Geschichten

Maden und Kekse

Leichengeruch

Leser Josef hat sich so über Eure Reaktionen zu seinen bisherigen Erlebniserzählungen gefreut, daß er gleich noch zwei Geschichten eingesandt hat. Eine davon präsentiere ich gerne hier:

Es war Winter, und ich schraubte im grellen Neonlicht der Werkstatt gerade ein paar Beschläge an eine Eichentruhe, als die Werkstattglocke zweimal schrillte. Das war das vereinbarte Zeichen, das ich nach unten ins Büro kommen sollte. Mit pünktlichem Feierabend würde es heute wohl nichts werden. Ich fuhr mit dem Aufzug nach unten, durch die kleine Scheibe in der Tür vom Aufzug sah ich schon hektische Betriebsamkeit von meinen beiden Arbeitgebern. Sie trugen gerade den Transportsarg zur Garage, wo sie ihn in den Granada verfrachteten.

„Josef! Wir haben einen Einsatz für die Polizei!“
Ja, wir waren mal wieder dran, diesen Monat, eine Aufgabe die sehr unschöne Seiten haben kann. Ja, sagte ich, bin schon da!

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Wir fuhren mit dem Granada BKW, der andere Chef mit seinem PKW hinterher. Als wir am Ort des Geschehens eintrafen, standen die Kripo-Leute und ihre uniformierten Kollegen mit angewidertem Gesicht vor der Haustür. Ein Kripomann meinte zu uns: „Wickelt ihn am besten in den Teppich ein, und nehmt ihn so mit!“

Mit dem Transportsarg in der Hand näherten wir uns der Haustür, da roch man es schon. Umso näher man dem Raum kam, in dem der Verstorbene lag, umso bestialischer wurde der Gestank. Wir erreichten das Wohnzimmer, der ganze Boden war nass, und Maden krabbelten überall herum. Der Verstorbene hatte eine bläulich/ schwarze Verfärbung, die Haut hatte sich schon überall gelöst, und an einer Seite war schon ein großes Loch, so dass man in den Brustkorb hinein schauen konnte.
Da er am ganzen Körper glitschig war, hatten wir selbst mit drei Mann unsere liebe Mühe, den schweren Körper in den Transportsarg zu bekommen. Einen Body Bag oder eine Ferno Trage hatten wir damals nicht. Das hätte die Sache einfacher gemacht. Aber bei 400 Bestattungen im Jahr lohnt sich das nicht!

Schließlich konnten wir den ungastlichen Ort endlich verlassen, nachdem wir die schwere Last ins Auto befördert hatten. Auf der Fahrt zum Friedhof, und nach dem Ausladen bei der Fahrt zurück ins Institut war der Gestank noch deutlich wahrzunehmen. Endlich Feierabend!

Ich habe mir eine Tasse Kaffee gekocht, und will mir gerade einen Keks nehmen, da fängt meine Hand an zu zittern.
Mein Kreislauf spielt etwas verrückt, aber nach einer halben Stunde geht es wieder, Kaffee und Kekse schmecken jetzt.

Das war das einzige Mal in meiner Zeit im Bestattungsgewerbe, wo ich etwas geschwächelt habe.
Übrigens, der Transportsarg musste trotz gründlichster Reinigung noch zwei Tage im Innenhof auslüften!

erzählt von Josef


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 28. Juli 2017

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26 Kommentare
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D.
7 Jahre zuvor

Ich lese dies mit einem Keks in der Hand und bin mir nicht GANZ sicher, ob ich jemals wieder was essen kann. Börks.

Christina
Reply to  D.
7 Jahre zuvor

@D.:

Dann geh nie in einen Vortrag von Dr. Mark Benecke – seither weiß ich nämlich, wie es aussieht, wenn der Kopf eines Toten gleichzeitig vertrocknet und verfault ist.

*Karamell-Kekse essend*
Christina

Kall
7 Jahre zuvor

Toast geht danach.

kall
Reply to  Kall
7 Jahre zuvor

@Kall: Also nach dem Lesen des Posts, natürlich.
Praktische Erfahrung im Abholen von angegammelten Toten hab ich natürlich nicht.

