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Die Laternos

Mama Maria ist glücklich, sie kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu, entblößt zwei einsame Stiftzähne zu einem breiten Lachen und überschüttet mich mit einem Schwall nie gehörter italienischer Vokabeln. Die Familie hat getafelt und zwischendurch war man auf die Idee gekommen, genau jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um den Sarg für Paolo auszusuchen.

Nur drei Gläser Rotwein später zog die Karawane in den Ausstellungsraum zurück und, siehe da, die Frauen räumten die ausgebreiteten Decken ganz selbstverständlich wieder weg. Ich zog schon meinen Kopf zwischen die Schultern, ob des großen Palavers, das jetzt wohl wieder beginnen würde, doch dann überraschte man mich.

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Italienische Särge sind für gewöhnlich besonders gut verarbeitet, dafür auch im Preis recht hoch und deshalb haben wir derzeit nur eine recht große, dunkelblaue Truhe in Hochglanzlack in der Ausstellung. Die Italiener interessieren sich nur für die großen, glänzenden Modelle, die Diskussionen halten sich, für italienische Verhältnisse, in Grenzen. Dann entdeckt der Quirlige das Schild an der blauen Truhe auf dem das Wort „italienisch“ steht und sofort versammeln sich alle um das Prunkstück und die Entscheidung fällt binnen weniger Minuten, ohne jegliches Blutvergießen.

Mama Maria ist immer noch glücklich, will mich schon wieder umarmen und nur der Quirlige verhindert das, indem er mich zur Seite zieht und mir mit gesenkter Stimme ins Ohr schreit: „Jetzte könne Sie Paolo in Schachtel mache!“

Genauso schnell wie sich die mafiösen Strukturen über unser Haus verbreitet haben und in fast jedem Raum für Unordnung und Tohuwabohu gesorgt haben, so schnell räumen sie auch alles wieder auf. Ich sehe, wie ein ganzer Schwarm Frauen mit Geschirr und Essensresten nach oben verschwinden und kann mir schon vorstellen, wie sehr sich meine Frau freuen wird.

Luigi hat sich aus dem allgemeinen Treiben ausgeklinkt und macht in der Trauerhalle auf drei aneinandergeschobenen Stühlen ein Nickerchen.

Der Quirlige läßt es sich nicht nehmen mit vier möglicherweise mit ihm verwandten Männern den Sarg selbst nach unten zu tragen.

Wenig später hat sich das Bild in unserem Haus gewandelt. Aus dem Haufen herumwuselnder lauter Italiener ist eine andächtige Trauergemeinde geworden. Der Sarg mit Paolo steht in der Trauerhalle, Luigi reibt sich verschlafen den Sand aus den Augen, nachdem Mama Maria ihm einen Stoß in die Seite versetzt hat und die ganze ‚Familia‘ versammelt sich um den Sarg, um Paolo zu betrachten.

Die Frauen weinen, die Männer tuscheln, aber über allem liegt eine feierliche Stimmung.


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 15. März 2008 | Revision: 28. Mai 2012

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6 Kommentare
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Buchstabensalat
16 Jahre zuvor

@jemand: der war doch sogar schon im extra gekauften Frack, als der Undertaker ihn abholte. Sozusagen „take away“. 😉

Salat

Ar-ras
16 Jahre zuvor

Das will ich mal erleben 🙂

Klingt ja lustig

Aki
16 Jahre zuvor

so schön 🙂

Leben und Sterben gehört einfach zusammen.

Aki

jemand
16 Jahre zuvor

Musstet ihr den nicht noch herrichten?

aga80
16 Jahre zuvor

Hmmm das klingt ja wirklich interessant.
Ok die Familie ist anstrengend aber irgendwo nett , ich freue mich irgendwie schon auf die Fortsetzungen .
(habe die links gleich mal weiter geschickt)

Mirella
16 Jahre zuvor

[besserwissermodus_on]
„La famiglia“ schreibt mit sich mit „gl“, während „familiare“ (also familiär) nur ein „l“ hat.
[besserwissermodus_off]




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