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Ab ins Feuer mit den Vorschriften

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Wir mußten heute Vormittag einen Verstorbenen nach B-Stadt bringen. Aufgebahrt war der Verstorbene in seinem besten dunklen Anzug, jedoch schreibt die Krematoriumsordnung in B-Stadt seit 1.1.2008 vor, daß dort nur unbekleidete Verstorbene oder solche in rückstandsfrei verbrennenden Naturfasern angeliefert werden dürfen.

In B-Stadt haben wir nur höchst selten zu tun und deshalb war uns nicht geläufig, daß diese Bestimmung jetzt dort gilt.

Naja, schon bei der Formulierung „rückstandsfrei verbrennend“ ziehe die Augenbrauen hoch. Gibt es sowas überhaupt? Sicherlich meint die zuständige Verwaltung Stoffe, die ohne schädliche Rückstände verbrennen, aber gänzlich rückstandsfrei?

Wir kennen solche Verordnungen auch aus unserer Stadt und liefern deshalb nur Verstorbene an, die in einem Talar aus Naturfasern eingekleidet sind. Für alle Fälle haben unsere Fahrer auch immer ein paar Talare im Wagen, wir sind auf alles vorbereitet. Also war es für unsere Fahrer kein Problem, der Situation zu begegnen.

„Zieht ihr den noch aus?“ fragt der Krematoriumswärter.

„Müssen wir das?“ erkundigt sich unser Fahrer Manfred.

„Ja ja, die Vorschrift“, sagt der Mann vom Krematorium, tippt auf einen gelben Zettel, der mit Klebestreifen an die Tür geklebt ist und der die neue Verordnung kundtut.

„Okay, dann machen wir das eben, wir haben einen Talar dabei.“

„Na, das ist ja super“, freut sich der Krematoriumsmitarbeiter und schiebt den Sarg in einen gekachelten Nebenraum. Unsere beiden Fahrer gehen zügig und gekonnt zu Werke, diese Handgriffe sind ihnen so geläufig, daß sie nur wenige Minuten dafür brauchen. Anschließend liegt der Verstorbene in einem hellgrauen Talar, ordentlich zugedeckt in seinem Sarg.

„Und wohin können wir die Sachen tun, die er an hatte?“ erkundigen sie sich beim Krematoriumsmann.

„Gebt mal her!“ fordert dieser sie auf, nimmt das Kleiderbündel, hebt die Decke hoch und legt das Kleiderbündel ans Fußende des Toten.

„Ja und jetzt?“ fragt Fahrer Manfred.

„Nichts weiter, die verbrennen wir mit, was sollen wir sonst damit machen?“

„Ich denke, ihr dürft die Sachen nicht verbrennen?“

„Da steht nur, daß wir keine Verstorbenen in solchen Sachen verbrennen dürfen.“

„Und die Vorschrift?“

„Die verbrennen wir mit“, sagt der Krematoriumsmann, lacht und schiebt den Sarg zu den anderen Toten in die große Kühlhalle.


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 5. Februar 2014 | Peter Wilhelm 5. Februar 2014

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Newty
16 Jahre zuvor

Herrje… Typisch Deutschland 🙂

Auf der einen Seite so vorschriftstreu, wie möglich und auf der anderen Seite nur genau soviel tun, wie die Vorschrift verlangt. Zwar auch nicht immmer das wahre, aber dennoch besser als die neuen Beamten, die den Vorschriften vorauseilen.

Besetzte, aber parkende Fahrzeuge auf Nebenstraßen, wo keine Sau ist, werden im Rahmen einer fliegenden(ohne festen Punkt) Verkehrskontrolle in zivil kontrolliert, Bafög wo lediglich die Kopie einer Unterlage fehlt, die im Original auch derselben Stelle vorliegt; wird deswegen für 2 Monate nicht gezahlt und dann nachgezahlt(ohne Verzugszinsen!)

LordJaxom
16 Jahre zuvor

Das tut doch weh oder?

jackotrades
16 Jahre zuvor

hehe, so ist das recht, eine unsinnige Verordnung zur Kenntnis nehmen und ignorieren

16 Jahre zuvor

Herrlich. Und ich dachte erst der Kerl macht sich den „besten dunklen Anzug“ zu eigen. Aber das wäre nicht Deutschland.
Ach ja, mit dem BAFöG habe ich auch gerade viel zu tun. Aber scheint sich langsam zum Positiven zu entwickeln. Und dann gibts wenigstens ein paar Monate Nachzahlung, wenn auch unverzinst. Das genaue Problem tut hier aber nichts zur Sache.

Markus
16 Jahre zuvor

was wären deutsche und österreicher ohne vorschriften?

16 Jahre zuvor

Na, das hat’s ja gebracht 😉

Einzelhändler Stefan
16 Jahre zuvor

was wären deutsche und österreicher ohne vorschriften

Normale Menschen?

Ana
16 Jahre zuvor

Das Phänomen sieht man aber in allen Ländern, die eine ausgeprägte Bürokratiekultur haben. In letzter Zeit mal in den Staaten gewesen? UK? Und Frankreich gilt nicht umsonst als die Wiege der modernen Bürokratie. Einmal mit Körperschaften der EU oder UNO zu tun gehabt?

