Bestattung interkulturell: Anthroposophen, Christengemeinschaft

Anthroposophie ist eine spirituelle Bewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Rudolf Steiner (1861-1925) gegründet wurde. Diese Bewegung verbindet Elemente von Mystik, Esoterik und Christentum und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die spirituelle Entwicklung des Menschen. Hier sind einige zentrale Aspekte der Anthroposophie:

Gründer

Rudolf Steiner, ein österreichischer Philosoph, Wissenschaftler und Esoteriker, entwickelte die Anthroposophie als eine Erweiterung der Theosophie.

Grundprinzipien

  • Anthroposophie betont die spirituelle Entwicklung und die Verbindung zwischen Mensch und Kosmos.
  • Es wird angenommen, dass der Mensch durch geistige Schulung seine Wahrnehmungsfähigkeiten erweitern und höhere spirituelle Einsichten erlangen kann.

Anwendungsbereiche

  • Die Prinzipien der Anthroposophie werden in vielen Bereichen angewendet, darunter Bildung (Waldorfpädagogik), Landwirtschaft (biodynamische Landwirtschaft), Medizin (anthroposophische Medizin) und Kunst.

Bestattungsrituale bei den Anthroposophen

Die Bestattungsrituale der Anthroposophen sind tief in ihren spirituellen Überzeugungen verwurzelt und betonen die Weiterreise der Seele nach dem Tod. Hier sind die wesentlichen Elemente und Abläufe einer anthroposophischen Bestattung:

Vorbereitung des Körpers

  • Rituelle Waschung: Der Leichnam wird gewaschen und in weiße Leinentücher gehüllt. Diese Handlung symbolisiert Reinheit und die Vorbereitung auf die spirituelle Reise der Seele.
  • Aufbahrung: Der Verstorbene wird in einem schlichten Holzsarg aufgebahrt, oft zu Hause oder in einem speziell dafür vorgesehenen Raum. Freunde und Familie haben die Gelegenheit, Abschied zu nehmen und ihre letzte Ehre zu erweisen.

Bestattungsritual

  • Totenwache: Es ist üblich, dass Familienmitglieder und Freunde eine Totenwache halten, bei der der Leichnam über mehrere Tage hinweg aufgebahrt bleibt. Während dieser Zeit werden Gebete gesprochen, Gedichte gelesen und Musik gespielt, um die Seele auf ihrer Reise zu begleiten.
  • Lesungen und Gebete: Die Zeremonie kann Lesungen aus den Schriften Rudolf Steiners und anderen spirituellen Texten umfassen. Gebete und Meditationen werden gehalten, um den Übergang der Seele zu unterstützen.

Beisetzung

  • Ort der Beisetzung: Die Beisetzung erfolgt auf einem Friedhof, oft in einem speziell dafür vorgesehenen Bereich, der von der anthroposophischen Gemeinschaft gepflegt wird.
  • Ablauf der Beisetzung: Die Beisetzung wird von einem Priester der Christengemeinschaft (einer religiösen Bewegung innerhalb der Anthroposophie) oder einem anderen spirituellen Führer geleitet. Die Zeremonie beinhaltet weitere Gebete, Lesungen und manchmal auch Gesang.

Nach der Beisetzung

  • Gedenkveranstaltungen: Nach der Beisetzung gibt es regelmäßige Gedenkveranstaltungen, um das Andenken des Verstorbenen zu ehren. Diese können an besonderen Tagen wie dem siebten Tag, dem 40. Tag und dem Jahrestag des Todes stattfinden.
  • Trauerbewältigung: Die Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Hinterbliebenen. Es werden Gespräche, Gebete und spirituelle Übungen angeboten, um den Trauerprozess zu erleichtern.

Spirituelle Aspekte

  • Glaube an die Wiedergeburt: Anthroposophen glauben an die Wiedergeburt und dass die Seele nach dem Tod in einem neuen Leben wiedergeboren wird. Die Rituale zielen darauf ab, die Seele auf ihrer Reise zu unterstützen und ihr den Übergang in das nächste Leben zu erleichtern.
  • Verbundenheit mit der Natur: Viele anthroposophische Rituale betonen die Verbindung zur Natur. Die Beisetzung in einem schlichten Holzsarg und die Pflege des Grabes spiegeln diese Verbindung wider.

Die anthroposophische Bestattungskultur betont die spirituelle Dimension des Todes und die Bedeutung der Gemeinschaft. Durch rituelle Handlungen, Gebete und Meditationen wird der Übergang der Seele begleitet und die Verbindung zwischen den Lebenden und den Verstorbenen gestärkt.

Die Christengemeinschaft entstand 1922 mit dem Ziel einer religiösen Erneuerung. Erwachsene, die sich bewusst entscheiden, Verantwortung in der Gemeinde zu übernehmen, können Mitglied werden, ohne einer festen Glaubensverpflichtung unterliegen zu müssen.

Die Priester der Gemeinschaft genießen Lehrfreiheit, und sowohl Männer als auch Frauen können nach einem Studium an den entsprechenden Ausbildungsstätten (Stuttgart, Hamburg, New York) die Priesterweihe empfangen.

Neben ihrem religiösen Wirken engagiert sich die Christengemeinschaft auch sozial, indem sie Kindergärten, Altenheime und soziale Dienste betreibt sowie Ferienlager für Kinder und Jugendliche organisiert. Ihre Gemeinden sind weltweit vertreten und finanzieren sich durch freiwillige Beiträge und Spenden.

