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Wann kondoliert man? Verzicht auf Beileidsbekundungen

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Hallo tom.
vor kurzem ist ein lieber freund von mir verstorben. viel zu früh. unerwartet.
demnächst ist die trauerfeier, zu der mit sicherheit sehr viele gäste kommen werden. nun steht in der traueranzeige „von beileidsbekundungen am grab bitten wir abstand zu nehmen“. was genau bedeutet das? ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. bedeutet es, dass man bei der trauerfeier in der kapelle sein beileid bekunden darf, es jedoch am grab unerwünscht ist? oder soll man generell davon absehen?
ich kenne sowohl die eltern als auch die lebensgefährtin persönlich, habe mich auch dem wunsch gefügt, nicht anzurufen, da es ihnen zu viel gewesen wäre. doch es käme mir merkwürdig vor, auch bei einem persönlichen treffen bei der beisetzung mein beileid nicht kundzutun. was also genau verbirgt sich hinter dem satz? wie verhält man sich den wünschen der angehörigen entsprechend richtig?
herzliche grüße,
j.

Bei Trauerfeiern und Beerdigungen ist es üblich, daß die Trauergäste, ganz nach ihrem eigenen Bedürfnis und nach ihrer Stellung, den engsten Angehörigen kondolieren. Man muß das nicht grundsätzlich tun, es könnte ja auch sein, daß man als Trauergast so ergriffen ist, daß einem dieser Schritt selbst zu viel ist.

Als Vereinskamerad ohne persönlichen Bezug ist es nicht unbedingt erforderlich, daß man sein Beileid ausdrückt, als langjähriger Vorgesetzter, guter Freund der Familie oder direkter Arbeitskollege würde man es aber erwarten.

Die nächsten Verwandten kondolieren üblicherweise nicht in der Trauerhalle oder nach der Grablegung, sondern vorher oder nachher im persönlichen Gespräch.

Man muß sehen, daß die Trauergäste oft ein echtes Bedürfnis haben, ihre eigene Trauer auf diese Weise zum Ausdruck zu bringen und den Angehörigen ihr Beileid auszusprechen und eventuell Beistand anzubieten.

Diesem Traditionellen und dem persönlichen Bedürfnis steht nun aber auch das Interesse der trauernden Hinterbliebenen entgegen. Trauerfeiern und Beerdigungen sind schwere Wege, sehr schwere Tage und belasten ungemein. Da kann jedes weitere Beileidwünschen schon zu viel werden.
Deshalb ist es durchaus verständlich, daß Familien in Trauerkarten und -anzeigen von vornherein darauf hinweisen, daß sie bestimmte Formen des Kondolierens nicht wünschen.

Das kann aus praktischen Gründen eine Bitte um Verzicht auf Blumengeschenke sein, sich aber auch auf die Art, die Zeit und den Ort des Beileidwünschens beziehen.
Hier ist dann bei den Trauergästen Fingerspitzengefühl gefragt.
Manche meinen, sie seien anders als andere und für sie gelte diese Bitte nicht. Es ist aber durchaus ungehörig, sich über einen solchen ausdrücklich geäußerten Wunsch einfach hinwegzusetzen. Es schickt sich auch nicht, sich anderen anzuschließen, die trotzdem kondolieren. Von den Hinterbliebenen wird das als zusätzliche Belastung empfunden.

Selbstverständlich bedeutet ein solcher Wunsch nicht, daß grundsätzlich niemand zu keiner Zeit sein Beileid aussprechen darf. Das gilt jetzt einmal nur für den beschriebenen Ort und Zeitraum. Es heißt also, einen besseren Zeitpunkt zu finden, etwa am nächsten Tag per Telefon oder persönlich bzw. durch eine Karte.

Heißt es, daß von Beileidsbekundungen am Grab Abstand zu nehmen ist, dann bedeutet das in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle, daß die Familie am Tag der Beisetzung überhaupt keine solchen Bekundungen in Empfang nehmen will.
Nach der Zeremonie in der Trauerhalle wird sich der Trauerzug, angeführt von der engeren Familie, in Richtung Grab begeben. Will man da jetzt im Trauerzug nach vorne preschen und den ganzen Zug aufhalten?

Auch vorher ist es nicht gut. Zu Beginn der Trauerfeier oder unmittelbar davor werden die Angehörigen ziemlich vorne in der Trauerhalle Platz nehmen. Es wäre störend und würde das zur-Ruhe-Kommen empfindlich belasten, gingen nun Trauergäste nach vorne und würden ihr Beileid ausdrücken wollen.

In vielen Fällen liegt ja ein Kondolenzbuch aus, in dem sich jeder austoben kann, wie er mag. Es ist auch kein Problem, den Mitarbeiter des Bestattungshauses, der das Buch betreut, zu bitten, nach der Trauerfeier ganz in Ruhe noch etwas hineinschreiben zu können, wenn vorher eine zu lange Schlange drängt. Oder aber man wartet ab, bis der erste Ansturm auf das Buch vorüber ist und kann dann, gerne auch umfangreicher, etwas in das Buch schreiben.

Ansonsten: Was hindert einen daran, der Familie noch einen persönlichen Brief zu schreiben, in dem man seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, seine Anteilnahme ausdrückt und obligatorisch auch seine Unterstützung anbietet.
Wenn mal wieder etwas Wasser den Rhein hinuntergelaufen ist, wird man solche Briefe gerne immer mal wieder zur Hand nehmen und sich daran erfreuen.

