Geschichten

In der Psychiatrie – XIX –

psychiatrie

Manchmal ist es ja gar nicht so schwer, jemandem eine Falle zu stellen. Aber manchmal kann man nur mit dem Kopf schütteln, wie leicht es einem das Opfer macht.
Ich habe mir schon oft Gedanken über dumme Menschen gemacht. Darüber, um wie viel leichter sie es haben, weil sie nichts hinterfragen, nichts überdenken und sich ganz allgemein nicht so den Kopf zerbrechen. Ist die Dummheit noch von einer gewissen Dreistigkeit begleitet, so spricht man wohl davon, daß diese Menschen dummdreist sind.
Und genau von dieser Sorte ist Hardy. Susanne ist nicht viel intelligenter, da darf man sich nicht täuschen lassen, aber sie ist obendrein auch noch raffgierig und das treibt sie an.
Hardys Interesse beschränkt sich nach meiner Ansicht allein darauf, eine Frau zu haben, die ihm scheinbar willig ist, ein ordentliches Dach über dem Kopf zu haben, abends seine 6-7 Flaschen Bier zu bekommen, etwas Leckeres vorgesetzt zu bekommen und wochenends vor der Sportschau alles besser wissen zu dürfen.
Susanne vermittelt ihm das Gefühl, dieses seien seine Bedürfnisse und sie erfüllt ihm diese. Daß sie das nur tut, um endlich an ihr Ziel zu kommen, Geld und ein Haus zu haben, begreift der Hannepampel nicht.

Meine Frau sagt zu mir: „Wenn sie mit dem durch ist, dann landet der auch in der Klappsmühle.“

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Doch ich bin da anderer Meinung: „Ich würde Dir ja zustimmen, wenn Hardy nur im Geringsten Aussicht auf Geld oder Immobilien hätte. Aber an der Seite von dem Verlierer, da wird Susanne eher trockenes Brot als Kaviar zu essen bekommen. Die hat nur ein Minigehalt und ihr sitzt immer der Gerichtsvollzieher im Nacken; und Hardy läuft weg, wenn das Wort Arbeit auch nur ausgesprochen wird. Wie will die denn mit dem auf einen grünen Zweig kommen?“

Gerade eben habe ich das gesagt, da klingelt das Telefon.
Es ist Hardys Mutter und meine allerliebste Ehefrau lauscht angestrengt. Ich kann dem Gespräch, das sich entwickelt, nicht wirklich folgen, außerdem muß der Hund noch raus.

Draußen mache ich mir so meine Gedanken. Susanne ist damit gescheitert, ihrem ersten Mann das Haus abzuluchsen. Nach allem, was wir jetzt wissen, hatte der nämlich eins und das ist den Bach runter gegangen, wie man so sagt. Die Fleischersfrau aus Susannes ehemaligen Wohnort hat bereitwillig zum Besten gegeben, Susanne habe Haus und Hof verzockt. Was immer sie mit ‚verzocken‘ auch gemeint hat. Also hatte der Mann kein Haus und kein Geld mehr und dann mußte er halt weg. Nun kann es ja nicht so einfach sein, jemanden in die Psychiatrie zu bringen. Die Hürden dafür sind recht hoch.
Nach einer Gewaltattacke oder einem Alkoholexzeß, wird man vielleicht einen Arzt davon überzeugen können, den Betreffenden einweisen zu lassen, aber so viel ich weiß, muß derjenige dann binnen 24 Stunden einem Richter vorgeführt werden, der über das weitere Vorgehen entscheidet. Und kein Richter wird leichtfertig eine Unterbringung auf Dauer anordnen.
Also muß Susanne da irgendeinen Trick kennen, mutmaße ich.
Mit unserem Freund hat sie das ja auch hinbekommen. Er war ihr zweites Opfer. Und auch bei ihm war ein Haus im Spiel.
Susannes Methode scheint also zu sein, einen Mann an sich zu binden, den langsam im eigenen Saft weichzukochen und ihn dann wegsperren zu lassen, um das Haus für sich zu haben. Wahrscheinlich ist es ihr absoluter Traum, Herrin über ein eigenes Haus zu sein; und sie weiß ganz genau, daß sie mit ihrer Vorgeschichte und ihren Schulden aus eigenem Antrieb diesen Wunsch niemals wird erfüllen können.

