Geschichten

In der Psychiatrie -XVIII-

psychiatrie

Die Allerliebste kann ja eine Zecke sein. Meine Frau ist eine sehr hilfsbereite Person, die genau wie ich ein Leben zwischen Hedonismus und Altruismus führt. Allerdings leidet sie an Empathitis und will immer auch dann helfen, wenn ich die Sache als hoffnungslosen Fall abtue. Ja, manchmal habe ich den Eindruck, daß sie ihre Hilfsbereitschaft geradezu aufnötigt. Ich spüre dann, daß ihr Gegenüber das eigentlich gar nicht unbedingt braucht, aber sie rennt dann von Pontius zu Pilatus, um die Sache zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen.
Ich lasse sie gewähren, denn lieber so, als teilnahmslos und oberflächlich. Im Grunde genommen ist es mir sowieso egal, ob jemand die Hilfe verdient hat oder so, mir geht nur die damit einhergehende Steigerung der Verbalfrequenz bei Frauen immer auf den Senkel.

Aber genausogut kann sich die Holde auch in einen üblen Racheengel mit ganz schön fiesen intriganten Gedanken verwandeln. Das greift vor allem dann Raum, wenn ihr Gerechtigkeitsempfinden angekratzt wird. Zu Unrecht verdächtigt zu werden, das ist für sie das Schlimmste, und das dehnt sie bisweilen auch auf andere Leute aus, die sie unter ihre Fittiche genommen hat.

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Dem gemütlichen Martin war nicht mehr zu helfen, der hatte sich erhängt, war längst eingeäschert und beigesetzt. Aber meine Frau kann nicht ertragen, daß hier und da gemutmaßt wurde, der habe seine Frau verprügelt, Haus und Hof versoffen, bei illegalem Glücksspiel mitgemacht und sozusagen den Tod auch noch verdient. Offenbar ist es ja genau andersherum, diejenigen, die sich jetzt als Opfer darstellen, sind in Wirklichkeit die Täter.

Welche Chuzpe Susanne an den Tag legt, sieht man daran, daß bei Frau Berg ein Brief eintrudelt, in dem Susanne und Hardy die alte Dame auffordern, nicht nur das ausgesprochene Hausverbot zurückzunehmen, sondern bitte mal eben, bis zum Ende des Monats das Haus zu räumen.

„Es ist ja hinlänglich bekannt, daß eines Tages meine Tochter Ronja das Haus erben wird. Ronja ist noch nicht volljährig und als ihre gesetzliche Vertreterin ist es meine Aufgabe das Erbe zu sichern. Durch eine Vermietung würde das Haus herabgewirtschaftet und hat später nicht mehr den Wert wie vorher. Deshalb muß ich da einziehen, um die Subztans (sic!) zu erhalten. Ich gebe eine Frist bis 31.“

So ein bißchen läuft mir die Sache aus dem Ruder. Nicht, daß ich falsch reagiert hätte, nein, es sind zwei Dinge, die mir die Einflußnahme erschweren. Einmal war ein paar Tage zuvor mein Interesse etwas abgeflaut, und zum anderen hat die Allerliebste nun die Fäden in der Hand. Und jetzt kommt eine weibliche Eigenart zum Tragen die jeder Mann kennen dürfte: „Das habe ich Dir aber erzählt!“ „Nein, das hast Du nicht!“ „Doch, das weiß ich aber ganz genau!“

Eine Problematik wird mit zig anderen Frauen am Telefon so lange breitgetreten, daß sich bei meiner Frau das Gefühl einstellt, sie habe es allen erzählt, also auch mir. Ich weiß aber von nichts, weil sie definitiv mit mir nicht darüber gesprochen hat. „Du hörst mir bloß nie zu!“

Stimmt schon irgendwie, denn obwohl man ja Männern nachsagt, sie könnten nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun, habe ich es bis zur Perfektion verfeinert, gleichzeitig interessiert zu schauen, zu nicken, „Ach was?“ und „Oh!“ zu sagen, und die Ohren auf Durchzug zu stellen, während gleichzeitig mein Verstand einer Fernsehserie folgt. Dabei gehört es aber zur eben beschriebenen Perfektion, daß man auf bestimmte Reizwörter sehr individuell reagiert, sonst funktioniert es nicht!
Bei der Erwähnung meiner Schwiegermutter beispielsweise muß ich immer, wegen des nicht allzu guten Verhältnisses meiner Frau zu ihrer Mutter, „die schon wieder“ sagen und das in einem vorwurfsvollen Unterton. Und auf die Wörter dick, alt und Gewicht muß man unabdingbar in ganzen Sätzen antworten: „Du bist weder dick, noch alt, mein Schatz, Du bist geradezu perfekt. Alle mechanischen Waagen unterliegen gewissen physikalischen Schwankungen und zeigen stets was Falsches an.“

Auf alle Sätze, die mit „Du bist“ oder „Du hast“ beginnen, muß man sagen: „Tut mir leid, kommt nicht wieder vor.“

So bleibt es mir lange ein Rätsel, was diese Frauen da für Pläne schmieden.

