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Katja, der Goldfisch -II-

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Der Auto-Bauer hatte Katja als sein Eigentum betrachtet, die wiederum wollte durch eine Beziehung zu ihrem Chef ein wenig Ablenkung in Beziehungskrisen und wohl auch etwas Anerkennung in der Firma als die Freundin vom Chef.
Doch eines wollte Katja offenbar gar nicht: Eine feste Beziehung mit Herrn Bauer.

Der konnte aber Katja überhaupt nicht mehr aus dem Kopf bekommen und sein ganzes Denken drehte sich nur noch um die junge Frau. Daß Katja in einer festen, lesbischen Beziehung mit Dagmar lebte, das tat Bauer mit einer ärgerlichen Handbewegung ab, so eine Phase habe jeder mal im Leben und Katja stünde da nur unter dem schlechten Einfluss dieser Lesbe.

Bauer und sein tschechisches Faktotum Radek hatten Katja systematisch bespitzelt. Herrn Bauers Besitzansprüche an Katja gingen soweit, daß er kaum noch schlief und er auch die Nächte hindurch in der Nähe von Katjas Wohnung auf Lauer lag und durch ein Nachtsichtgerät die Wohnung beobachtete.

Tagsüber war er nur noch sporadisch in seinem Betrieb anzutreffen, irgendwann mußte er ja auch mal schlafen und so kam er nur noch kurz vorbei, um die Post durchzusehen, wichtige Unterlagen zu unterschreiben und Anweisungen zu erteilen.

Entweder beobachteten Radek oder Bauer Katja alleine oder gemeinsam, jedenfalls war die Beobachtung irgendwann lückenlos. Doch was Bauer am meisten auf die Palme brachte, war die Tatsache, daß auch nach mehreren Wochen der Überwachung in Bild und Ton nichts, aber auch gar nichts herausgekommen war.

Katja und Dagmar hatten sich offensichtlich nicht viel zu sagen, da war einfach nur dicke Luft.

„Die hab stundenlang in der Wohnung nix geredd, stumm wie Goldfisch, alle beide. Was brauchst da ein Spionageapparat, wenn die nix sagen“, sagte Radek und erzählte weiter:
„Was hab Katja gemacht? Hä? Nix hab sie gemacht, is‘ ab und zu abends in Wirtschaft an Ecke und hab ein, zwei Bier getrunken und da hab du nix verstanden von dem Apparat, alles nur Durcheinander von Geräusch. Dann ist’se nach Hause und da hab die zwei Frauen von Wäsche erzählt, von Kochen und dann war Tatort zu hören oder Lindenstraße. Wissen Sie was? Detektiv ist Scheiße, wollt ich nich mein ganzes Leben machen, ist echt Scheiße.“

Dagmar und Herr Bültgens kommen gemeinsam, um endgültig Abschied von Katja zu nehmen. Dagmar hat ein kleines Sträußchen mit bunten Blumen dabei und fragt, ob sie das wohl in den Sarg legen darf. Klar, das geht.
Bültgens bleibt an der Tür des Aufbahrungsraumes stehen, kann gar nicht richtig in Richtung des Sarges schauen und man merkt, daß er froh und erleichtert ist, als Dagmar ihrer Freundin ein letztes Mal über die Hände streichelt und dann schniefend mit ihm wieder in die Halle geht.

„Sie können den Sarg dann bitte zumachen“, sagt Bültgens und fügt noch hinzu: „Sie haben das alles so schön gemacht, die Kerzen, die Blumen, alles…“ Auch er weint und dann zieht er einen Geldschein aus seiner Manteltasche und drückt sie mir in die Hand: „Geben Sie das bitte ihren Mitarbeitern…, es ist alles so schön.“

Dann gehen die beiden und lassen mich etwas ratlos zurück. Was soll ich nun machen? Der Vater hat die Anweisung gegeben, den Sarg nun zu schließen und ich weiß aber, daß in absehbarer Zeit auch Herr Bauer kommen wird, um Katja ein letztes Mal zu besuchen.
Was wiegt nun mehr?
Normalerweise würden wir das Wort des Vaters gelten lassen, aber schadet es Katja, wenn Bauer auch noch einmal Lebewohl sagt? Nein, das tut es nicht und warum sollen wir Bauer diesen Wunsch verwehren?
Es ist alles so verworren und wir im Bestattungshaus wissen nicht, was wir von der ganzen Sache halten sollen.
Dagmar hatte ja bei ihrem ersten Besuch in unserem Haus spontan gesagt: „Der hat die totgemacht.“
Weiter hatte sie sich dazu nicht geäußert und nur durch Radek waren wir dahinter gekommen, daß sie Hugo Bauer meint.
Klar, ihr konnte es nicht entgangen sein, daß der Auto-Bauer sich ebenfalls um Katja bemühte, sie ebenfalls für sich beanspruchte und offenbar sah sie es so, als trage Bauer die Schuld an Katjas Tod.

