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Frag den Bestatter

Wie löst man denn einen Friedhof auf?

Wenn da geschrieben steht, daß Friedhöfe aufgegeben werden was passiert denn dann damit. Kommt da der Bulldozer? Haben die Leute keine Rechte an den gekauften Gräbern? Irgendwann sind sowieso alle Gräber weg ist das dann nicht voll eklig, so ein Platz?

Direkt in unmittelbarer Nähe des Hauses in dem ich aufgewachsen bin, gab es einen kleinen katholischen Friedhof. Als kleiner Bub habe ich dort sogar noch als Messdiener an Beerdigungen in Reihengräbern teilgenommen.
Er war schon einige Jahre vorher aufgegeben und stillgelegt worden, bestattet wurden nur noch die, die ein Grab „vorgekauft“ hatten oder Plätze in einer „Gruft“ frei hatten.

Das bedeutete aber nicht, daß dort kein Friedhof mehr war. Nach wie vor kam jeden Tag der wichtige, alte Mann in seiner grauen städtischen Uniform und schloss abends die Tore ab, öffnete sie am nächsten Morgen wieder und lief ab und zu „Streife“. Die städtischen Gärtner kümmerten sich um Bäume, Büsche und Wege und der Friedhof blieb einige Zeit genau das was er war, ein Friedhof; nur neue Gräber kamen nicht mehr hinzu.

Im Gegenteil, binnen drei, vier, fünf Jahren waren die meisten Reihengräber verschwunden. Für sie war die Grablaufzeit abgelaufen und sie wurden komplett entfernt, die Reihen wurden frisch mit Erde planiert und mit Gras eingesät.

Je mehr Gräber verschwanden, umso mehr übernahmen wir Kinder das Gelände als wildromantischen Spielplatz, bei Liebespaaren waren die Bänke in den von Buchsbaumhecken geschützen Sitzbuchten sehr beliebte Knutschecken und später, als Liebespaare sich nicht mehr auf Parkbänken herumdrücken mussten, übernahmen Gruppen aus dem Trinkermillieu diese Stellen.

Der Grauuniformierte wurde von gelegentlichen Polizeistreifen abgelöst, städtische Gärtner beseitigten immer wieder abgelaufene Gräber und eines Tages verschwanden auch die Tafeln mit der Friedhofsordnung, die seinerzeit noch „schnelles Rennen, lautes Sprechen und unzüchtiges Benehmen“ mit schier mittelalterlichen Strafen belegte.
Ganz offiziell wurde der Friedhof zu einer Parkanlage mit Andachtscharakter erklärt.

Noch heute, und das ist 35 Jahre später, gibt es dort einzelne Gräber. Sie liegen am prominenten Randbereich, an der Friedhofsmauer direkt am Weg. Fabrikanten- und Bauern-Dynastien hatten dort Familiengräber mit Laufzeiten von 70 Jahren angemietet und die zuletzt Bestatteten hatten in den 70er Jahren auch noch einmal 40 Jahre und mehr spendiert bekommen.

Dadurch kam es zu der kuriosen Situation, daß Mütter mit Kinderwagen, spielende Kinder und trinkfeste Frühinvaliden manchmal recht unvermittelt einer Schar von Trauergästen mit Sarg gegenüberstanden.

Geschadet hat das alles weder den Toten, noch den Lebenden.
Irgendwann wird es so sein, daß nur noch knapp zehn Gräber von sehr prominenten Familien (die oft schon längst ausgestorben sind) als Denkmale bestehen bleiben und wir es ansonsten mit einer schönen Parkfläche zu tun haben.


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Ich erteile Auskünfte ausschließlich aufgrund meiner Erfahrung und erbringe keine Rechts-, Steuer- und Medizinberatung.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 19. Juni 2012 | Peter Wilhelm 19. Juni 2012

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13 Jahre zuvor

Mal zum Thema Platz und ekelig: In fast jeder gewachsenen Stadt, wo sich heute nur noch Pflaster um die Kirche befinden und ansonsten Häuser dort dicht an dicht stehen – da steht man zumeist auch auf einen ehemaligen Friedhof.

Mikel
13 Jahre zuvor

auch zum Thema „ekelig“

Siehs doch mal so – die Erde ist an weiten Teilen mit Humus/Erde bedeckt, was uns natürlich freut, sonst könnte nur sehr schlecht etwas darauf gedeihen.

Aber aus was besteht Erde? -> aus vielen vielen Lebewesen, Pflanzen UND zum großen Teil aus den Überresten verstorbenener Lebewesen.

Warum sollen jetzt Orte, wo beerdigte Menschen dazu gekommen sind,eklig sein?

Zero the Hero
13 Jahre zuvor

Manchmal (leider zu selten) passiert auch überhaupt nichts.
Hier gibts den Rest eines alten Friedhofs, dessen größter Teil im Krieg zerstört worden ist, der wuchert mitten in der Stadt als kleiner grüner Urwald mit paar bemoosten Steinen vor sich hin.

