Frag doch den Undertaker

Wie hält man das denn als Bestatter aus?

Hallo Tom,
nachdem in einer Radiosendung Dein Buch vorgestellt wurde, habe ich es mir gekauft, hintereinander weg gelesen und bin täglich online und lese mit ;o))
Ich habe einige Fragen, die du mir evtl. beantworten kannst. Letzte Woche hat hier in der Gegend ein junger Vater seinen nicht einmal 4 Jahre alten Sohn im Auto mit in den Wald genommen und ihn mit einer Kettensäge enthauptet. Dann hat er sich mit einer 2. Säge ebenfalls geköpft.

Wird dieser kleine Junge von den Pathologen wieder in einen Zustand gebracht, wo die Mutter Abschied von ihrem Kind nehmen kann? Und wird dieser Horrormörder etwa auch auf einem geweihten Friedhof beigesetzt wo auch das Kind liegen wird? Muss man als Bestatter auch solche Verstorbenen irgendwie behandeln und wie lässt sich so etwas aushalten?

Ich habe auch schon im medizinischen Bereich gearbeitet und einiges von Deinen Schilderungen ist mir vertraut, aber diese Fragen gehen mir nicht aus dem Kopf. Das sind doch auch für den Bestatter extreme Härtefälle? Wie erträgt man solch eine Grausamkeit und mindert der Pathologe das entsetzliche Bild indem er das alles wieder an seinen Platz setzt?

Werbung

Der von Dir geschilderte Fall ist tatsächlich sehr schrecklich.
Hier gibt es einen Link zur Presseberichterstattung.

Die Aufgabe der Rechtsmediziner liegt im wesentlichen darin, den Zustand der Leichname zu beschreiben und daraus Schlüsse zu ziehen, die Hinweise auf den Tathergang und die Todesursache liefern.
Selbstverständlich bemüht sich ein gutes Obduktions-Team, bestehend aus dem eigentlichen Mediziner und den noch viel mehr an den Verstorbenen arbeitenden Obduktionshelfern, stets darum, daß der Verstorbene auch nach der Leichenöffnung noch einen möglichst guten Anblick hergibt.
Jedoch würde eine wiederherstellende, thanatopraktische und kosmetische Behandlung der Verstorbenen die zeitlichen und vermutlich auch die fachlichen Möglichkeiten eines Obduzenten überstrapazieren.

Tatsächlich ist und bleibt es Aufgabe des Bestatters aus dem, was die Medizin am Ende „ausspuckt“, etwas Vorzeigbares zu machen. Ob das in diesem Fall möglich ist, wage ich zu bezweifeln, wenngleich oft mehr möglich ist, als man als Laie glauben mag.
Letztlich ist es eine Frage der Befähigung des jeweiligen Bestatters und natürlich des Geldes, das man für die Wiederherstellung ausgeben mag.

Bei einer Enthauptung durch eine Kettensäge dürfte man es mit sehr großen und groben Verletzungen im Halsbereich zu tun haben, die nur schwer zu kaschieren sind, es ist ja kein feiner, gerader Schnitt.

Im Berufsleben eines jeden Bestatters kommen solche und ähnliche Fälle vor, die auch das Bestattungspersonal sehr stark belasten. Zum einen sind Todesfälle von Kindern ohnehin mit die schwierigsten Aufgaben überhaupt und zum anderen lösen schwerste Verstümmelungen auch beim Bestatter die völlig normalen Reflexe der Abscheu und des Ekels aus.
Nur ist es für den Bestatter eben ein Teil seiner Arbeit und irgendjemand muß es diese Arbeit ja tun.
„Ihr müsst doch diesen Leib verwandeln!“, das ist der Titel eines längst vergriffenen Buches von Wwerner Schlaghecken und Catherine Veillerobe, an dem ich vor Jahren einmal zu einem kleinen Teil konzeptionell mitgewirkt habe.
Und das ist eben die Aufgabe des Bestatters: Aus einem steifen, kalten und leblosen Toten eine Person zu zaubern, die friedlich schlafend wirkt und zwar noch den Eindruck eines toten Menschen vermittelt, aber dem Betrachter Ekel und Abscheu erspart.

Wie sich das aushalten lässt? Durch ein gutes Betriebsklima.
Natürlich muß man persönlich stark genug sein, um solche Arbeiten erledigen zu können. Desweiteren muß man fachlich gut sein, denn je weniger man herumprobieren und erst überlegen muß, wie man denn nun vorgehen könnte, umso weniger ist man auch zeitlich mit einem solchen verstümmelten Leichnam befasst.
Außerdem ist es wichtig, daß man gute Kollegen hat, die ebenfalls fachlich auf der Höhe sind und daß es im Bestattungshaus so zugeht, daß man sich dort insgesamt wohlfühlen und auch austauschen kann.
Deshalb sind mir Kräfte wie Sandy am liebsten, also Leute, die sowohl im technischen Bereich tätig sind, als auch im Büro. So sind „oben“ die Themen von „unten“ nicht fremd.
Das ist auch der Grund, warum jemand wie Antonia Beschäftigung findet und warum wir insgesamt einen eher heiteren und manchmal schon albernen Umgang miteinander pflegen.
Nichtsdestotrotz sitzen die Mitarbeiter oft lange zusammen und sprechen über besonders gravierende Fälle.


Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Kategorie: Frag doch den Undertaker

Hier findest Du meine Antworten auf Fragen von Leserinnen und Lesern. Es handelt sich um nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfte Fragen, für die allein die Übersender verantwortlich sind.
Ich mache mir die Aussagen nicht zu eigen.
Ich erteile Auskünfte aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Wenn auch Du Fragen hast, wende dich bitte über den Kontaktlink an mich. Ich helfe gerne und kostenlos.


alle Artikel dieser Kategorie >>
Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 29. März 2011 | Revision: 6. Dezember 2016

Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)




Rechtliches