Was man im Urlaub sieht hat gleich aus mehreren Gründen nichts mit dem Alltag zu tun. Schaut mal über den Tellerrand, wenig ist nerviger als dieser Rassismus im Samthandschuh a la der überkorrekte Deutsche, der entspannte Latino, der fleißige Chinese etc.

mog0
16 Jahre zuvor

Das ist Real-Satire!

Anubis
16 Jahre zuvor

Ja so ist das mit den Vorschriften.

Ronin
16 Jahre zuvor

Ja okay! Sehr logisch, aber was solls hauptsache der Tote wird nicht IN den Sachen verbrannt!

wolkenreiter
16 Jahre zuvor

*schmunzelt*

Chris
16 Jahre zuvor

Ja…

Da kann man sagen was man will.
Der darf nunmal nicht dadrin verbrannt werden. Vorschrift ist Vorschrift.

Aber das hat wirklich seine Komik.

Ich_halt
16 Jahre zuvor

Ich höre den Amtsschimmel bis hierher wiehern!
Wobei, wenn man es mit mathematischer Genauigkeit sieht, hat der Mann sogar recht gehandelt.

Nav
16 Jahre zuvor

Ein Hoch auf die deutsche Bürokratie 😀

SaltyCat
16 Jahre zuvor

Realistisch betrachtet finde ich die Reaktion des Krematoriumsmitarbeiters sehr gut. Er hat – in seiner Auslegung – die Verordnung korrekt befolgt, damit geht er sicher, dass er nicht belangt, sondern im schlimmsten Fall höchstens belehrt werden kann (dann müsste ers in Zukunft halt anders machen), andererseits hat er dadurch umgangen, dass „Manfred“ sich noch darum kümmern muss, wo der Anzug sonst entsorgt werden könnte oder – noch viel schlimmer – Tom den Angehörigen den Anzug hätte zurückgeben und erklären müssen, warum der Verstorbene ihn nicht tragen konnte …

Jule
16 Jahre zuvor

ein herzhaftes Hahaha!

Ivi
16 Jahre zuvor

Kopf –> Tisch… 😀

Kalle
16 Jahre zuvor

Dieser Krematoriumsmensch ist mir schon mal sympatisch. Ich finde jegliche Art des Widerstandes gegen sinnlose Verordnung und Symbolpolitik ist, in Zeiten von Feinstaub-, Klima-, und Terrorhysterie, zu befürworten.
Auch wenn dies auf so subtile Art geschieht, und eigentlich keiner wirklich Notiz davon nimmt.
Es wäre an der Zeit für etwas mehr bürgerlichen Ungehorsam.(gerade in Bezug auf den Unsinn mit den Umweltzonen würde es sich anbieten)

Mac Kaber
16 Jahre zuvor

Gibt es da etwas auszusetzen? Alles absolut korrekt. Der schwarze Anzug war für die Reise. Der Talar ist die Einsatz- oder Arbeitskleidung. Und dass der schwarze Anzug mit reingelegt wurde ist auch in Ordnung, den braucht er ja für die Reise im Jenseits, den der Talar ist doch hinten offen und das macht zum einen keinen guten Eindruck beim Vorstellungsgespräch, zweitens ist es kalt am ….. Rücken von oben bis ganz unten. Möchtest Du im Jenseits so rumschweben?

Tanja
16 Jahre zuvor

Oh man… da fehlen einem die Worte!!!
😀

Penelope
16 Jahre zuvor

Ich muss mir an den Kopf fassen!

DrPest
16 Jahre zuvor

Kopf -> beliebiger, harter Gegenstand

Lisa
16 Jahre zuvor

Sehr schön.

Jens
16 Jahre zuvor

was wären deutsche und österreicher ohne vorschriften?

Was wären Deutsche ohne Angst? Franzosen.

Yvonne
16 Jahre zuvor

Die Vorschrift ist doch nicht das Übel,
wie Tom ja schon selber schreibt, gibt es solche Vorschriften öfter und es hat ja auch seinen Sinn, dass der Verstorbene „ohne schädliche Rückstände“ verbrennt.
Dumm sind hier die Mitarbeiter des Krematoriums!
Das was die machen ist bestimmt nicht im Sinne des Erfinders….

alex
16 Jahre zuvor

@yvonne…

Dann hätte der „Erfinder“ *haha* das genauer hinschreiben müssen. Aber stopp, sind wir da dann nicht am Anfang der üblichen deutschen Regulierungswut??? (Und in Österreich ist das nicht mal halb so schlimm…)

serious
16 Jahre zuvor

najo, wo er recht hat, hat er recht. steht ja nirgends, dass das zeug nicht bei der verbrennung im sarg liegen darf. nur dass es der tote an hat is verboten. (da war mal wieder ein Rechtsfuzzi etwas schlampig)

Magic Volker
16 Jahre zuvor

Tja, da hat mal wieder einer eine ANweisung wahrlich wörtlich genommen.

Klasse!

Boothby
15 Jahre zuvor

Dieser Mitarbeiter erinnert mich an Boothby aus Star Trek. Intelligenter als die meisten Dozenten an der Akademy.




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