Bestattung interkulturell: Voodoo Ahnenkult und Mythen

Bestattungsriten im Voodoo – Zwischen Spiritualität, Ahnenkult und falschen Mythen

Was ist Voodoo wirklich?

Voodoo ist eine der geheimnisvollsten und am meisten missverstandenen Religionen der Welt. Ursprünglich aus Westafrika stammend, verbreitete sich Voodoo durch den transatlantischen Sklavenhandel in die Karibik, insbesondere nach Haiti, sowie in Teile Südamerikas und der Vereinigten Staaten. Besonders bekannt ist der haitianische Vodou (oft fälschlicherweise als „Voodoo“ bezeichnet), der aus der Verschmelzung afrikanischer Traditionen mit christlichen Einflüssen entstand. Auch in Benin, Nigeria und anderen westafrikanischen Ländern spielt Voodoo noch immer eine zentrale Rolle im spirituellen und kulturellen Leben.

Im Gegensatz zu den Horrorklischees aus Hollywood, die Voodoo mit Flüchen, Zombies und dunklen Ritualen assoziieren, ist es eine komplexe, tief spirituelle Religion mit einer engen Verbindung zu den Ahnen und der Natur. Voodoo verehrt eine Vielzahl von Göttern und Geistern, bekannt als „Loa“ oder „Lwa“, die als Mittler zwischen der physischen Welt und dem Jenseits fungieren.

Der Tod und das Jenseits im Voodoo

Der Tod ist im Voodoo kein endgültiger Abschied, sondern ein Übergang. Man glaubt, dass die Seele eines Verstorbenen in zwei Teile gespalten ist:

  • Gros Bon Ange – die große Seele oder Lebensessenz, die sich nach dem Tod in die spirituelle Welt begibt.
  • Ti Bon Ange – die kleine Seele oder individuelle Persönlichkeit, die für einige Zeit auf der Erde verweilen kann, bevor sie in die Ahnenwelt aufgenommen wird.

Damit ein Verstorbener in den Kreis der Ahnen aufgenommen werden kann, müssen bestimmte Bestattungsrituale durchgeführt werden. Ansonsten, so der Glaube, könnte die Seele umherwandern und Unheil bringen.

Voodoo-Bestattungsrituale – Die Reise der Seele begleiten

1. Rituelle Waschung des Verstorbenen

Bevor ein Körper beigesetzt wird, erfolgt eine rituelle Reinigung mit heiligem Wasser und Kräutern. Dies soll die Seele auf ihre Reise vorbereiten und sie von irdischen Lasten befreien.

2. Opfergaben und Begleitung durch die Loa

Während der Zeremonie werden den Geistern und Ahnen Opfergaben wie Rum, Kaffee, Maismehl oder Ziegenblut dargebracht. Der Loa Baron Samedi, Herrscher über den Friedhof und Wächter der Toten, wird besonders verehrt. Man glaubt, dass er darüber entscheidet, ob die Seele in Frieden ruhen darf.

3. Beisetzung mit persönlichen Gegenständen

Um dem Verstorbenen den Übergang ins Jenseits zu erleichtern, werden ihm wichtige persönliche Gegenstände mit ins Grab gegeben – ähnlich wie im alten Ägypten.

4. Neun-Tage-Trauer und „Desounen“-Ritual

Neun Tage nach der Beisetzung wird eine Zeremonie abgehalten, um die Seele vollständig aus dem Körper zu lösen. Erst danach kann die Seele ihren Platz in der Ahnenwelt einnehmen. Ohne dieses Ritual könnte sie als umherwandernder Geist zurückbleiben.

5. „Retirer d’Anba Dlo“ – Die Befreiung der Seele

Ein Jahr und ein Tag nach dem Tod wird ein weiteres bedeutendes Ritual abgehalten. Dabei wird die Seele endgültig aus der Unterwelt befreit und kann in den Ahnenkreis aufgenommen werden. Dieses Ritual ist von zentraler Bedeutung, da eine nicht richtig verabschiedete Seele zu ruhelosen Geistern („zombi astral“) werden könnte.

Die Wahrheit über Voodoo-Zombies

Ein besonders hartnäckiger Mythos ist der Glaube, dass Voodoo-Priester Tote wieder zum Leben erwecken und als willenlose „Zombies“ versklaven. Diese Vorstellung wurde durch Filme und Romane verbreitet, doch die Realität ist weit weniger spektakulär.

Die Zombie-Legende basiert auf echten Praktiken, bei denen Voodoo-Priester Menschen mit pflanzlichen Giften (z. B. Tetrodotoxin aus Kugelfischen) in einen tranceartigen Zustand versetzen konnten. Diese Menschen galten dann als „wiedererweckt“, obwohl sie in Wahrheit nur unter starkem Drogeneinfluss standen. Dies diente meist dazu, bestimmte soziale Strafen durchzusetzen, hat aber nichts mit der makabren Darstellung in Filmen zu tun.

Weitere falsche Mythen über Voodoo

  • Voodoo ist keine satanische Religion – Tatsächlich gibt es im Voodoo keine Teufelsanbetung. Das christlich geprägte Bild des „Bösen“ spielt hier keine Rolle.
  • Voodoo-Puppen dienen nicht dazu, Menschen zu verfluchen – Sie sind Werkzeuge für Gebete und Heilungsrituale, nicht für schwarze Magie.
  • Voodoo ist nicht primitiv oder barbarisch – Es ist eine tiefgehende spirituelle Tradition mit komplexen Ritualen, Ethik und Philosophie.

Fazit – Eine Religion des Lebens und der Ahnenverehrung

Voodoo ist weit mehr als ein Mythos über schwarze Magie und Zombies. Es ist eine lebendige, spirituelle Religion, die das Leben feiert und die Verbindung zu den Ahnen ehrt. Bestattungsrituale spielen eine zentrale Rolle in der Voodoo-Tradition, denn sie helfen der Seele, ihren Platz in der spirituellen Welt zu finden. Wer sich mit dem echten Voodoo beschäftigt, erkennt schnell, dass es sich nicht um eine finstere, sondern um eine äußerst tiefgründige und faszinierende Glaubensrichtung handelt.

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