Frag doch den Undertaker

Leichengift

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Darf man Leichen anfassen? Oder vergiftet man sich da sofort? Kann man Tote anfassen?

Das Erste was ich immer von Menschen höre, die das erste Mal mit einer Leiche konfrontiert werden, oder die das erste Mal hören, was ich beruflich so mache ist: „Iiiiiih, Leichengift!“
Das Erste, was ich meinen neuen Mitarbeitern Lehrlingen und Praktikanten immer sage ist: „Leichengift gibt es nicht!“
Es ist wirklich ein unausrottbares Märchen, dass Leichen giftig seien oder ein Leichengift ausströmen würden.
Ich zitiere im Verlaufe dieses Artikel aus dem Wikipedia-Artikel „Leichengift„.

Man kann sich selbstverständlich an Leichen infizieren, so wie man sich an jedem lebenden Menschen infizieren kann. Viele Menschen die als Verstorbene zu uns kommen, sind an Infektionskrankheiten verstorben oder uns ist nicht wirklich klar, an was sie verstorben sind. Die Todesursache „Mulitorganversagen“ oder „Herzversagen“ besagt ja zunächst nichts über die Ursachen, die diesem Finale zugrunde liegen. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass Bestatter häufig die Reste der Krankenhaus- und OP-Nadeln und -schläuche entfernen müssen und besonders Unfalltote auch offene Wunden haben, tragen wir immer Gummihandschuhe beim Hantieren mit Verstorbenen.

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Dies ist aber eine Vorsichtsmaßnahme, die auch Rettungssanitäter beim Umgang mit noch Lebenden walten lassen müssen und hat zunächst nichts damit zu tun, dass es sich um einen Leichnam handelt.

So etwas wie ein typisches Leichengift oder eine grundsätzlich giftige Eigenschaft von Verstorbenen gibt es nichts. Man kann seinen verstorbenen Angehörigen also i.d.R. ruhig anfassen, streicheln und auch küssen. In vielen Kulturkreisen ist es üblich, dem Verstorbenen die Hand oder die Stirn zu küssen und wir haben es schon sehr oft erlebt, dass Witwen ihren verstorbenen Ehemann noch einmal auf den Mund küssen. Das kann man machen, wenn man mag, Leichen sind nicht giftig.
Ein kürzlich Verstorbener ist auch nicht kalt oder steif, sondern einfach nur friedlich, ruhig.

Ptomain, Leichenbase oder Leichenalkaloid genannt) ist eine (meist irreführende) Bezeichnung für die bei der Eiweißfäulnis durch bakterielle Zersetzung von Lysin und Ornithin entstehenden biogenen Amine Cadaverin (Neuridin) und Putrescin, die ein Grund für den Verwesungsgeruch von Leichen sind. Daneben spielen auch Schwefelverbindungen wie Schwefelwasserstoff eine Rolle, die zwar an sich giftig sind, aber nicht in hoher Konzentration vorliegen.

Je nach Vorgeschichte beginnt der Verwesungsvorgang früher oder später, keinesfalls aber so rapide, dass irgendein Grund zur Besorgnis besteht, die Leiche könne daheim alles vergiften. Nach Eintritt des Todes hört insbesondere der Kreislauf der Körperflüssigkeiten auf. Was vorher noch seinen geregelten Gang ging, liegt nun still. Bakterien und Keime werden nicht mehr bekämpft, abgebaut oder ausgeschieden und beginnen im Körper ihr Werk. Fette, Eiweiße und Bindegewebe werden im Verlaufe der Zeit zersetzt und aus der Leiche tritt als Abbauprodukt ein sogenanntes „Leichenwasser“ aus. Dies wird aber in der Regel erst dann passieren, wenn der Leichnam längst begraben ist.
Schwere Erkrankungen, Chemotherapie, starke Medikamente usw, können ein Grund dafür sein, dass die Verwesung viel schneller oder sehr verzögert in Gang kommt.

In den ersten Stunden und Tagen nach Eintritt des Todes ist es wahrscheinlicher, das Körperflüssigkeiten aus den natürlichen Körperöffnungen austreten. Dem begegnet der Bestatter mit geruchsbindenden Stoffen und einer flüssigkeitsbindenden Unterlage im Sarg.

Obwohl in kriegerischen Auseinandersetzungen auch Leichen zum Vergiften von Brunnen und Gewässern verwendet wurden, gibt es die Substanz „Leichengift“ nicht. Je nach Todesursache und Verwesungsgrad der Leiche ist ein bestimmter Krankheitserreger (beispielsweise Pestbakterien) oder ein Bakterientoxin für die krank machende Wirkung verantwortlich.

Eine intakte Leiche kann ohne weiteres berührt werden ohne dass man befürchten muss, sich zu vergiften oder zu infizieren. Das gilt umsomehr, wenn man den Verstorbenen kannte und die Vorgeschichte kennt. Bestatter haben tagtäglich oft mit Dutzenden von Leichnamen zu tun, die auch oft schon mehrere Tage verstorben sind. Schon aus hygienischen Gründen, aber auch aus den o.g. Gründen der Infektionsvorsorge, werden deshalb Gummihandschuhe getragen.

Im Umgang mit Leichen z. B. in Bestattungsunternehmen gilt, dass eine schädliche Wirkung infolge Hautkontakt oder Einatmung von „Leichengift“ ausgeschlossen ist. Bei oraler Aufnahme oder Übertragung durch Injektion oder Schnittverletzungen (Traumata) sind aber sehr wohl Erkrankungen möglich:

* durch Bakterientoxine (z. B. Botulinustoxin, Tetanustoxin)
* durch Spaltprodukte infolge Eiweißfäulnis
* mikrobielle Infektionen

Über kaum ein Thema gibt es so viele falsche Aussagen, wie über das Leichengift. In manchen Orten war Kindern das Betreten der Aufbahrungs- und Aussegnungshallen auf den Friedhöfen verwehrt, weil man glaubte, sie könnten sich dort durch das Leichengift Krankheiten holen. Oft wird auch behauptet, der Hinweis an den Wasserstellen auf den Friedhöfen „Kein Trinkwasser“ beruhe darauf, dass dieses Wasser durch Leichengift verunreinigt sei. Tatsache ist aber, dass es sich hier oft um reine Brauchwasserleitungen handelt, die schon seit Generationen im Erdreich liegen und so eine einwandfreie Beschaffenheit des Wassers nicht garantiert werden kann oder will.

Bestatter nehmen mannigfaltige desinfektorische Maßnahmen vor, um ihre Arbeitsstätten, Gerätschaften und Fahrzeuge sauber zu halten. Diese Vorsichtsmaßnahmen sind in dem „man weiß ja nie“ begründet, nicht aber im Leichengift.

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