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Geschichten

Bärbel -1-

Bärbel kannte ich schon an die zehn Jahre. Ich hatte sie immer mal wieder auf der Straße gesehen und dann später hatte sie mal bei uns geputzt.
Eigentlich kam immer Anette, die Tochter vom Nachbarn schräg gegenüber. Und Anette, ui ui… Man muß ja immer aufpassen, was man sagt und wie man sich verhält, sonst könnte das schnell mißverstanden und als sexuelle Belästigung ausgelegt werden.
Ich habe zwar, wenn’s um das Schreiben geht eine flotte Klappe, bin aber ansonsten Frauen gegenüber doch eher ein höflicher und meist sehr zurückhaltender Mann. Wobei ich ja zur Allerliebsten immer sage, daß ich damals bei unserer Hochzeit Treue versprochen habe, aber eben nicht blind zu werden.

Und Anette war eine wirkliche Augenweide, die wie man heute so schön sagt, exakt in mein Beuteschema paßte. Wobei ich selbst überhaupt nicht definieren kann, wie dieses Beuteschema aussieht. Denn es gibt dicke Frauen, die ich toll finde, schlanke die mir gefallen, Rothaarige, Blonde, Dunkle, Große und Kleine… Ich bin also nicht auf einen Frauentyp fixiert und wenn es eine Sorte Frauen gibt, die mir nicht so ganz besonders gut gefällt, dann sind das diese weiblichen Wesen, die entweder an der Schwelle zum Frauwerden stehen oder da stehen geblieben sind und aussehen, wie irgendwelche Popsängerinnen, angemalt, angestrahlt und aufgehübscht bis zum Gehtnichtmehr. Kurzum, eine Frau muß für mich auch dann noch attraktiv sein, wenn sie ölverschmiert unter einem 58er Chevy hervorkriecht, von einem Marathonlauf kommt oder schlicht und ergreifend nach einer durchgezechten Nacht am späten Tag aus den Federn kriecht.
Und Schönheit? Ach, das ist doch sowieso eine absolut subjektive Sache. Über Geschmack kann man sich bekanntlich nicht streiten.

Ich habe bisher nur über’s Aussehen geschrieben? Ja, das ist richtig so, es ging ja auch nur um das rein Optische. Einmal bin ich ja ein Verfechter der Theorie, daß Annäherung zwischen den Geschlechtspartnern sowieso durch reine Sinneswahrnehmungen gesteuert wird und das nähere Kennenlernen, das auch ein Erkennen des Charakters und der geistigen Ebene beinhaltet, erst in zweiter Linie erfolgt, leider manchmal viel zu spät.
Wer lernt denn schon eine Frau kennen und sagt hinterher zu seinen Kumpels: „Mensch, die hat aber eine Menge Zitate von Pablo Neruda drauf, geil! Und Ökotrophologin ist sie auch noch, süüüüß!“

Zum anderen geht es hier bei dem was ich erzählen möchte, nur um den optischen Aspekt, denn wir waren ja, bevor ich wie üblich ins Abschweifen geriet bei Anette stehen geblieben. Anette war also die etwa 23jährige Tochter eines Nachbarn und hatte eines Tages auf ein Schild im Schaufenster hin sich als Putzhilfe beworben. Sie tat das bei Frau Büser, die mir nur lakonisch mitteilte, sie habe endlich einen Ersatz für die Spanierin Maria gefunden, die seit zwei Wochen bei uns sauber machte, das aber nur unter lautem Abmurmeln von Gebeten tat und sich angesichts von Särgen, Kreuzen, Urnen und Totenhemden mindestens 243.871mal am Tag bekreuzigte. Sie konnte nachts nicht mehr schlafen, weil sie in ihren Träumen von Toten, verblichenen Ahnen und Geistern verfolgt wurde.

Ich wußte also nur, daß eine Neue kommt, dachte nicht mehr daran und sah eines Morgens, als ich in der kleinen Kaffeeküche stehe, wie sich im Raum gegenüber bei offener Tür eine junge, schlanke, blonde Frau mit Kurzhaarschnitt langsam und fast schon lasziv bis auf die Unterwäsche entkleidete.
Meine Zunge klebte am Gaumen, meine Augäpfel schwollen an und obwohl ich diskret sein wollte, konnte ich nicht weggucken, der Steinzeitmensch in mir gewann Oberhand.
Es gelang mir, den in mir wohnenden Neandi, so nenne ich ihn, abzuschütteln und roch am Kaffee. War heute was in der Kanne, das für diese Halluzination verantwortlich sein konnte? Junge, blonde Frauen mit üppigen ZENSUR und ZENSUR in roter Spitzenunterwäsche?
Ich schloß die Augen und zählte leise bis zehn, öffnete sie dann wieder und sah, daß das engelsgleiche Wesen mit den vielen lustigen Sommersprossen auf der weißen Haut ihres Rückens sich bückte und in dem Moment war mir klar, daß mir nur ein guter Psychiater helfen können würde. Das konnte nicht real sein, das war eindeutig eine Halluzination. Ich trinke nie! Ich schwöre! Allenfalls mal einen Ouzo beim Griechen oder mal ein kaltes Bier im Sommer. Aber selbst wenn ich einer von denen wäre, bei denen der Alkohol nicht durch die Leber abgebaut würde, ich hätte in zehn Jahren nicht so viele Promille in meinem Blut ansammeln können, um so betrunken zu sein, daß eine solche Halluzination berechtigterweise auf meinen Alkoholkonsum zurückgeführt werden könnte.