Geprägt von der Anthroposophie Rudolf Steiners, bezeichnet die Christengemeinschaft die Krankensalbung als „heilige Ölung“ oder „letzte Ölung“. Diese zählt zu den Sakramentalien und stellt die erste Phase eines vierstufigen „Sterbe- und Todesgeleits“ dar.

### Die Bedeutung von Ritualen im Sterbeprozess
Der Tod wird in der heutigen Gesellschaft oft verdrängt und ist für viele mit Angst verbunden. Nur wenige Menschen sterben noch im familiären Umfeld, und viele haben noch nie einen Verstorbenen gesehen. Sterben bedeutet, sich von allem Vergänglichen zu lösen, das bislang Halt gegeben hat. Hier stellt sich die Frage nach dem Sinn ritueller Handlungen in der letzten Lebensphase.

Wie eine Geburt, so ist auch der Tod ein heiliger Moment, der menschliche Unterstützung benötigt. Während eine Hebamme über das Wissen der physischen Geburt verfügt, benötigt ein Sterbebegleiter ein tiefes Verständnis für die seelischen Prozesse des Sterbenden. Sakramentale Handlungen sollen dabei nicht als bloßer Brauch verstanden werden, sondern bieten konkrete spirituelle Unterstützung. Ein geweihter Priester führt diese Handlungen aus.

Die Begleitung des Sterbenden

Sechs kultische Handlungen begleiten das Sterben in der Christengemeinschaft:

Vor dem Tod:

– Beichtsakrament
– Abendmahl
– Letzte Ölung

Nach dem Tod:

– Aussegnung
– Bestattung
– Totenweihehandlung

Beichte und Abendmahl: Ein bewusster Abschied

Kurz vor dem Tod stellt sich oft die Herausforderung, Unvollendetes loszulassen. Die Beichte in ihrer neuen Form hilft dabei, Klarheit über das eigene Leben zu gewinnen. Sie ermöglicht es, offene Fragen anzunehmen und Frieden mit dem eigenen Schicksal zu schließen. Im anschließenden Abendmahl kann diese innere Auseinandersetzung vertieft werden, indem Brot und Wein als geistige Stärkung gereicht werden. Am Sterbebett wird keine vollständige Messe gefeiert; der Priester bringt die gewandelten Gaben aus der morgendlichen Menschenweihehandlung mit und reicht die Kommunion mit den entsprechenden Gebeten.

Die Letzte Ölung: Hilfe beim Loslassen

Das Abschiednehmen ist eine Kunst. Manchmal fällt es leichter, loszulassen, wenn man sich zuvor noch einmal bewusst verbindet. Sakramente haben den Zweck, die Verbindung zwischen Leib und Seele zu stärken. Die Letzte Ölung ist keine Geste des Wegschickens, sondern eine bewusste Hinwendung zum Körper, die dem Sterbenden hilft, seinen Übergang in den Tod leichter zu vollziehen. Nicht selten bessert sich nach dieser Handlung sogar der Zustand eines Sterbenden. Sollte eine langfristige Genesung eintreten, kann die Letzte Ölung später erneut empfangen werden.

Der Ablauf der Letzten Ölung

Am Sterbebett spricht der Priester das Hohepriesterliche Gebet aus dem Johannesevangelium. Anschließend salbt er den Sterbenden mit geweihtem Öl, indem er über den Augen und auf der Stirn Kreuze zeichnet. Das Öl wurde zuvor gesegnet, um heilende und liebevolle Kraft zu vermitteln. Während es in den Körper einzieht, kann die Seele die unterstützende Kraft Christi empfangen, die ihr den Übergang in die jenseitige Welt erleichtert. Die Handlung ist kurz und wird durch einen Ministranten begleitet.

Die Aussegnung: Orientierung für den Verstorbenen

Menschen, die Nahtoderfahrungen gemacht haben, berichten häufig von einem Rückblick auf ihr gesamtes Leben. In den ersten drei Tagen nach dem Tod durchlebt die Seele diesen Rückblick intensiv. Angehörige können in dieser Zeit eine Totenwache halten und Evangelientexte lesen, um den Verstorbenen zu begleiten. Diese Praxis hilft nicht nur dem Verstorbenen selbst, sondern erleichtert auch den Hinterbliebenen den Abschied.

Nach diesen drei Tagen erfolgt die rituelle Aussegnung. Dabei wird dem Verstorbenen symbolisch ein neuer Weg gewiesen, der ihn in die Welt des Geistigen überleitet. Die Angehörigen begleiten diesen Moment bewusst.

Die Bestattung: Rückgabe an die Elemente

Nach der Aussegnung wird der Sarg geschlossen und der Leichnam den irdischen Elementen übergeben. Bei einer Erdbestattung geschieht dies am Grab, bei einer Feuerbestattung erfolgt die Trauerfeier meist im Krematorium. Während der Zeremonie lädt der Priester den Verstorbenen ein, noch einmal gegenwärtig zu sein – nicht mehr in physischer Form, sondern als geistige Präsenz.

Die Totenweihehandlung: Verbindung mit der geistigen Welt

Jede Menschenweihehandlung umfasst auch die Verstorbenen. Besonders in den ersten Wochen nach dem Tod wird der Verstorbene in einer speziellen Totenweihehandlung in den Gebetsstrom der Gemeinde einbezogen. Diese rituelle Handlung dient dazu, ihm eine weitere Hilfestellung für seinen neuen Weg zu geben und die Verbindung zu den Lebenden aufrechtzuerhalten.


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