Dobby
13 Jahre zuvor

Ach Tom, was passiert dann eigentlich mit all den Grabsteinen?
😉

13 Jahre zuvor

@ Dobby: Die werden alle im Shopping-Fernsehen verkauft und vorher zu einem ganz feinen Pulver zermahlen. Die skrupellosen Hersteller pressen das dann in Pillenform und essen es als Algentabletten.

Ma Rode
13 Jahre zuvor

Klar ist das eklich. Man denke nur an dis ganze, viele Leichengift …

DarkPrince
13 Jahre zuvor

Ist bei uns auch so, der Südpark ist ein ehemaliger Friedhof und jetzt eine städtische parkanlage (mit einem verbleibenden Gräberfeld und nem alten Krematorium)

Zitat: In der Nähe des Steigerwaldes liegt der über 7 ha große Südpark. Er ist aus dem ehemaligen Südfriedhof hervorgegangen, der 1978 geschlossen wurde. Die weiträumige Anlage mit ihrem über 100 Jahre alten Baumbestand bietet Erholungssuchenden vielfältige Möglichkeiten der Entspannung und Freizeitbetätigung. Die weite Parklandschaft bildet einen besonderen Kontrast zur Enge der Großstadt.

Kommentator
13 Jahre zuvor

Das Thema gab es vor zwei Jahren schonmal hier im Blog, damals mit einer Reihe von Beispielen für solche aufgelassenen Friedhöfe, die in Parks umgewandelt wurden:
http://bestatterweblog.de/archives/Friedhof-aufgegeben/2477#comments

Im von mir beschriebenen Jacobipark habe ich neulich in der Sonne gesessen, nicht weit von den wenigen Grabmalen, die da noch sind. Ehrlich: Das stört da niemanden. Der Kinderspielplatz ist wie der ganze Park gut besucht.

ein anderer Stefan
13 Jahre zuvor

In den Fällen, in denen die Kirchen mitten in der Stadt liegen (im Gegensatz zu Klosterkirchen, die teils bis heute etwas abgelegen sind), sind alte Friedhöfe mitunter auch Teil der Fußgängerzone oder liegen heute unter Straßen und Fußwegen. Noch besser sind lange aufgegebene und heute nahezu unbekannte Friedhöfe – wenn dann bei Erdarbeiten Knochen auftauchen, ist der Schrecken erstmal groß, zuerst wird die Polizei gerufen und dann ggf. die Archäologen. Ich habe beruflich gerade mit so einem Fall zu tun – Kirche, alter Friedhof, seit 200 Jahren innerstädtischer Platz, und jetzt Erdarbeiten bis 4 Meter Tiefe – da gibts alte Knochen haufenweise.

matakuka
13 Jahre zuvor

Ich kenne in Berlin einen Friedhof, der heute zur Hälfte unter Häusern „verschwunden“ ist (Alter Garnisionsfriedhof). Der Rest ist als Park noch da, mit teils bekannten Gräberinsassen. Ein anderer Friedhof(in einer Einflugschneise zu Tempelhof) gelegener hat in den letzten zehn Jahren langsam die Zelte abgebrochen. Der wird wohl erst einmal Park werden, und wer weiß, vielleicht ist das in fünfzig Jahren ein Gewerbehof oder eine Kleingartenanlage. Da liegen aber meines Wissens nach auch keine berühmten Leute.

JohnB
13 Jahre zuvor

Ich komm ja nu aus Berlin und hab als Jungspunt beim Bau gearbeitet. Da kam das gar nicht so selten vor das mal Knochenteile gefunden wurden. Man wusste halt meistens nicht was es war. Ich kann mich aber auch an nen Unterkiefer erinnern wo wir dann überlegt haben wie wir weiter verfahren sollen.
Wir habens dann einfach so gelassen. Geschichte muss Geschichte bleiben dürfen.

Slow Motion
13 Jahre zuvor

In Hannover gibt es im Stadtteil Linden auch so einen Friedhof der eigentlich nicht mehr existiert. Dort ging ich mal spazieren und sah einen Mann der aus meiner Sicht Grabsteine fotografierte. Als ich ein paar Meter näher kam, konnte ich erkennen was da wirklich los war. Der Grabstein lag auf einer Mauer, war weiblich und trug nicht mehr als einen Netzbody. Dann bekam sie einen Mantel gereicht und beide gingen ihrer Wege.

fraeles-anna
13 Jahre zuvor

Als der Edersee vor 100 Jahren gebaut wurde und deshalb einige Dörfer verlegt wurden, wurden die Gräber auf den Friedhöfen zubetoniert. Bei Niedrigwasserstand kann man sie heute noch sehen.
http://www.ederseeruinen.de/friedhof.htm




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