7 Jahre zuvor

Da wird einem doch ein bisschen anders..
Wie macht man das als Bestatter?
Lernt man im Laufe der Zeit damit umzugehen?
Oder wie lernt man, dass man sich nicht an Ort und Stelle übergeben muss?!
Gerade bei solchen Fällen habe ich den größten Respekt vor den Menschen die den Verstorbenen abholen und hinterher alles wieder sauber machen.

Josef
Reply to  Klakki
7 Jahre zuvor

@Klakki:

In solchen Situationen wo der Magen am Anfang mit Aufhängung durch den Hals kommen will, habe ich immer an frischen grünen Rasen gedacht.
Das hat tatsächlich geholfen. Erlebnisse dieser Art packt man am besten in ein Regal, bei Bedarf kann man es herausnehmen, und ansonsten bleibt es da drin.
Da hat aber jeder Kollege seine eigene Strategie. Wenn man nach einem solchen schlimmen Einsatz an die frische Luft kommt, weiß man erst was das für ein Geschenk ist!
Vielen Dank auch an dieser Stelle lieber Peter, das du mich ein wenig aus meinen Erfahrungen berichten lässt!

Reply to  Josef
7 Jahre zuvor

@Josef:

Das mit der frischen Luft glaube ich dir gerne.

Kommt sowas denn „häufiger“ vor?
Irgendwie kann ich mir das bei so einem fortgeschrittenem Verwesungsprozess nicht vorstellen, dass das so lange unbemerkt bleibt und die Hausbewohner nichts mit bekommen.

fishtown
Reply to  Klakki
7 Jahre zuvor

@Klakki: Leider immer häufiger. Liegt an der Vereinsamung der Gesellschaft. Keiner kümmert sich mehr um den anderen. Gestank wird auch gerne ignoriert. Ganz nach dem Motto geht mich nix an.

7 Jahre zuvor

Schaurige Geschichten,die das Leben schreiben,lese ich immer gerne,dürfen gern gruselig sein.Das Ende eben..Habe da eine gelesene (auch echt gewesen) Geschichte im Kopf:ein Mann wurde nach Monaten tot aus seiner Wohnung geholt, Spinnengewebe drum herum, na: Todesursache wsl.Zuckerprobleme,er trug genau ein,wann er wieder Medizin nehmen musste,seine fernen Angehörigen erfuhren von seinem Tod aus den Medien und wussten vorerst nicht einmal,das es ihr Angehöriger war. Er lebte einsam und verlassen. DIESE Angst, allein leben zu müssen,finde ich schlimmer,als den Tod! Ich nasche auch gern, möchte aber gern wieder abnehmen. Bitte mehr von solchen Geschichten…

Leo
Reply to  mesie
7 Jahre zuvor

@mesie:
Hat eine Zeitlang gut geklappt mit den Abständen nach Satzzeichen und hin und wieder mal einem Absatz dazwischen, aber mittlerweile bist du wieder ganz weg davon, hm?
Glaub mir, man kann (könnte) deine Kommentare wirklich viel besser lesen, wenn du nicht alles ohne Abstand und Absatz am Stück schreibst!
Bitte nimm das nicht persönlich oder als Angriff; es ist ja nicht uninteressant, was du schreibst. Nur eben schwierig zu lesen. *g*

Glückauf
7 Jahre zuvor

Ich möchte Josefs Literarische Verdienste nicht schmälern, Peter hat ähnliches bereits mehrfach geschrieben und der Kernleserschaft dürfte solches nicht fremd sein. Augen auf bei der Berufswahl.

Boandlgramer
7 Jahre zuvor

Solchen „Einsatz“ hatten wir auch vor ein paar Tagen.
Ist nicht angenehm, aber es kommt keiner nach uns der das macht…
Leider ist das immer wieder mal der Fall, dass Personen erst nach Wochen aufgefunden werden..
Zumindest bei uns war es gleich zweimal in diesem Monat..
Einmal mit Madenbefall und schwarz/blauen Körper, das andere mal bereits soweit verwest, dass zum Teil nur noch Knochen da waren..
Und in beiden Fällen in Mehrpartei Häuser…
Schon seltsam dass die Leute erst Alarm schlagen wenn sich der Geruch im ganzen Haus ausgebreitet hat, und die Maden in der Nachbarwohnung angekommen sind.

