Geschichten

In der Psychiatrie – XXI –

orgel

Verwegene Pläne schmieden wir. Ob nicht Frau Steidler doch zum Schein die beiden bei sich einziehen lassen könnte, schlägt Gudrun vor. Kameras soll ich installieren, um das böse Treiben von Susanne und Hardy aufzuzeichnen.
Die Allerliebste weiß es ganz genau: „Die ziehen bei Dir ein, und dann landest Du in der Klappsmühle!“
Ist ja klar, die Frauen duzen sich schon von der ersten Sekunde an, begrüßen sich mit Küßchen links und Küßchen rechts und ich, der ich nicht Gudrun und die beiden alten Damen ständig küssen will, und lieber bei dem Siezen bleibe, werde von der Allerliebsten fast schon vorwurfsvoll angeschaut, weil ich so steif und menschenfeindlich bin.

Aber ich mag nicht einfach jeden duzen und ich will auch nicht von jedem geduzt werden. Ich möchte erst mal mit den Leuten etwas warm werden, sie näher kennenlernen und dann nach kurzer Zeit meinetwegen, so nach drei bis zehn Jahren, da kann man sich dann ja mal duzen.

Zusammengekommen sind wir bei Frau Berg, also im Haus des verstorbenen Martin, das nun Frau Berg gehört, damit später Ronja es mal bekommen kann. Vor uns auf dem Tisch liegt das Schriftstück, das Susanne sich ausgedacht hat. Woher sie ihre juristischen Kenntnisse hat, um so ein Papier aufzusetzen, das weiß ich nicht, ich erkenne aber sofort, daß sich da jemand mit juristischem Halbwissen so allerlei Blödsinn zusammengestümpert hat. In dem dilettantischen Machwerk, das mit ‚Vertrag‘ überschrieben ist, stehen Sätze wie:

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„In unabänderlicher Meinung gebe ich hiermit zur Schrift kund, das ich den Hardy und seine Verlobte die Susanne in mein Haus aufnehme. Dazu ziehe ich in dem obern Stock mit Zweizimmerküchebad und überlasse meinem Sohn als Vorerbe das untere Stock mit Vierzimmerküchebad.
Mein Sohn braucht keine Mietzins zu bezahlen und ist davon freigestellt und wohnt kostenlos. Dafür wird er mich eines Tages pflegen. Das ist fest abgemacht und Vertrag.
Ich muß nur ins Heim, wenn die Pflege unzumutbar wird.
Susanne wird im Grundbuch mit lebenslang Benutzungsrecht eingetragen, das ist der Wille von meinem Sohn.“

Die Schreibfehler und die schlechte Grammatik stechen mir geradezu schmerzhaft ins Auge. Es wird aber klar, was Susanne vor hat. Sie möchte für die große Wohnung im Parterre das lebenslange Nutzungsrecht ins Grundbuch eingetragen bekommen. Sie, nicht Hardy!
Dann bliebe nur noch, die alte Frau ins Heim abzuschieben und Hardy loszuwerden.

Das erkläre ich nun auch den Damen und Frau Steidler zieht mit dem Zeigefinger ihr rechts Unterlid etwas herunter: „Ich hab’s gewußt!“

„Und, was ist Dein Plan?“, fragt mich die Allerliebste. Aber warum soll ich einen Plan haben? Die Frauen haben doch schon Stunden um Stunden zusammengesessen und Pläne geschmiedet. Ich schüttele nur den Kopf. „Ich habe keinen Plan.“

Nun geht es hin und her. Frau Steidler will die beiden am liebsten in ihrem Haus nicht mehr sehen, Gudrun meint aber, man müsse sie zum Schein einziehen lassen und dann Beweise sammeln.

Doch ich habe etwas ganz anderes im Sinn.
Mir ist nämlich in Erinnerung geblieben, daß ich Susanne schon öfters mal bei Opa Kleiber aus dem Haus hab kommen sehen.
Opa Kleiber ist der alte Mann, der jeden Tag auf den Friedhof geht, um seine verstorbene Frau Gundel zu besuchen. Oft sitzt er stundenlang auf der Bank, genießt das schöne Wetter, die gelegentlichen Plaudereien mit Art-, Zeit- und Schicksalsgenossen, und den Frau Birnbaumer-Nüsselschweif mit allen Mitteln unter ihre Fittiche hatte nehmen wollen.
Seinerzeit hatte ich Opa Kleiber einfach einen unserer Friedhofsschlüssel gegeben und mit einer Visitenkarte unseres Hauses darf er sich seitdem offiziell als Kontrolleur ausweisen. Er schaue nach den Kränzen und Gräbern von unseren Beerdigungen, gibt er vor, und niemand, auch nicht der dicke Quallenmann, der mal hier als Friedhofsaufseher und mal beim Krematorium Dienst tut, kann ihn verjagen.

Am nächsten Tag besuche ich Opa Kleiber auf dem Friedhof. Wie erwartet, sitzt er unter den Platanen auf seiner Bank. Ach, was freut er sich, daß ich mir Zeit für ihn nehme, und bereitwillig erzählt er mir, daß Susanne vom kirchlichen Nachbarschaftsdienst regelmäßig zu ihm komme und ihm ein wenig die Zeit vertreibe. Er gebe ihr immer 20 Euro, wenn sie da war.

„Was macht die denn bei Ihnen?“

„Nichts. Die sitzt nur rum, trinkt Kaffee und leistet mir Gesellschaft. Sie bleibt immer genau 20 Minuten, dann muß sie weiter zum nächsten einsamen Menschen.“

Wie schön von Susanne. 20 Euro für 20 Minuten, das entspricht einem Stundenlohn von 60 Euro. Das liegt, gelinde gesagt hauchdünn über dem Mindestlohn. Wie aufopferungsvoll! Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ausgerechnet Susanne eine Ader für christliche Nächstenliebe besitzen soll. Als Samariterin taugt sie nicht, davon bin ich fest überzeugt.

Ich weiß nicht so recht, wie ich es anstellen soll, Opa Kleiber ist ja schon ziemlich alt und ich frage mich, ob er vollumfänglich begreift, was ich ihm erzähle und vorschlage.
Doch Opa Kleiber ist noch voll da, seine Augen blitzen, vor Aufregung läßt er seinen Gehstock fallen und reibt sich die Hände: „Da bin ich dabei!“

Er ist also mit von der Partie. Also ist es Zeit, Susanne die Falle zu stellen, von der ich schon geschrieben habe. Manchmal sind Menschen so gierig, daß sie absolut bereitwillig und sogar mit Anlauf in eine Falle tappen.
Susanne ist dumm und sie ist gierig. Beste Voraussetzungen, daß mein Plan aufgehen kann!

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