ich die Gesichter von Rudi und Gerti sah, als ich das Gespräch ohne Umschweife auf Martin brachte. Ich erwartete, daß die beiden sofort für ihn Partei ergreifen würden, doch ich sah die beiden voller Zweifel, voller Ungläubigkeit und voller Verwirrung.
Sie hatten alles von Susanne aus erster Hand erfahren und wie ich erfuhr geht Susanne bei denen ein und aus, telefoniert jeden Tag mehrmals mit Gerti und hat es wohl geschafft, die beiden zu verunsichern sodaß Rudi und Gerti inzwischen sogar geneigt sind, der Version von Susanne Glauben zu schenken.

Ich nehme Rudi ins Gebet, appelliere an die jahrzehntelange Freundschaft, versuche ihm klar zu machen, daß das alles so nicht stimmen kann und auch meine Frau bläst in das selbe Horn und nimmt sich Gerti vor. Ja, sie seien ja unsicher, was aber wenn doch was dran ist?

Wir erfahren, daß Rudi und Gerti Martin in Bullerbeck besucht hatten und ihn in einem Zustand medikamentenverursachter Glückseligkeit vorgefunden hätten. Der habe gar nicht mehr nach Hause gewollt, in Bullerbeck da gäbe es keine Probleme: „Ich habe hier ein schönes Zimmer, es gibt hier gutes Essen und keiner geht mir auf den Geist.“

Susanne hat es geschafft, die beiden fast völlig für sich einzunehmen, hat ihnen stundenlang was vorgeweint und allmählich schwenkten Rudi und Gerti um: Ja, das sei eben der Alkohol, der aus Martin so einen bösen Mann gemacht habe.

Nun ist es Zeit, daß ich von Hardy erzähle.
Es ist nämlich der Moment gekommen, daß ich aufklären muß, wen die Gemüsefrau mit „Susannes Neuen“ gemeint hatte.
Also ich sag es vorneweg: Ich finde Hardy ist ein Arschloch. Alles klar? Was also folgt, ist zwangsläufig noch viel subjektiver als alles andere und von vornherein dazu verurteilt, kein gutes Licht auf Hardy zu werfen. Aber es könnte auch genau anders herum sein, denn viel wahrscheinlicher ist es, daß alles das was ich von Hardy weiß, tatsächlich dazu geeignet ist, ihn als Dreckspatz zu empfinden.
Gut, fangen wir an:
Hardy ist etwa Mitte Vierzig und hat noch keinen Tag in seinem Leben irgendeine vernünftige Arbeit gehabt. Mal ein paar Wochen hier, mal ein paar Monate da, immer nur als Tagelöhner oder Leiharbeiter. Ansonsten gehört Hardy bereits in der zweiten Generation zum Sozialhilfeadel und liegt in einem ständigen Kampf mit der Sozialbehörde, die ihm wieder mal etwas ihm Zustehendes nicht bewilligen will, der Krankenkasse, die seine vielen Krankheiten nicht anerkennen will und der „Bullerei“, die ihm zum dritten Mal und nun auf Dauer seinen „Lappen“ weggenommen hat. Gerade Letzteres regt ihn besonders auf, denn einerseits findet Hardy es absolute Scheiße, daß die Promillegrenze für alle gleich ist, denn bekanntermaßen kann er viel mehr saufen als andere und dennoch absolut sicher fahren. Der eine Baum und dieses kurze Stück Leitplanke würden an dieser Aussage auch nichts ändern. Vor allem aber sei der Führerscheinentzug ja überhaupt Schuld an seiner ganzen persönlichen Misere, denn nur weil er jetzt nicht mehr fahren könne, bekomme er ja keinen Job.
Der einzige, über einen etwas längeren Zeitraum reichende, Eintrag in seiner Vita ist die Zeit beim Bund. In diesen anderthalb Jahren war Hardy bei einer Fernmeldeeinheit mit dem Spannen von Drähten beschäftigt gewesen und glorifiziert diese Zeit, so als habe er mit seinen Wehrdienstkameraden nicht nur 18 Monate im Suff verbracht, sondern quasi den gesamten Afrikafeldzug nochmals im Alleingang bewältigt.

Selbstverständlich betrachtet er sich seit dieser Zeit als Experte für alles was mit Strom, Telefon und Kabeln zu tun hat und ist der größte Schnittbroterfinder aller Zeiten. Egal was man Hardy erzählt, er kennt es schon, egal was für eine Neuheit man ihm präsentiert, er hat schon eine Meinung dazu. Ihn kann man mit nichts überraschen und Hardy macht keinen Hehl daraus, daß er jeden anderen Menschen für einen absoluten Volltrottel hält, der ihm nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen kann.
Da Hardy aber schon morgens mit der Bierflasche in der Hand aufsteht und nach eigenen Angaben mit einem Kasten Billigbier pro Tag nicht ganz hinkommt, wird er allenthalben nicht ganz ernst genommen, was immer wieder dazu führt, daß er mit diversen Leuten aneinander gerät und die Liste derjenigen, die ihm mal kräftig aufs Maul hauen wollen, täglich länger wird.

Vor zweieinhalb Jahren hatte sich Hardy bei einer alleinerziehenden Mutter von zwei kleinen Kindern einquartiert und ihr die große Liebe vorgegaukelt. Als anerkannter Fernmeldespezialist kümmerte er sich natürlich auch um das Online-Banking und die ganzen Internetsachen. Nach einem Jahr, als sie merkte, daß Hardy den ganzen Tag nur am Computer Spiele spielte und daß ihr Konto komplett leergeräumt war, warf die junge Frau den Taugenichts raus. Am Abend, als sie dann irgendwo für Geld Putzen ging und die Kinder bei der Oma waren, ist Hardy mit seinem Schlüssel in die Wohnung zurück und hat der Frau noch den Computer, die Telefone und alles andere Elektronische abgebaut und mitgenommen.

Nee, ich bleibe dabei, Hardy ist ein Arschloch.

Ja und es ist ja nun kein weiter Weg mehr zu der Erkenntnis, daß eben dieser Tunichtgut und Tagedieb der neue Freund von Susanne Berg ist.

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