Winnie
Reply to  Boandlgramer
7 Jahre zuvor

@Boandlgramer: Zitat: Schon seltsam dass die Leute erst Alarm schlagen wenn sich der Geruch im ganzen Haus ausgebreitet hat,… Vor einigen Jahren hat ein Nachbar meines Bekannten das Zeitliche gesegnet und sich seinem Trinkerschicksal bestimmungsgemäß ergeben. Der Bekannte sagte zu mir, ich glaube der ist tot. Wenn der ein paar Tage weg fährt, sagt er immer einer Nachbarin bescheid. Diesmal hat er nichts gesagt und die Rolladen sind seit Tagen nicht mehr bewegt worden. Meine Empfehlung, die Polizei zu rufen, kam bei dem gar nicht gut an. Erstens hatte er Angst, dass er die Rechnung (für was auch immer??? z. B. Türöffnung???) bekommt und zweitens wollte er nicht als Spanner dastehen, der die Nachbarn beobachtet!?!?!? Und all das, obwohl er selbst oft mit dem nun Entwichenen getrunken hat. Wie auch immer, hat es ca. 3 Wochen gedauert, bis irgend jemand angerufen hat und die stinkenden Überreste, in einem der heißesten Sommer der letzten Jahre, abgeholt wurden. Das sind Gründe, die ich zwar verstehen, aber nicht nachvollziehen kann. Denn was auch immer die Polizei macht, ich… Weiterlesen »

fishtown
Reply to  Boandlgramer
7 Jahre zuvor

@Boandlgramer: Da hilft als Bestatter und Mediziner nur noch eine Portion Galgenhumor. Erinnere mich gerne an eine ähnliche Situation. Es war eigentlich nur noch ein Gerippe übrig. Die Ärztin vom Gesundheitsamt sagte mit einem Augenzwinkern:“ Bitte noch einmal den Leichnam umdrehen. Ich muss noch gucken ob da nicht ein Messer im Rücken steckt.“

Tloc
7 Jahre zuvor

Hatte das mal vor Jahren im Frühling in einer sehr großen Wohnanlage. Die Nachbarn wollten, nachdem die Verstorbene sechs Wochen nicht gesehen worden war, den Gestank loswerden. Die Kollegen der Feuerwehr sind dann unter Atemschutz über das Fenster der Wohnung eingedrungen. Die Bewohnerin ist wohl noch im Winter verstorben, denn die Heizungen liefen auf hohen Touren und die Fenster waren dicht. In der Küche lag dann eine Mumie… sah wirklich so aus wie die Bilder die man von ägyptischen Pharaonen kennt.

Josef
7 Jahre zuvor

Peter hat ähnliches bereits mehrfach geschrieben und der Kernleserschaft dürfte solches nicht fremd sein.

In nahezu jedem Blog wiederholen sich Posts auf bestimmte Beiträge. So war ich mal in einem Fahrradblog unterwegs, in dem zum Thema Gangschaltungen mehrfach das selbe gefragt wurde. Jeder nimmt einen solchen Einsatz anders wahr.

Augen auf bei der Berufswahl.

Ich habe die Augen schon aufgemacht, es war ja nicht die Absicht mich zu beklagen. Ich möchte mich hier im Blog mit einbringen, und realistische Geschichten aus dem Alltag in einem Bestattungsinstitut wiedergeben. Das Fazit ist, das ich keine Lebensberatung von dir benötige, und wenn du bestimmte Themen nicht so gerne liest, ignoriere sie doch einfach.
Du kannst ja auch Peter bitten, das solche Beiträge wie von mir nicht mehr zugelassen werden, vielleicht hört er ja auf dich. Der Boandlgramer hat auch einen Beitrag dazu verfasst. Den musst du jetzt auch belehren!

Julia
Reply to  Josef
7 Jahre zuvor

@Josef: ? Ich finde deine Antwort jetzt ein bisschen überzogen. Ich denke, so böse war der ursprüngliche Kommentar gar nicht gemeint. Man tut sich meist selbst nichts gutes, wenn man jeden nicht nur positiven Kommentar kommentiert. Just my two thoughts.