Die Allerliebste bemüht sich, mich auf den Stand der Dinge zu bringen.
Frau Berg ist wild entschlossen, um ihr Haus zu kämpfen. Der Brief von Susanne hat einfach dem Faß den Boden ausgeschlagen und nun ist es ihr einfach nicht mehr egal was aus der Dürren wird, sondern sie empfindet Haß.
Gudrun, ihre Tochter, hat im Leben von Susanne herumrecherchiert: „Dazu muß man heute ja kein Detektiv sein, das Internet offenbart doch beinahe alles. Vor allem, wenn man so blöd ist, wie Susanne, und alles fotografiert und ins Netz stellt.“
Denn Susanne habe den Fehler begangen, mit Hardy das Haus aufzusuchen, in dem sie früher gewohnt und ihren ersten Mann gepflegt hatte. Kein Mensch weiß, warum sie das getan hat, vielleicht aus Sentimentalität. Jedenfalls ist Gudrun auf dem Foto das Haus nebean aufgefallen, in dem eine Metzgerei untergebracht ist. Und kurzerhand ist sie dorthin gefahren und hat die geschwätzige Metzgersfrau gehörig ausgefragt.

Die Neuigkeiten lassen Susanne gar nicht mal in einem neuen Licht erscheinen, sondern bestätigen nur auf schlimme Weise, das Bild, das mittlerweile alle in unserem Umfeld von ihr haben.
Susannes Geschichte geht so: Sie habe ihren schwerkranken Mann, der immer nur getrunken habe, aufopfernd gepflegt, bis er in ihren Armen verstorben sei. Mit letzter Kraft habe er ihr noch das Versprechen abgenommen, immer gut für Ronja zu sorgen. Er soll gesagt haben: „Versprich mir, daß es Ronja immer gut gehen wird. Sorge dafür, daß ihr ein Haus habt und such Dir einen neuen Mann, Du bist noch so jung!“

Doch die Version der Fleischersgattin klingt etwas anders.
Der fleißige und begabte Handwerker sei immer nur für seine Familie da gewesen und habe alles für seine Lieben getan. Eines Tages sei er aber durchgedreht und habe im Suff angeblich Susanne und Ronja mit einem Messer bedroht. Daraufhin sei die Polizei gekommen, später auch ein Notarzt, und dann sei der total betrunkene Mann in die Irrenanstalt gekommen. Daß der auch Krebs hatte, ist erst im Krankenhaus in Bullerbeck, der Psychiatrie, herausgekommen. Susanne habe den aber keineswegs gepflegt, sondern der sei einsam und verlassen im Krankenhaus gestorben. „Und getrunken, das hat der nie!“

Merkwürdige Parallelen!

Die Allerliebste meint: „Stell Dir vor! Wir haben Hardys Mutter voll auf unserer Seite. Der Hardy ist zwar ein Arschloch, das wissen wir alle, aber seine Mutter will ihn vor Susanne schützen. Wir vier schaffen das!“

– Fortsetzung folgt –


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Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 13. Mai 2015 | Revision: 19. Mai 2015

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3 Kommentare
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melancholia
9 Jahre zuvor

Danke für die Fortsetzung! Ich liebe deine Wortkunst, auch wenn „die Frauen“ heute nicht so gut wegkommen :-))

Buchhalter
9 Jahre zuvor

30 Ehejahre frage ich mich schon, warum ich vieles nicht mitbekomme. SIE hat es mir nicht gesagt. Danke Tom, für die Lösung dieses Rätsels.

Halo
9 Jahre zuvor

“Du hörst mir bloß nie zu!”
oh ja, lieber Peter, wie gut ich das kenne.
Es wird noch getoppt durch den Spruch: „Du redest ja nie!!!“ Was dann folgendermassen abläuft: Ich setze an, von meinem ausserhäusigen Leben zu erzählen, da spielt mir ein Männer-typischer Fehler einen Streich: während Männer beim Reden ab und zu mal Luft holen müssen, erledigen Frauen offerbar das Ganze in Zweitaktverfahren (Laden und Komprimieren in einem Takt) und das führt halt dazu, dass das Gespräch wieder beim häusslichen Leben der Gattin landet
.. „Du redest ja nie!!!“
🙁




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