Radek wiederum sieht das ganz anders, er hat seine eigene Theorie und sagte am Abend vorher zu mir: „Iste doch ganz klar! Hab die Dagmar die Katja umgemacht. Die hab sie nicht haben können und wollt‘ nich‘ daß Bauer sie hab. Wenn ich sie nicht kann haben, dann hab sie auch kein anderer. Die hat die den Treppe runter geschmissen, ist ganz klar!“

Das sei alles deshalb möglich gewesen, weil sich nämlich am Abend von Katjas Tod folgendes zugetragen haben soll:
Katja sei im Haus ihres Vaters, wo sie immer noch ihr Mädchenzimmer hat, zu Besuch gewesen und habe sich heftig an der Bar im Wohnzimmer bedient. Ganz anders als es Herr Bültgens jetzt an den Tag legt, habe er keineswegs den liebenden Vater gegeben, sondern seiner Tochter heftige Vorwürfe wegen ihres Lotterlebens gemacht. Sie benehme sich wie eine Hure, wie eine läufige Hündin und schlafe sich im Betrieb nach oben, während sie gleichzeitig den Namen der Familie in den Dreck ziehe und mit einer Lesbe rummache…

Nach einem ersten und zweiten heftigen Streit zwischen Vater und Tochter sei dann Dagmar aufgetaucht und habe eine Aussprache gefordert. Radek sagte: „Die hab ihr Ultimatum gestellt für zum Entscheiden zwischen ihr und dem Bauer.“
Das alles habe er mit dem nachtsichtigen Fernglas mehr schlecht als recht gesehen und mit der Wanze in Katjas Handtasche immer nur dann richtig gehört, wenn die alle im Wohnzimmer waren.
„Das Dollste aber, Chef, das Dollste war, daß auch dem Bauer da gewesen ist. Der hab im Auto schräg gegenüber von die Einfahrt gesesse, wissen Sie, da wo der Elektro-Schwöbel wohnt, der mit der weißen Villa und den Siebener-BMW? Kennen Sie? Da hab der Bauer gestanden, hab ich genau gesehe‘, der hab geraucht im Auto wie ein Schlot.“

So haben wir also eine recht überschaubare Szenerie: Im Haus sind Herr Bültgens, seine Tochter Katja und deren Freundin Dagmar. Vor dem Haus sitzen Bauer und Radek in getrennten Fahrzeugen und beobachten das Haus.

„Nein, der hab nicht die ganz‘ Zeit da gesessen. Auf einmal war der weg. Aber nur der Bauer, nicht dem sein Auto. Keine Ahnung wo der war, aber ich glaub‘, der ist auch in Haus gegange‘. Ist ja kein Problem, von der Seite durch die weiße Tür an der Garage kannst Du immer rein, ist offen. Die hab doch vorne das elektrische Tor, das war aber offen. Vielleicht war in Haus, vielleicht nicht, hab ihm nicht gesehe‘ in Haus.“

Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 9. Juni 2012 | Peter Wilhelm 9. Juni 2012

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11 Kommentare
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Christians Ex
13 Jahre zuvor

*vor Spannung zitter*

Uli
13 Jahre zuvor

also wirklich … an der spannendsten Stelle … UND JETZT ????

MENSCH TOM … mach hinne … wir wollen wissen, wie es ausgeht … Drama pur … *seufz* … ok ich geh jetzt schnell die Waschmaschine bestücken … und wenn ich wiederkomme … gell … aber dann … 😉

13 Jahre zuvor

Tom sagte „bis Weihnachten“. Weihnachten beginnt am 25. und endet am 26. Dezember. Jedes Jahr aufs Neue 😉

Eine Jahreszahl habe ich dabei nicht gesehen …

simop
13 Jahre zuvor

Ne, ednong, Weihnachten ist schon am 24.! *mahnendzuTomspähend*

13 Jahre zuvor

Ich sterbe vor Spannung. So kann man sich auch die Kundschaft sichern. 😉

Konni Scheller
13 Jahre zuvor

Ein unglaubliches Talent, die Spannung aufzuhalten..

Matthias
13 Jahre zuvor

Dass den Kommentatoren das nicht langweilig wird, immer das Gleiche zu schreiben *seufz*

Genotron
13 Jahre zuvor

Ist halt immer ne andere geschichte 🙂

turtle of doom
13 Jahre zuvor

Also, ich wette auf einen [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Mexican_standoff]Mexican standoff[/url].

Wie es sich für einen Meistererzähler gehört. 😉

lya
13 Jahre zuvor

Wow, Spannung pur…
Popkornhol.

Matthias
13 Jahre zuvor

@Genotron: Eben drum könnte man sich auch mal was Neues ausdenken 😉




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