Josef
Reply to  Julia
7 Jahre zuvor

@Julia:

Ich habe klar und höflich meine Meinung gesagt, sonst nichts.

Josef
Reply to  Peter Wilhelm
7 Jahre zuvor

@Peter Wilhelm:
Danke Peter!

Christina
7 Jahre zuvor

Mal praktische Frage: solche Sterbeorte, wo Leiche länger gelegen hat, werden heutzutage ja idR von Tatortreinigern wieder her gerichtet.

Wie wurde das eigentlich früher gehandhabt, hatten da Vermieter oder Erben die große goldene A***-Karte und konnten schauen, wie sie die Räume wieder in bewohnbaren Zustand bekommen?

Ich habe die Bücher von Peter Anders gelesen, so ganz einfach ist es in Extremfällen ja wohl auch für Profis nicht, die Räume wieder „frisch“ zu bekommen, aber ohne Tatortreiniger (= Profis) kannste so ne Bude ja gleich abreißen?

ein anderer Stefan
7 Jahre zuvor

Ich mag die Geschichten aus dem Leben und hätte gerne mehr davon. Da Tom alias Peter ja mittlerweile seine eigenen Geschichten wohl alle erzählt hat, ist es prima, wenn andere in die Bresche springen.

Monica
7 Jahre zuvor

Hochsommer war’s, Tantchen telefonierte ständig stundenlang (öhm …. war da nicht was mit allerhöchstens 5 min pro Telefonat?), Pflegedienst kommt aber eh mehrmals täglich zu ihr, also okay ……….. Irgendwann kam mir das dann aber doch komisch vor, als sie weit nach Mitternacht noch telefonierte. Nachdem sie das bis 6 Uhr morgens tat, habe ich den Pflegedienst heraus gefunden und dort angerufen und erfahren, dass diese seit Tagen nicht in der Wohnung gewesen sind, da niemand geöffnet hat. Hääääää????? Ich die also in meinem grösstmöglichen Befehlston SOFORT mit dem Schlüssel dorthin beordert und dann bin ich (ja, Verkehrsregeln hab ich nicht mehr wirklich im Kopf gehabt) quer durch die Stadt gedüst zu Tantchen (eigentlich unnötig Knöllchen zu riskieren, wenn man eh ahnt was man vorfinden wird, ich weiß). Naja, Tantchen lag verwickelt in die lange Telefonschnur am Boden, roch nicht mehr ganz frisch nach einer Woche, sah auch schon nicht mehr nach gut gestylt aus. Der extreme Geruch hatte sich nur aufgrund eines gekippten Fensters nicht ins Treppenhaus verzogen, so dass es die Nachbarn hätten… Weiterlesen »

Eddy J.
Reply to  Monica
6 Jahre zuvor

@Monica: Sowas geht ja garnicht, wozu gibts denn bitte Pflegedienste??
Sollte man anzeigen, so eine Inkompetenz.
Was wäre denn bitte, wenn sie gefallen wäre und Hilfe bräuchte?

Monica
Reply to  Eddy J.
6 Jahre zuvor

@Eddy J.: Eddy J., damals war ich noch Lichtjahre davon entfernt irgendwo aufzumucken. Ich steckte in einer Depression, ohne zu wissen was das ist und war noch wie gelähmt von der Tour durch die Münchner Altersheime, die alles andere als ermutigend war. Für meine Tante suchte ich eine sichere Bleibe, in der respektvoll umgegangen wurde mit den Bewohnern. Die negativen Eindrücke und Gespräche setzten mir ziemlich zu. Der Claus Fussek von der VIF fing damals erst damit an in die Öffentlichkeit zu gehen mit seinen aufrüttelnden Schilderungen, ich kam mir drum sehr alleine vor und hatte dauernd das Gefühl, ich müsse mich täuschen und das könne nicht wirklich sein.

Heutzutage bin ich anders drauf, da hätte ich den Pflegedienst sofort bei der Heimaufsicht gemeldet und überlegt welche Konsequenzen noch sinnvoll sind.




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