Doch wie paßt der Taugenichts Hardy da ins Bild?
War sein Auftritt nicht zu früh? Wäre es nicht klüger gewesen, Hardy erst dann aus dem Hut zu zaubern, wenn Martin bereits in der Psychiatrie ist?
Hm, ich grübele und auf einmal habe ich die Lösung für diese Frage. Ist doch klar! Sie hätte Martin, diesen gemütlichen, unterwürfigen Tanzbären niemals auf andere Weise aus der Ruhe bringen können. Das Einzige was den interessierte, war, Susanne und Ronja glücklich zu machen. Solange dieses Familienglück nicht gefährdet war, konnte den nichts aus der Fassung bringen! Das muß Susanne erkannt haben und genau deshalb mußte eine Bedrohung dieses Familienglücks her, nämlich in Gestalt des trinkfreudigen Asozialen Hardy!

„Sie da, Sie mit dem Köter!“, ruft es hinter mir und ich werde unsanft aus meinen Gedanken gerissen. So geht es auch „Buddy“ unserem Labrador und er zerrt an der Leine. Hinter uns ruft eine Frau: „Der hat da hin gemacht!“ Dabei deutet sie auf irgendwas auf dem Boden. Ich bezweifele stark, daß das von unserem Hund stammt, denn der hat sich, wie es sich gehört, schon eine Viertelstunde vorher hinterm Friedhof auf einem Rübenacker entleert. Wenn er noch was gemacht hätte, wäre mir das nicht entgangen, denn der Hund dreht sich dann immer so komisch und renkt mir mit der Leine fast das Schultergelenk aus.

„Guten Abend!“, sage ich zu der Frau und die sagt nur: „Das müssen Sie wegmachen!“

Ich nehme den Hund etwas kürzer und gehe näher hin. Vor der Frau liegt ein Stück von einem abgebrochenen Ast auf dem Boden und sie zeigt mit dem Finger darauf. „Das ist Kacke!“

„Ach was?“

„Das muß ihr Hund gemacht haben, heute Morgen war das nämlich noch nicht da.“

Ich gehe etwas näher heran, bücke mich, hebe die vermeintliche Hundekacke auf, rieche daran, schließe kurz die Augen und sage dann: „Nein, das ist nicht von meinem. Das riecht nach Frolic und altem Käse, so etwas frißt mein Hund nicht; und außerdem ist mein Hund ein Labrador und das ist ja eindeutig Pudelkacke.“ Mit diesen Worten drücke ich der Frau das Holzstück in die Hand und gehe mitsamt Hund weg.

Ein spitzer Schrei und dann folgen Verwünschungen. Wie gut, daß ich nicht an Verwünschungen glaube.

Ärgerlich, jetzt hat die Kacketante mich aus meinen Gedanken gerissen und ich habe den Faden verloren. Irgendeine Schlußfolgerung hatte ich schon fast fertig durchdacht, irgendeine Idee war mir gekommen, aber ich kam nicht mehr drauf.

Als ich nach insgesamt immerhin anderthalb Stunden wieder zu Hause bin, ist die Allerliebste immer noch am Telefon und spricht mit Hardys Mutter.
Ich beschließe, noch irgendetwas anderes zu tun, irgendwann müßte sie ja mal zum Ende kommen.
So hole ich eine Schachtel Zigaretten aus dem Büro, nicht ohne eben noch die Blumen dort zu gießen, meine Steuererklärung zu machen und ein Buch zu schreiben.
Kaum bin ich Stunden später wieder oben, ist sie auch schon fertig.