Insgesamt gilt für den von Dir geschilderten Wunsch um einen Verzicht auf Kondolation: Das Interesse der Angehörigen ist in diesem Fall höher zu bewerten als das Mitteilungsbedürfnis der Trauergäste.


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Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 19. Juni 2012 | Peter Wilhelm 19. Juni 2012

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13 Jahre zuvor

Moin!

„nun steht in der traueranzeige „von beileidsbekundungen am grab bitten wir abstand zu nehmen“. “

Solche Sätze erzeugen Unsicherheit, naklar. Man „läd“ zur Trauerfeier ein, sagt aber: kommt mir nicht zu nahe.
Wenn man das der Familie erklärt, findet man auch eine Lösung. Ein Lösungsweg ist: Ok, dann halten wir das eben aus (gerade, wenn anschließend noch Kaffeetrinken ist, da kommen die sonst alle an). Ein anderer: Einer aus der Familie stellt sich der Kondolenz, die, die es nicht mögen verdrücken sich.

Michel
13 Jahre zuvor

Ich habs persönlich mal so erlebt:

Nachdem der Pfarrer fertig war am Grab, wurde noch kurz von den Vereinskameraden was gesagt, der Vorstand hat sein Beileid für die Mannschaft ausgesprochen, am Grab. Danach wurden die Rosen und die Erde geworfen, die Angehörigen blieben in der Nähe. Wer wollte, ging ans Grab und ging dann in der Regel auch wortlos, oft mit einem Nicken zum Witwer. Die Verwandten blieben bis alle weg waren und dann wurde da nochmal das Beileid ausgesprochen, im kleinen Rahmen.

Beim Kaffee danach gab es soweit keine Beileidsbekundungen. Die persönlichen Briefe wurden aber z.B. auch genutzt oder eben später das Thema nochmal angesprochen.

Anja
13 Jahre zuvor

Also ich hab auch schon erlebt, dass die Verbliebenen gerne kondoliert worden wären(sagt man das so?), aber sie es trotzdem mit dem oben beschriebenen Satz „abgesagt“ haben, weil es einfach zu lange gedauert hätte. Wenn auf dem Land jemand sehr altes stirbt, dann kommen ALLE. Sowohl aus der Gemeinde, wo die Verstorbene geboren wurde, als auch aus der Gemeinde wo sie hingeheiratet hat vor 70 Jahren. Abgesehen davon, dass sowieso die meisten miteinander verwandt sind*hust* sind das einfach mal verdammt viele Leute. Bei der Beerdigung, die ich grade im Kopf hab, waren es inklusive der Familienanhänge, der Freunde, der Bekannten, der Kunden(Stallbesitzer mit vielen Einstellern) usw. insgesamt gut 300 Leute. Davon über die Hälfte Bauern, die in der Erntezeit nicht einfach mal Zeit haben den halben Tag in der Schlange zu stehen zum kondolieren. Da gabs einen sehr kurzen Gottesdienst(also wirklich SEHR kurz, der Paster hat kurz was gesagt und dann wars auch wirklich schon wieder gut) in der übervollen Kirche, dann wurde der Sarg rausgetragen auf den Kirchenfriedhof, die Gute kam rein, die Kinder… Weiterlesen »

Thomas
13 Jahre zuvor

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß die Beileidsbekundungen am Grab zwar ein schöner Brauch, aber auch eine ganz schöne Belastung sind. Bei der Beerdigung meiner Mutter haben ihre wirklich guten Freunde uns nur kurz und fest die Hand gedrückt – was hätte man in der Situation auch sagen sollen? Entfernte Verwandte und irgendwelche Kolleginnen und Kollegen aus dem weiteren Arbeitsumfeld haben die Gelegenheit aber genutzt, um wortreich ihre tiefe Verbundenheit mit meiner Mutter auszudrücken oder gleich in heftiges Schluchzen auszubrechen. Das ist wirklich kein Trost, sondern eine ziemliche Tortur.

Silke
13 Jahre zuvor

Gott sei Dank habe ich noch nicht viele Beerdigungen erlebt, aber ich handhabe es gern so: Wenn mich der Tod eines mir bekannten Menschen trifft und mich entsprechend berappelt habe, setze ich mich hin und schreibe einen Zettel voll mit Dingen, die mir Gutes über den Verstorbenen einfallen, warum er mir fehlen wird, was gemeinsam erlebt wurde, woran man sich gern erinnert, vielleicht wann man sich das letzte Mal sah. Dabei gilt, dass man nah an der gesprochenen Sprache bleibt und keine Phrasen („die liebe Verblichene…“) drischt, sondern den Toten beim Namen nennt. Der Zettel bleibt offen für weitere Notizen. Nach ein paar Stunden oder manchmal auch Tagen habe ich alle Gedanken beisammen und schreibe das sauber auf ein gutes Papier, am besten mit der Hand. Ich verzichte auch auf Trauerrand. Es ist so, wie Tom sagt. Es kommt die Zeit, da nehmen die Verwandten den Brief zur Hand und es dient ihnen zur Verarbeitung, denn nicht umsonst heißt es Trauerarbeit. Bei Tod einer kürzlich mit Mitte 40 verstorbenen ehemaligen Kollegin habe ich dem Ehemann… Weiterlesen »

Wolfram
13 Jahre zuvor

Ich bin immer ganz vorn am Grab, und ich kondoliere IMMER den engsten Angehörigen. Obwohl ich die meist vorher schon mal gesehen habe.
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Ja, und dann seh ich zu, daß ich vom Grab wegkomme und den Talar ausziehe…




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