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Viel Rauch um nichts – Bestatter schuldlos – Einbalsamierung unerlaubt durchgeführt

Dieser Fall hat in der Branche, vor allem aber bei Laien, doch recht viel Staub aufgewirbelt.
Da wurde ein Bestatter der Störung der Totenruhe beschuldigt und mußte deshalb auch noch vor Gericht.

Bestatter aber kümmern sich um die Verstorbenen und übernehmen damit einen Dienst am toten und am lebenden Menschen, den sonst ja keiner machen will.

Dieser Bestatter wurde beschuldigt, einer verstorbenen Person eine formalinhaltige Flüssigkeit injiziert und damit eine Einbalsamierung zumindest teilweise vorgenommen zu haben, ohne daß hierfür eine behördliche Genehmigung und ein Auftrag vorgelegen hätten.
Die Störung der Totenruhe wurde insbesondere dadurch vermutet, daß er bei diesem Vorgang auch bis zu 500 ml Blut des Verstorbenen entnommen haben soll.

Schon 2007 schrieb ich einen, sehr im Netz beachteten, Artikel über die Einbalsamierung; er ist so beliebt, daß er in mindestens vier bekannt gewordenen Fällen für Schulaufgaben und Schulreferate abgekupfert worden ist.
Hier kann man ihn nachlesen.

Für alle diejenigen, die nicht dem Link folgen möchten, will ich nur kurz erläutern, daß im Zuge einer vollständigen Einbalsamierung das Blut des Verstorbenen durch verschiedene Einbalsamierungsflüssigkeiten, u.a. auch formalinhaltige und damit konservierende, ersetzt wird.
In Amerika Gang und Gäbe, wird das bei uns fast ausschließlich in Ausnahmefällen und bei beabsichtigten Transporten in andere Länder durchgeführt.
Durch das Einbalsamieren ist eine deutlich längere Aufbahrungszeit ebenso möglich, wie man durch Zugabe bestimmter Stoffe, dem Verstorbenen auch ein besseres Aussehen verleihen kann.

Nun soll also dieser Bestatter eben dies, zumindest mal teilweise, gemacht haben und dafür zog ihn die zuständige Staatsanwaltschaft vor Gericht.

Die Presse ist sogleich auf den Zug aufgesprungen und die Meldungen über den Bestatter, der sich unerlaubt mit Chemikalien an den Toten zu schaffen macht, füllten wochenlang immer mal wieder die Schlagzeilen.

Tatsächlich konnte der Bestatter aber nun vor Gericht seine Unschuld beweisen. Er hatte nämlich gar keine Einbalsamierung vorgenommen und es hatte auch gar kein Austausch des gesamten Blutes stattgefunden. Ja, er hatte nicht einmal Blut entnommen, sondern insgesamt nur eine konservierende Flüssigkeit injiziert, um eine längere Vorzeigbarkeit des Verstorbenen sicherzustellen.

Hierfür ist kein Austausch und eine Entnahme von Blut notwendig.

Das mußte nun auch die Staatsanwaltschaft einsehen und man reduzierte den Vorwurf auf einen ordnungsrechtlichen. So ganz wollte man den Bestatter dann doch nicht ungeschoren davon kommen lassen und wirft ihm nun vor, daß er zwar keine Störung der Totenruhe begangen habe, aber ihm die behördliche Genehmigung des Ordnungsamtes zur Durchführung der Einbalsamierung gefehlt habe. Hierfür solle er nun 200 Euro Bußgeld bezahlen.
Nach den Worten des Richters: „Das ist so, als wenn jemand zu schnell gefahren ist oder falsch geparkt hat“, wird die juristische Dimension deutlich. Ja, der Richter bescheinigte dem Beschuldigten sogar ein „lauteres Handeln“.

Ob der Bestatter das Ordnungsgeld nun bezahlt oder Widerspruch einlegen wird, steht noch nicht fest. Sein Anwalt hatte noch während des Gerichtstermins verdeutlicht, daß der Bestatter keine Ordnungswidrigkeit begangen haben kann, weil der Einsatz von Formalin nur dann genehmigt werden müsse, wenn er eine Einbalsamierung zum Ziel hat, die den Verwesungsprozeß unterbreche.

Hiervon kann aber bei der bloßen Injektion von 500 ml formalinhaltiger Flüssigkeit gar keine Rede sein, weil das nur bewirken kann, daß sich der Zersetzungsprozeß marginal um wenige Tage verzögere, damit der Verstorbene nach einer Obduktion noch aufgebahrt und dann in Ruhe ins Krematorium gebracht werden konnte.

