Bestattung interkulturell: Voodoo und Zombies

Zombies sind überall – zumindest, wenn man den Spielfilmen und Serien glaubt. Sie stapfen durch apokalyptische Landschaften, jagen die letzten Überlebenden und verkörpern das ultimative Grauen nach dem Tod. Erstaunlicherweise halten laut Umfragen rund 29 Prozent aller amerikanischen Jugendlichen eine „Zombie-Apokalypse“ für eine reale Bedrohung.

Doch die Wahrheit über die Zombies liegt ganz woanders – fernab von Hollywood, in den spirituellen Traditionen Haitis und Westafrikas.

Voodoo und die Wahrheit über Zombies

Wenn in westlichen Filmen von „Zombies“ die Rede ist, denkt man an blutrünstige Untote, die aus Gräbern steigen und Jagd auf Menschen machen. Doch dieses Bild hat mit dem ursprünglichen Voodoo-Glauben kaum etwas zu tun. Der Begriff zombi (auch zonbi) stammt aus dem haitianischen Kreol und hat eine ganz andere, tief spirituelle Bedeutung.

Im haitianischen Vodou ist ein Zombi kein Monster, sondern ein Körper ohne Seele – oder, je nach Überlieferung, eine Seele ohne Körper.
Der Volksglaube kennt Fälle, in denen ein Mensch durch schwarze Magie seines Ti Bonanj (des persönlichen Lebensgeistes) beraubt wird. Der Körper bleibt zurück, lebt vegetativ weiter, leer und willenlos.
Ein solcher Mensch wird als „Zombi“ bezeichnet. Diese Vorstellung war ursprünglich eine moralische Warnung vor dem Missbrauch spiritueller Macht:
Wer andere unterjocht oder ihnen ihre Seele raubt, begeht das schlimmste denkbare Verbrechen.

Ethnologie statt Aberglaube

Westliche Forscher begannen erst im 20. Jahrhundert, das Phänomen zu untersuchen. Der kanadische Ethnologe Wade Davis beschrieb in seinem Buch „The Serpent and the Rainbow“ (1985),
dass hinter einigen sogenannten „Zombifizierungen“ möglicherweise eine reale biochemische Ursache steckt. Demnach könnten bestimmte Gifte aus Pflanzen und Meerestieren – insbesondere das extrem wirksame Nervengift Tetrodotoxin aus Kugelfischen – in geringen Dosen einen Scheintod oder eine tiefe Lähmung hervorrufen.

In einigen dokumentierten Fällen sollen Menschen nach ihrer „Beerdigung“ plötzlich wieder aufgetaucht sein – verwirrt, apathisch, mit Gedächtnisverlust. Für die Bevölkerung war das der Beweis, dass sie zu „Zombis“ geworden waren. Aus wissenschaftlicher Sicht handelte es sich vermutlich um Vergiftungen und psychische Traumata, die durch kulturelle Erwartung und soziale Kontrolle verstärkt wurden.

Hollywood macht den Zombie zum Untoten

Die moderne Vorstellung vom Zombie als fleischfressendem Untoten entstand erst durch das Kino. 1932 erschien der Film „White Zombie“ mit Bela Lugosi – der erste Horrorfilm, der das haitianische Thema für ein westliches Publikum ausschlachtete. Später, mit George A. Romeros Klassiker „Night of the Living Dead“ (1968), wurde der Zombie endgültig zum Sinnbild einer entfesselten, menschenfressenden Masse.
Der spirituelle Hintergrund des haitianischen zombi wurde dabei völlig ausgeblendet.

Hollywoods Zombie war kein Opfer mehr, sondern der Feind – ein Symbol für Angst, Kontrollverlust, gesellschaftlichen Zerfall. Damit verwandelte sich ein ursprünglich religiöses Konzept über Seele und Verantwortung in ein Unterhaltungsklischee.

Der Zombi im ursprünglichen Sinn: ein Opfer, kein Monster

Im haitianischen Verständnis ist der zombi kein Untoter, der die Lebenden bedroht, sondern ein Mensch, dem seine spirituelle Ganzheit geraubt wurde.
Er ist ein Opfer magischer, sozialer oder psychischer Gewalt. Ihn zu „erlösen“ bedeutet, ihm seinen Ti Bonanj zurückzugeben – seine Seele, seine Würde, sein Bewusstsein.
Erst dann kann er wieder Teil der Gemeinschaft werden oder Frieden im Jenseits finden.

In dieser Sichtweise offenbart sich eine tief menschliche Dimension:
Der Zombie steht für den Verlust von Selbstbestimmung, für Ausbeutung und Unterdrückung – Themen, die im Haiti des 19. und 20. Jahrhunderts eng mit Kolonialismus und Sklaverei verbunden waren.
Der „Zombi“ war also ursprünglich auch eine Metapher für das Leiden des Menschen unter Fremdherrschaft.

Fazit

Zombies sind keine Erfindung des Kinos – aber Hollywood hat sie bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. In Wahrheit geht es im Voodoo nicht um Untote, die Fleisch fressen, sondern um die spirituelle Vorstellung vom Verlust der Seele und um die Verantwortung des Menschen für das, was er anderen antut. Der haitianische Zombi ist nicht der Schrecken der Lebenden, sondern ihr Spiegel: eine Mahnung davor, was passiert, wenn jemand seine Menschlichkeit verliert – oder sie einem anderen nimmt.

So betrachtet, ist der echte Voodoo-Zombi kein Monster, sondern ein Opfer – und vielleicht die traurigste Figur der gesamten Geisterwelt.

Episodenliste: 


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