„Und?“

„Hardys Mutter hat mir gerade erzählt, daß vorhin Susanne und Hardy bei ihr gewesen sind und sogar Kuchen und Wein mitgebracht haben.“

„Das ist aber außergewöhnlich.“

„Was ist daran so außergewöhnlich, selbst Rotkäppchen brachte ihrer Großmutter Kuchen und Wein.“

„Ja, und wir wissen auch, wie die Geschichte ausgegangen ist, die Großmutter ist vom bösen Wolf gefressen worden.“

„Stimmt auch wieder.“

Wir diskutieren noch eine ganze Weile über Susanne und Hardy, dann wechsele ich das Thema. Mich stört es, daß die beiden so gesprächsbeherrschend werden.
Später im Bett schlafe ich ziemlich rasch ein. Während der Nacht wache ich plötzlich auf. Es ist ja so, daß im Traum die Gedanken die man zu verdrängen oder zu vergessen versucht, ums Überleben kämpfen.
Und ein Gedanke hat sich in meinem Traum ziemlich kräftig nach vorne gedrängelt: Hardys Mutter hat ein Haus!


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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 9 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 14. Mai 2015 | Revision: 17. Mai 2015

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Flamebeard
9 Jahre zuvor

AAaaargh! Das ist ja so, als ob ich meine Lieblingsfernsehserie gucke! Da ist auch jedes Mal Schluss, wenn es gerade spannend wird… Gib’s zu, das machst du mit Absicht!

Erica
9 Jahre zuvor

Natürlich macht ers mit Absicht , das ist doch klar…und liest dann hämisch grinsend unsere Jammerkommentare….*lach*.
Gibs zu Peter, Du bist ein klitzekleinwenig sadistisch ;-))

Eardy
9 Jahre zuvor

Wenn ich die Geschichte lese habe ich die ganze Zeit das gefühl einen Eifel-Krimi zu lesen.
Man könnte fast meinen es wäre alles erfunden, so spannend wie das geschrieben ist 😀

Halo
9 Jahre zuvor

also lieber Peter, wenn Du doch während des Telefonates Deiner Holden so viel Zeit hattest, hättest Du doch auch leicht diese Geschichte ENDLICH zu Ende bingen können
.. oder?

Steven Coolmay
9 Jahre zuvor

Wieso gibt es eigtnlcih nicht mehr die Links zu den anderen zusammenhängenden Beiträgen 🙁

Hajo
Reply to  Steven Coolmay
9 Jahre zuvor

@Steven Coolmay:
lieber Steven, es gibt da so ein hilfreiches ein Feld (bei mir ist es rechts oben und grau hinterlegt), auf welchem eine Lupe abgebildet ist und dahinter das Wort „Suche“ zu finden ist. Dort kann man das Wort Psychiatrie eingeben und bekommt schön chronologisch aufgelistet alle bisherigen Folgen.
Ach ja, einen Hinweis noch: die Fälle sind nach der Aktualität gelistet, also der neueste zu oberst, Du musst also nach unten scrollen und ggf. auch nehrfach das Feld „ältere Einträge“ anklicken.
viel Erfolg!

Hajo
Reply to  Hajo
9 Jahre zuvor

@Hajo:
ja, ich weiss: da ist ein „ein“ zu viel, wer’s findet darf’s behalten.

Kenny
9 Jahre zuvor

Bei meiner Lieblingsfernsehserie muss ich wenigstens nicht knapp 6 Jahre auf die Fortsetzung warten. Unerhört.

Eterna
9 Jahre zuvor

Jetzt habe ich alle in einem Rutsch durchgelesen, weil es so spannend ist.
Hoffentlich geht es bald weiter 🙂

Leo
9 Jahre zuvor

Hee, es heißt nicht „HannePamPel“!!! Wenn schon dann HanneBamBel mit B und B. *g*
Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Odenwälderisch

Die Leo.




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