Einmal mehr haben wir es mit einem Fall zu tun, in dem Behörden und Medien einen Bestatter vorgeführt haben und in teils sensationsheischender Manier einen Skandal witterten, wo gar keiner war.
Wir haben solche „kleinen Einbalsamierungen“ auch durchgeführt, anders kann man die lange Zeit, vor allem wenn die Staatsanwaltschaft einen Leichnam sicherstellt, bis zur Beerdigung in manchen Fällen gar nicht überbrücken.
Will man dann den Angehörigen, die den Wunsch haben, den Verstorbenen trotzdem noch einmal zu sehen, keinen schaurigen Anblick bieten (ich vermeide mal den Ausdruck „stinkender Kadaver“), muß man als Bestatter oft tief in die Trickkiste greifen.
Das geschah, in meinen Fällen und auch in diesem aktuellen Fall, immer mit Wissen und Genehmigung der Familie.

Hier nun eine Straftat zu vermuten, ist schon ziemlich hanebüchen.

Klar, die Behörden wollen vermeiden, daß die Unsitte des übertriebenen und zur Selbstverständlichkeit werdenden Einbalsamierens, dazu führt, daß unsere Friedhöfe irgendwann voll sind mit erdbestatteten Leichen, die lange nicht vergehen, weil sie voll mit erhaltenden Chemikalien sind.
In unserer Bestattungstradition und in unseren klimatischen Kreisen ist eine Einbalsamierung auch tatsächlich nicht in jedem Fall erforderlich. Aber es gibt Ausnahmen und auch mildere Formen, als die komplette Einbalsamierung und so eine wurde hier vorgenommen. Zu berücksichtigen ist auch, daß hier eine Kremierung erfolgte und somit sowieso keine dauerkonservierte Leiche begraben werden sollte.

Viel Rauch um nichts!

Link: WAZ


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 7. Dezember 2013 | Peter Wilhelm 7. Dezember 2013

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4 Kommentare
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10 Jahre zuvor

Lieber Undertaker,

nachdem ich den Link zum Tippfehler melden nicht wieder gefunden habe, mache ich diesen Umweg (ich bin sonst nicht so, aber der Verschreiber ließ mich grinsen und das soll an dieser Stelle wohl nicht sein): Gleich in der ersten Zeile heißt es: „Dieser Fall hat in der Brache…“ das sollte doch Branche heißen.

Herzliche Grüße,

Miss Weber

PS: Der Kommentar muss meinethalben nicht veröffentlicht werden.

Christina
10 Jahre zuvor

Das mit dem Formalin bei beschlagnahmten Leichen verstehe ich nicht ganz, wann habt ihr das dann in die Leiche eingebracht?
Wirksam wäre ja DAVOR, aber Formalin stört doch die Obduktion?

Ich hab grade das Buch „Spuren des Todes“ gelesen, und die Autorin (in England lebende Deutsche) beschreibt darin, dass bei Unfällen im Ausland, wenn die Leiche im Ausland für den Transport einbalsamiert worden ist (das beschreibt sie dann so, wie ich es aus Deinem Blog kenne = Austausch Blut gegen formalinhaltige Flüssigkeit) logischerweise Blutuntersuchungen nicht mehr möglich sind, wenn Blut gegen Formalin ausgetauscht wurde – stört es dann nicht auch, wenn im Blut 500 ml Formalin sind?

Weil bei Einbringung NACH Beschlagnahme ist der Verfall ja schon eingetreten.

bombjack
10 Jahre zuvor

Außerdem wenn die letzte Reise eh ins Krematorium geht, wird auch die Argumentation mit „daß die Unsitte des übertriebenen und zur Selbstverständlichkeit werdenden Einbalsamierens, dazu führt, daß unsere Friedhöfe irgendwann voll sind mit Leichen, die lange nicht vergehen, weil sie voll mit erhaltenden Chemikalien sind.“ hinfällig, außer man ist natürlich als Staatsanwalt so auf Gesetze fixiert, dass man das Hirn abgegeben hat.

bombjack

Winnie
10 Jahre zuvor

Genau und dass der pfeifende Staatsanwalt, oder war es die Pfeife von Staatsanwalt?! trotzdem auf einer Gebühr/Strafe besteht, liegt vermutlich daran, dass er nicht verlieren kann und deshalb zu seiner eigenen Genugtuung (so, ich habe doch Recht) den Fall schließen will.
Laut Duden ein Vollpfosten, den aber hier niemand braucht und will.




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