Ich wandte mich etwas ab, hustete leise und dann sah im Augenwinkel, wie die junge Frau auf mich zu kam, da drehte ich mich um und tat überrascht. Während sie barfuß über den Gang kam, war sie dabei einen nicht ganz knielangen, weißen Kittel zuzuknöpfen. Sie hatte unten angefangen und hielt genau bei den Knopf, der etwa auf der Höhe des vorderen Verbindungsstücks ihres roten BHs lag, inne und streckte mir ihre Rechte hin: „Hi, ich bin die Anni, ich putze hier.“

Ich stammelte „Garwala Nahomni Blubb“, nahm schnell einen kleinen Schluck Kaffee, was meine Zunge wieder in die horizontale Lage brachte und wiederholte: „Und ich bin hier der Chef“ und ergriff ihre Hand.

„Sie dürfen meine Hand jetzt wieder los lassen“, lächelte mich Anni an, als ich so an die 30 Sekunden später immer noch wie in Zeitlupe ihre Hand schüttelte. „Ich fang dann mal an, Frau Büser hat mir schon alles gezeigt.“

Im kleinen Raum gegenüber schlüpfte sie noch in halbhohe, weiße Gummischuhe und begann, außer den Gummischuhen nur drei Kleidungsstücke tragend, ihr reinigendes Werk.

„Grrr“, machte Neandi irgendwo in meinem Fischhirn und das war der Moment, in dem ich mich an diesem Tag mal wieder mit Kaffee bekleckerte. Die morgendliche Prophezeiung der Allerliebsten: „Und beklecker dich nicht gleich wieder!“ war in Erfüllung gegangen.


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 26. Januar 2013 | Peter Wilhelm 26. Januar 2013

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19 Kommentare
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11 Jahre zuvor

Reinstes Kopfkino!. Genial.

Myanka
11 Jahre zuvor

Jetzt hätte ich auch fast meinen Kaffee verkleckert – vor Lachen! Mir geht’s mit meiner Neandertalerin meist genau SO! 😀

Brigitte Wagner
11 Jahre zuvor

Herrlich, diese Mischung ausNeandertaler und Minnesänger!

Mic
11 Jahre zuvor

“Garwala Nahomni Blubb”

Ich lieg gerade unter dem Tisch vor Lachen bei der Vorstellung!

Chris
11 Jahre zuvor

…ich stelle mir das etwa so wie Obelix und Falbala (Asterix als Legionär) vor *ggg*

Big Al
Reply to  Chris
11 Jahre zuvor

Genau mein Kopfkino…

simop
Reply to  Big Al
11 Jahre zuvor

Genau! 😀

Michi
Reply to  Chris
11 Jahre zuvor

Jaaa, das war da auch mein erster Gedanke 😀

Und mein Kopfkino lief beim Lesen auf Hochtouren… Schön geschrieben, ohne dabei auf billiges P*rn*-Niveau abzugleiten 🙂

mm.
Reply to  Michi
11 Jahre zuvor

Das o ist drei weiter links, dann hättst du auch nicht Shift drücken müssen.
Porno
Gern geschehn!

Christians Ex
11 Jahre zuvor

Ich stell mir das grad vor, wie mein Lieblingsschauspieler das abziehen würde… OK, roter BH und weißer Kittel stünden dem nicht so.

turtle of doom
11 Jahre zuvor

Dieser Beitrag ist wertlos ohne Bilder.

Big Al
Reply to  turtle of doom
11 Jahre zuvor

Der Schweizer wieder.

turtle of doom
Reply to  Big Al
11 Jahre zuvor

Das ist wieder übelstes bashing.

Muss wohl noch andere Schweizer geben hier.

Big Al
Reply to  turtle of doom
11 Jahre zuvor

Eigentlich mehr die übliche Trockenheit deines Kommentares, aber wenn du Bashing willst…

turtle of doom
Reply to  Big Al
11 Jahre zuvor

*kicher*

Muss meinen Koffeinmangel beheben…

Jemand, der sich lieber nicht nennt, schaufelte sich sein eigenes Grab und
Reply to  turtle of doom
11 Jahre zuvor

Nacktbilder?

turtle of doom

Nein. Die Bilder von Google Kloview. Aber vom ganzen Gebäude natürlich.

alfred
11 Jahre zuvor

Öhm… du kennst eine Neruda zitierende Ökotrophologin? Kannst du mich mit der bekannt machen? 🙂

11 Jahre zuvor

Lieber Tom, wenn deine Leber keinen Alkohol abbauen würde, wärst du schon längst an Alkoholvergiftung gestorben, auch ohne in deinem ganzen Leben einen einzigen Tropfen Alkohol zu dir zu nehmen. Es entsteht nämlich im normalen Stoffwechsel immer eine geringe Menge Alkohol. Vermutlich der Grund, warum die Leber überhaupt Alkohol abbauen kann.




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