Ghanaische Phantasiesärge – Eine farbenfrohe und symbolträchtige Bestattungskultur
In vielen Kulturen wird der Tod als ernster, stiller Moment betrachtet. In Ghana hingegen ist es üblich, Verstorbene mit ausgelassenen Feiern, Musik und kunstvollen Ritualen zu verabschieden. Besonders bekannt ist Ghana für seine maßgeschneiderten Phantasiesärge, die nicht nur als letztes Transportmittel für den Verstorbenen dienen, sondern auch dessen Lebensgeschichte erzählen. Diese kunstvollen Särge gibt es in den verschiedensten Formen – von riesigen Fischen über Coca-Cola-Flaschen bis hin zu Flugzeugen und Luxusautos.
Die Bedeutung der Phantasiesärge in Ghana
Die Idee der kunstvollen Särge stammt ursprünglich von den Ga, einer ethnischen Gruppe in der Region um Accra. Nach ihrem Glauben hört das Leben nach dem Tod nicht einfach auf – vielmehr tritt die verstorbene Person in eine neue Existenzform über. Deshalb soll die letzte Reise ins Jenseits würdevoll, aber auch persönlich gestaltet sein.
Die Auswahl des Sarges ist daher kein Zufall: Ein Fischer wird beispielsweise in einem fischförmigen Sarg beerdigt, ein Pilot in einem Flugzeugsarg und wohlhabende Geschäftsleute in einem goldenen Mercedes-Sarg. Diese „Abebuu Adekai“ („sprechende Särge“) würdigen das Leben des Verstorbenen und symbolisieren seinen sozialen Status.
Geschichtlicher Hintergrund – Die Anfänge der Kunstsärge
Die Tradition der Phantasiesärge begann in den 1950er-Jahren mit dem ghanaischen Schreiner Kane Kwei. Ursprünglich hatte er für einen Häuptling einen Sarg in Form eines Flugzeugs gefertigt, weil dieser zu Lebzeiten davon geträumt hatte, Pilot zu werden. Die Idee fand schnell Anklang, und bald begannen immer mehr Familien, individuelle Särge für ihre Verstorbenen in Auftrag zu geben.
Heute gibt es in Ghana zahlreiche Werkstätten, die sich auf diese Art von Bestattungskunst spezialisiert haben. Besonders bekannt sind die Werkstätten von Paa Joe und Eric Adjetey Anang, deren Werke sogar in Museen wie dem British Museum in London oder dem Brooklyn Museum in New York ausgestellt wurden.
Symbolik der Sargformen – Was steckt dahinter?
Jeder dieser kunstvoll gestalteten Särge erzählt eine Geschichte. Hier sind einige typische Formen und ihre Bedeutungen:
- Fische – Für Fischer oder Menschen aus Küstendörfern.
- Flugzeuge – Für Piloten oder Personen, die viel gereist sind.
- Autos – Für wohlhabende Geschäftsleute oder Autoliebhaber.
- Bibeln – Für tief religiöse Christen.
- Hühner – Oft für Frauen, die eine große Familie versorgt haben.
- Werkzeuge (z. B. Hammer, Säge) – Für Handwerker und Baumeister.
Die Rolle der Bestattungsfeiern
Bestattungen in Ghana sind keine stillen und besinnlichen Zeremonien, sondern ausgelassene Feste, die das Leben des Verstorbenen feiern. Sie dauern oft mehrere Tage und beinhalten:
- Musik und Tanz: Traditionelle Trommeln und Tänzer sorgen für eine feierliche Atmosphäre.
- Speisen und Getränke: Hunderte Gäste werden mit Essen und Getränken versorgt.
- Neue Kleidung für die Trauergäste: Maßgeschneiderte, farbenfrohe Outfits gehören dazu.
- Reden und Geschichten: Familienmitglieder und Freunde teilen Erinnerungen an den Verstorbenen.
Sargschreinerei Ghana
Falsche Mythen über ghanaische Bestattungen
- „Jeder Ghanaer wird in einem Phantasiesarg beerdigt.“ → Diese Särge sind teuer, viele werden weiterhin in schlichten Holzsärgen bestattet.
- „Die Särge haben eine religiöse Bedeutung.“ → Sie sind eher ein kultureller Brauch und keine Pflicht.
- „Ghanaische Bestattungen sind immer laut und ausgelassen.“ → Während viele Feiern fröhlich sind, gibt es auch ruhige Zeremonien.
Fazit – Eine einzigartige Art, das Leben zu ehren
Die ghanaischen Fantasiesärge zeigen eindrucksvoll, dass der Tod nicht nur mit Trauer, sondern auch mit Kreativität, Freude und Würde verbunden sein kann. Diese Kunstwerke spiegeln das Leben, die Persönlichkeit und die Leidenschaften der Verstorbenen wider und sind weit mehr als nur ein einfacher Sarg – sie sind ein letztes großes Statement über die Identität eines Menschen.
Während sich in vielen Ländern Bestattungen zunehmend vereinheitlichen, zeigt Ghana, wie kulturelle Individualität und künstlerischer Ausdruck auch nach dem Tod eine große Rolle spielen können.
Weiterführende Links und Quellen
- BBC – The Story of Ghana’s Fantasy Coffins
- National Geographic – Artful Burials: Ghana’s Colorful Coffins
- British Museum – Ghanaian Coffin Art
- Paa Joe – Master Coffin Maker
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- ghana-saerge: https://kwilla.livejournal.com/259720.html